OFD Hannover, 12.7.2006, S 0625 - 40 - StO 141

 

1. Unterbrechung durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens bzw. die Anordnung des allgemeinen Verfügungsverbots bei Einsetzung eines vorläufigen Insolvenzverwalters

Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens bzw. die Anordnung des allgemeinen Verfügungsverbots bei Einsetzung eines vorläufigen Insolvenzverwalters wird das anhängige Einspruchsverfahren – analog § 240 Satz 1 bzw. § 240 Satz 2 ZPO – unterbrochen. Die Unterbrechung dauert solange fort, bis das Rechtsbehelfsverfahren nach den für das eröffnete Insolvenzverfahren geltenden Vorschriften aufgenommen (§ 180 Abs. 2 InsO) oder das (ggf. vorläufige) Insolvenzverfahren aufgehoben wird (vgl. zum Recht nach der Konkursordnung BFH-Urteile vom 3.5.1978, BStBl 1978 II S. 472 und vom 2.7.1997, BStBl 1998 II S. 428).

Durch die Anordnung des allgemeinen Verfügungsverbots bei Einsetzung eines vorläufigen Insolvenzverwalters unterbrochene Rechtsbehelfsverfahren wegen Insolvenzforderungen können weder vom starken vorläufigen Insolvenzverwalter noch vom FA aufgenommen werden. Insolvenzforderungen können nach § 87 InsO nur durch Anmeldung zur Insolvenztabelle geltend gemacht werden. Da dies die Eröffnung des Insolvenzverfahrens voraussetzt, gibt es während der Zeit der vorläufigen Insolvenzverwaltung keine Möglichkeit, die Insolvenzforderung zu verfolgen, d.h. der Erlass einer Einspruchsentscheidung ist unzulässig (vgl. Gesamtdarstellung zum Insolvenzrecht, Abschn. B IV Nr. 2c (Verfügung, Stand vom 1.2.2003, unter besonderer Berücksichtigung der Tätigkeit des Finanzamts im Vollstreckungs- und Insolvenzverfahren; bekannt gegeben im Intranet unter Fachinformationsportal/Anleitungen/Erhebung-Info); vgl. Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, 5. Aufl. S. 270, vgl. BFH-Beschluss vom 30.9.2004, IV B 42/03, JURIS-Dok StRE200451438).

 

2. Anmeldung der Steuerforderungen zur Insolvenztabelle

Es ist jedoch zu beachten, dass das FA die Steuerforderung daneben, parallel zu den abgabenrechtlichen Vorschriften über die Steuerfestsetzung, im Insolvenzverfahren durch Anmeldung zur Tabelle gem. §§ 174 ff. InsO geltend machen muss. Je nachdem, wie sich der Insolvenzverwalter bzw. der Insolvenzschuldner im Insolvenzverfahren bzw. der sog. starke vorläufige Insolvenzverwalter im Insolvenzeröffnungsverfahren auf die vom FA zur Tabelle angemeldeten Steuerforderungen einlassen, ergeben sich hieraus Rückwirkungen auf das Steuerfestsetzungs- bzw. Einspruchsverfahren.

 

2.1 Anmeldung zur Insolvenztabelle wird bestritten

2.1.1 Wird dem noch nicht bestandskräftigen Steuerbescheid im Prüfungstermin vom Insolvenzverwalter widersprochen, wurde aber vom Schuldner bzw. einem sog. starken vorläufigen Insolvenzverwalter noch kein Einspruch eingelegt, erklärt das FA gegenüber dem Insolvenzverwalter die Aufnahme des Steuerrechtsstreits (Vordruck InsO 24 Abschn. B). Das hat zur Folge, dass eine neue Rechtsbehelfsfrist in Gang gesetzt wird, innerhalb derer der Insolvenzverwalter Einspruch erheben kann. Liegt nach Ablauf der Frist kein Einspruch vor, gilt die angemeldete Forderung mit Ablauf der Rechtsbehelfsfrist als festgestellt.

2.1.2 War vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom Schuldner bzw. dem sog. starken vorläufigen Insolvenzverwalter Einspruch eingelegt worden, ist das Einspruchsverfahren durch den Insolvenzverwalter aufzunehmen und fortzuführen (§ 85 InsO, BFH-Urteil vom 3.5.1978, a.a.O.). Das vom Insolvenzverwalter aufgenommene Einspruchsverfahren ist vom FA weiter zu betreiben. Das Gleiche gilt, wenn die Anmeldung zur Insolvenztabelle vom Insolvenzverwalter bestritten wird, dieser aber seinen Widerspruch gegen die Forderungsanmeldung trotz Aufforderung durch das FA, innerhalb einer angemessenen Frist nicht zurücknimmt und den Rechtsstreit von sich aus auch nicht aufnimmt (Vordruck InsO 24 Abschn. C; BMF-Schreiben vom 17.12.1998, BStBl 1998 I S. 1500; Tz. 6.2 (AO-Kartei Anhang D Karte 1)).

Das Einspruchsverfahren wird in der Lage bzw. in dem Verfahrensstand fortgesetzt, in dem es bei seiner Unterbrechung durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens bzw. durch die Anordnung eines allgemeinen Verfügungsverbotes im Eröffnungsverfahren zum Stillstand gekommen ist (BFH-Urteile vom 4.7.1984, I R 19, 14 und 85/84 – juris). Gegenstand des Einspruchsverfahren bleibt der vom Insolvenzschuldner bzw. der vom sog. starken vorläufigen Insolvenzverwalter angefochtene Steuerbescheid. Der Insolvenzverwalter ist befugt, die Änderung oder Aufhebung des Steuerbescheids zu beantragen (BFH-Urteil vom 3.5.1978, a.a.O.).

2.1.3 In den Fällen eines bereits bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens bzw. bei Anordnung eines allgemeinen Verfügungsverbotes im Eröffnungsverfahren anhängigen Einspruchsverfahrens kommt der Erlass eines (Insolvenz-)Feststellungsbescheids nach § 251 Abs. 3 AO bei bestrittenen, zur Insolvenztabelle angemeldeten Steueransprüchen nicht in Betracht (BMF-Schreiben vom 17.12.1998, a.a.O. Tz. 6, Urteil des FG Münster vom 15.1.1997, EFG 1997 S. 585). Dieser ist nur erforder...

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