Entscheidungsstichwort (Thema)
Fusionsrichtlinie, Finnische Übertragungssteuer, Besteuerung der Einlage von Aktien gegen Übertragung neuer Aktien
Leitsatz (amtlich)
Die Richtlinie 69/335/EWG des Rates vom 17. Juli 1969 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital in der Fassung der Richtlinie 85/303/EWG des Rates vom 10. Juni 1985 ist dahin auszulegen, dass ihr Art. 12 Abs. 1 Buchst. c keine Anwendung auf die Erhebung einer Steuer wie der finnischen Übertragungssteuer (varainsiirtovero) findet, wenn Wertpapiere als Einlage auf eine Kapitalgesellschaft übertragen werden, die als Gegenleistung für diese Übertragung von ihr neu ausgegebene Aktien überträgt. Die Erhebung einer solchen Steuer ist nach Art. 12 Abs. 1 Buchst. a der genannten Richtlinie zulässig.
Normenkette
EWGRL 335/69 Art. 12 Abs. 1
Beteiligte
Fortum Project Finance SA |
Verfahrensgang
KHO (Finnland) (Urteil vom 26.05.2006; Abl.EU 2006, Nr. C 178/25) |
Tatbestand
„Art. 56 Abs. 1 EG ‐ Richtlinie 69/335/EWG ‐ Art. 12 Abs. 1 Buchst. a und c ‐ Ausnahme vom Verbot der doppelten Besteuerung von Einlagen ‐ Einlage in Form von Aktien in eine in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassene Gesellschaft ‐ Aktientausch ‐ Steuer auf die Übertragung von Gütern“
In der Rechtssache C-240/06
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Korkein hallinto-oikeus (Finnland) mit Entscheidung vom 26. Mai 2006, beim Gerichtshof eingegangen am 29. Mai 2006, in dem Verfahren
Fortum Project Finance SA
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann sowie der Richter A. Tizzano, A. Borg Barthet, M. Ilešič (Berichterstatter) und E. Levits,
Generalanwalt: Y. Bot,
Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 19. April 2007,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐ der Fortum Project Finance SA, vertreten durch M. Tunturi und T. Kanervo, asiamiehet,
‐ der finnischen Regierung, vertreten durch E. Bygglin und J. Heliskoski als Bevollmächtigte,
‐ der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch V. Jackson als Bevollmächtigte im Beistand von R. Hill, Barrister,
‐ der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch R. Lyal und P. Aalto als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 5. Juli 2007
folgendes
Urteil
1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 56 Abs. 1 EG und Art. 12 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 69/335/EWG des Rates vom 17. Juli 1969 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital (ABl. L 249, S. 25) in der Fassung der Richtlinie 85/303/EWG des Rates vom 10. Juni 1985 (ABl. L 156, S. 23) (im Folgenden: Richtlinie 69/335).
2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Fortum Project Finance SA (im Folgenden: Fortum Project Finance), einer Gesellschaft luxemburgischen Rechts, und dem Uudenmaan verovirasto (Finanzamt Uusimaa, Finnland) wegen Erhebung der finnischen Übertragungssteuer (varainsiirtovero) auf die gesamte Beteiligung, die die Fortum Oyj (im Folgenden: Fortum), eine Gesellschaft finnischen Rechts, am Kapital der Fortum Heat and Gas Oy (im Folgenden: Fortum Heat and Gas), einer anderen Gesellschaft finnischen Rechts, hält und die sie als Einlage an Fortum Project Finance übertragen möchte, die als Gegenleistung für diese Übertragung neue eigene Aktien ausgeben soll.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
3
Art. 56 Abs. 1 EG bestimmt:
„Im Rahmen der Bestimmungen dieses Kapitels sind alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten … verboten.“
4
Mit der Richtlinie 69/335 soll, wie sich aus ihrem ersten und ihrem zweiten Erwägungsgrund ergibt, der freie Kapitalverkehr, der als eine für die Schaffung eines Binnenmarkts wesentliche Grundfreiheit angesehen wird, gefördert werden. Dazu soll die Richtlinie steuerrechtliche Hindernisse beseitigen, die auf dem Gebiet der Ansammlung von Kapital bestehen, insbesondere bei Gesellschaftseinlagen, d. h. Einlagen von Aktionären oder anderen Gesellschaftern in ihre Kapitalgesellschaften.
5
Zu diesem Zweck sehen die Art. 1 bis 9 der Richtlinie 69/335 die Erhebung einer harmonisierten Abgabe auf Gesellschaftseinlagen (im Folgenden: Gesellschaftsteuer) vor.
6
In Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie werden die der Gesellschaftsteuer unterliegenden Vorgänge aufgelistet, zu denen nach Buchst. c „die Erhöhung des Kapitals einer Kapitalgesellschaft durch Einlagen jeder Art“ gehört.
7
Nach Art. 7 der Richtlinie kann eine solche Einlage mit einem einheitlichen Satz von höchstens 1 % besteuert werden.
8
Art. 10 der Richtlinie 69/335 bestimmt, dass die Mitgliedstaaten abgesehen von der Gesellschaftsteuer von Gesellschaften, Personenvereinigungen oder juristischen Personen mit Erwerbszweck insbesondere auf die in Art. 4 der Richtlinie genannten Vorgänge keinerlei andere Steuern oder Abgaben erheben.
9
Art. 11 der Richtlinie 69/335 lautet:
„Die Mitgliedstaaten er...