Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Steuerrecht. Mehrwertsteuer. Befreiung für ‚bestimmte, in engem Zusammenhang mit Sport und Körperertüchtigung stehende Dienstleistungen’. Unmittelbare Wirkung. Begriff der Einrichtungen ohne Gewinnstreben

 

Normenkette

EGRL 112/2006 Art. 132 Abs. 1 Buchst. m

 

Beteiligte

Golfclub Schloss Igling

Finanzamt Kaufbeuren mit Außenstelle Füssen

Golfclub Schloss Igling e. V

 

Verfahrensgang

BFH (Beschluss vom 21.06.2018; Aktenzeichen V R 20/17; BFH/NV 2018,, 1057)

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 21.04.2022; Aktenzeichen V R 48/20 (V R 20/17))

 

Tenor

1. Art. 132 Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ist dahin auszulegen, dass er keine unmittelbare Wirkung hat, so dass sich auf diese Vorschrift, wenn durch die Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats, mit denen sie umgesetzt wird, nur eine begrenzte Zahl in engem Zusammenhang mit Sport und Körperertüchtigung stehender Dienstleistungen von der Mehrwertsteuer befreit wird, eine Einrichtung ohne Gewinnstreben vor den nationalen Gerichten nicht unmittelbar berufen kann, um die Befreiung anderer in engem Zusammenhang mit Sport und Körperertüchtigung stehender Dienstleistungen von der Mehrwertsteuer zu erwirken, die diese Einrichtung für die solche Tätigkeiten ausübenden Personen erbringt und die nach den genannten Rechtsvorschriften nicht befreit sind.

2. Art. 132 Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 2006/112 ist dahin auszulegen, dass der Begriff der Einrichtung ohne Gewinnstreben im Sinne dieser Vorschrift ein autonomer unionsrechtlicher Begriff ist, der verlangt, dass eine solche Einrichtung im Fall ihrer Auflösung von ihr erzielte Gewinne, die die eingezahlten Kapitalanteile ihrer Mitglieder sowie den gemeinen Wert der von ihnen geleisteten Sacheinlagen übersteigen, nicht an ihre Mitglieder verteilen darf.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesfinanzhof (Deutschland) mit Entscheidung vom 21. Juni 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 25. Juli 2018, in dem Verfahren

Finanzamt Kaufbeuren mit Außenstelle Füssen

gegen

Golfclub Schloss Igling e. V.

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Vilaras, der Richter N. Piçarra (Berichterstatter), D. Šváby und S. Rodin sowie der Richterin K. Jürimäe,

Generalanwalt: G. Hogan,

Kanzler: M. Krausenböck, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 23. September 2019,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • des Golfclubs Schloss Igling e. V., vertreten durch die Steuerberater J. Hoffmann und M. Mühlbauer,
  • der deutschen Regierung, zunächst vertreten durch T. Henze und S. Eisenberg, dann durch J. Möller und S. Eisenberg als Bevollmächtigte,
  • der niederländischen Regierung, vertreten durch M. Bulterman und M. de Ree als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch J. Jokubauskaitė und R. Pethke als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 7. November 2019

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 132 Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1, im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Finanzamt Kaufbeuren mit Außenstelle Füssen (Deutschland) (im Folgenden: Finanzamt) und dem Golfclub Schloss Igling e. V. (im Folgenden: Golfclub) wegen der Entscheidung des Finanzamts, bestimmten im Zusammenhang mit dem Golfspiel stehenden, vom Golfclub den Golfspielern erbrachten Dienstleistungen die Befreiung von der Umsatzsteuer zu versagen.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Nach Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie unterliegen „Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Gebiet eines Mitgliedstaats gegen Entgelt erbringt”, der Mehrwertsteuer.

Rz. 4

Titel IX („Steuerbefreiungen”) der Mehrwertsteuerrichtlinie enthält ein Kapitel 2 („Steuerbefreiungen für bestimmte, dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten”), das aus den Art. 132 bis 134 der Richtlinie besteht.

Rz. 5

Art. 132 Abs. 1 Buchst. m und n der Mehrwertsteuerrichtlinie bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten befreien folgende Umsätze von der Steuer:

m) bestimmte, in engem Zusammenhang mit Sport und Körperertüchtigung stehende Dienstleistungen, die Einrichtungen ohne Gewinnstreben an Personen erbringen, die Sport oder Körperertüchtigung ausüben;

n) bestimmte kulturelle Dienstleistungen und eng damit verbundene Lieferungen von Gegenständen, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder anderen von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannten kulturellen Einrichtungen erbracht werden”.

Rz. 6

Art. 133 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie sieht vor:

„Die Mitgliedstaaten können die Gewährung der Befreiungen nach Artikel 132 Absatz 1 Buchstaben … m und n...

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