Entscheidungsstichwort (Thema)

Ruhen des Arbeitslosengeldanspruches - Abfindung - Optionsrecht bezüglich vorzeitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses - Verfassungsmäßigkeit

 

Orientierungssatz

1. § 117 Abs 2 und 3 AFG sind bei Inanspruchnahme eines tarifvertraglichen Optionsrechts, das eine vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer unter Zahlung einer Abfindung und Verkürzung der arbeitnehmerseitigen Kündigungsfrist ermöglicht, anzuwenden. § 117 Abs 2 AFG unterscheidet nicht danach, aus welchem Grund das Arbeitsverhältnis aufgelöst wurde und wer gekündigt hat, sondern Anknüpfungspunkt ist allein die Nichteinhaltung der Kündigungsfrist des Arbeitgebers.

2. § 117 Abs 2 und 3 AFG idF des 4. Gesetzes zur Änderung des AFG vom 12.12.1977 verstoßen nicht gegen Art 3 Abs 1 GG (vgl BVerfG vom 14.12.1981 - 1 BvR 1011/81 = SozR 4100 § 117 Nr 8).

 

Normenkette

GG Art. 3 Abs. 1; AFG § 117 Abs. 3 Fassung: 1977-12-12, Abs. 2 S. 1 Fassung: 1977-12-12

 

Verfahrensgang

Hessisches LSG (Urteil vom 25.01.1995; Aktenzeichen L 6 Ar 1265/93)

SG Wiesbaden (Entscheidung vom 05.10.1993; Aktenzeichen S 5 Ar 411/92)

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der beklagten Bundesanstalt für Arbeit (BA) Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit vom 1. Oktober 1991 bis 31. März 1992.

Die im Juli 1959 geborene Klägerin war seit August 1978 Flugbegleiterin bei der Deutschen Lufthansa AG (DLH). Die Kündigungsfrist ihres Arbeitgebers betrug sechs Monate zum Schluß des Kalendervierteljahres (§ 22 Abs 2 des Manteltarifvertrags ≪MTV≫ Nr 3a für das Bordpersonal der DLH vom 1. Januar 1987). Mit Schreiben vom 26. Juli 1991 beendete die Klägerin ihr Arbeitsverhältnis zum 30. September 1991; sie erhielt eine Abfindung von 96.601,05 DM. Dies entsprach einer tariflichen Klausel ("Optionsrecht") für Flugbegleitpersonal nach Vollendung des 32. Lebensjahres (§ 19a MTV).

Im Oktober 1991 meldete sich die Klägerin beim Arbeitsamt (ArbA) arbeitslos und beantragte Alg. Mit Bescheid vom 9. Januar 1992 bewilligte das ArbA der Klägerin Alg, allerdings erst ab 1. April 1992. Mit weiterem Bescheid vom 24. Januar 1992 (Widerspruchsbescheid vom 29. April 1992) beschied es sie, wegen des vorzeitigen Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis und der gewährten Abfindung ruhe der Leistungsanspruch bis zum 31. März 1992 gemäß § 117 Abs 2 und 3 Arbeitsförderungsgesetz (AFG).

Klage und Berufung blieben erfolglos (Urteil des Sozialgerichts ≪SG≫ vom 5. Oktober 1993; Urteil des Landessozialgerichts ≪LSG≫ vom 25. Januar 1995). Das LSG hat ausgeführt, die Voraussetzungen der Ruhens-Vorschrift des § 117 Abs 2 AFG seien erfüllt. Die Klägerin habe wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses von ihrem Arbeitgeber eine Einmalzahlung von 96.601,05 DM erhalten und das Arbeitsverhältnis sei auch ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet worden. Für die DLH habe es - anders als für die Klägerin - keine (tarifvertraglich geregelte) Möglichkeit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses entsprechend der Regelung in § 19a MTV gegeben. Vielmehr seien für die DLH die Kündigungsfristen nach § 22 Abs 2 MTV maßgebend. Dies bedeute, daß die DLH am 26. Juli 1991 ordentlich frühestens zum 31. März 1992 hätte kündigen können, dem Tag, bis zu dem der Anspruch der Klägerin auf Alg ruhe.

Mit der Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 117 Abs 2 AFG. Sie macht geltend, bei der Einmalzahlung ihres Arbeitgebers habe es sich weder um eine Abfindung iS des § 117 Abs 2 AFG gehandelt noch bestehe der nach dem Gesetz erforderliche Kausalzusammenhang zwischen der Einmalzahlung und der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Die Einmalzahlung habe sie in der Vergangenheit durch ihre langjährige Beschäftigung erdient. Nur unter diesen Voraussetzungen bestehe der Sonderanspruch nach dem einschlägigen Tarifvertrag. Die Zahlung werde gerade geleistet, weil dem Arbeitgeber kein Kündigungsgrund zur Seite stehe. Sinn und Zweck der tariflichen Regelung sei es nämlich, Beschäftigungsmöglichkeiten für andere, nicht in der Beschäftigung stehende Arbeitnehmer zu schaffen. Im Unterschied zu sonstigen "Abfindungsregelungen" in Sozialplänen oder vergleichbaren Regelungen habe dieser Tarifvertrag eine völlig andere Zielrichtung und stelle sich das Verfahren für die Beklagte letztlich als "kostenneutral" dar. Mit der Anwendung der Ruhens-Regelung werde in die verfassungsmäßig garantierte Tarifautonomie eingegriffen. Die Ausübung ihrer Option werde fälschlicherweise an der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers gemessen, obwohl es nach dem Willen der Tarifvertragsparteien gerade nicht auf die Kündigungsfristen ankommen solle.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 25. Januar 1995 und das

Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 5. Oktober 1993 aufzuheben und die

Beklagte unter Abänderung bzw Aufhebung des Bescheides vom 9. Januar 1992

sowie des Bescheides vom 24. Januar 1992 in der Gestalt des

Widerspruchsbescheides vom 29. April 1992 zu verurteilen, ihr

Arbeitslosengeld auch für die Zeit vom 1. Oktober 1991 bis 31. März 1992

zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig. Sie hat zu Recht die Auszahlung des Alg für die Zeit vom 1. Oktober 1991 bis 31. März 1992 abgelehnt; denn in diesem Zeitraum ruhte der Anspruch der Klägerin nach § 117 Abs 2 und 3 AFG.

1.

Nach § 117 Abs 2 Satz 1 AFG in der hier maßgeblichen Fassung des 4.

AFG-Änderungsgesetzes (4. AFG-ÄndG) vom 12. Dezember 1977 (BGBl I 2557)

ruht der Anspruch auf Alg von dem Ende des Arbeitsverhältnisses an bis zu

dem Tag, an dem das Arbeitsverhältnis bei Einhaltung der Frist geendet

hätte, wenn der Arbeitslose wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses

eine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung erhalten oder zu

beanspruchen hat und das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer der

ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet

worden ist. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind hier, wie die

Vorinstanzen zutreffend erkannt haben, gegeben.

a)

Die Klägerin hat wegen der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses die

96.601,05 DM erhalten. Wie das Bundessozialgericht (BSG) in ständiger

Rechtsprechung entschieden hat, wird wegen der Beendigung des

Arbeitsverhältnisses eine Abfindung gewährt, wenn zwischen der Beendigung

des Arbeitsverhältnisses und der Abfindung ein ursächlicher Zusammenhang

besteht (BSG SozR 3-4100 § 117 Nrn 5, 6 und 10 mwN). Dies ist hier nach

den Feststellungen des LSG der Fall. Die Klägerin hat die Einmalzahlung

von 96.601,05 DM wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.

September 1991 erhalten. Sie hätte die Leistung - wie sie selbst einräumt

- nicht erhalten, wenn das Arbeitsverhältnis nicht beendet worden wäre.

Der Einwand, es habe sich bei dieser Einmalzahlung um eine Leistung für ihre langjährige Betriebszugehörigkeit gehandelt, steht der Qualifizierung als eine zum Ruhen des Alg führende Leistung nicht entgegen. Die Formulierung "Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung" in § 117 Abs 2 Satz 1 AFG ist umfassend zu verstehen; sie soll sicherstellen, daß alle im Zusammenhang mit einem vorzeitigen Ausscheiden aus einem Arbeitsverhältnis gewährten Zu wendungen erfaßt werden (BSG SozR 3-4100 § 117 Nr 10). Dies gilt auch, sofern die Abfindung aus sozialen Gründen gewährt worden ist (vgl BSG SozR 4100 § 117 Nr 5).

b)

Das Arbeitsverhältnis der Klägerin ist weiterhin, wie dies § 117 Abs 2

Satz 1 AFG voraussetzt, ohne Einhaltung einer der ordentlichen

Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist, einfach gesprochen

"vorzeitig", beendet worden. Nach den Feststellungen des LSG ist das Ende

des Arbeitsverhältnisses zum 30. September 1991 dadurch herbeigeführt

worden, daß die Klägerin mit Schreiben vom 26. Juli 1991 von ihrem

tariflichen Optionsrecht Gebrauch gemacht hat. Damit ist das

Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist

des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet worden. Denn eine solche

Frist wäre erst zum 31. März 1992 abgelaufen, wie vom LSG festgestellt.

Der Anwendung des § 117 Abs 2 AFG steht nicht entgegen, daß das

Arbeitsverhältnis der Klägerin nicht durch eine Kündigung des

Arbeitgebers, sondern durch die Ausübung des ihr in § 19a MTV eingeräumten

Optionsrechts sein Ende gefunden hat. § 117 Abs 2 AFG unterscheidet nicht

danach, aus welchem Grund das Arbeitsverhältnis aufgelöst wurde und wer

gekündigt hat, sondern Anknüpfungspunkt ist allein die Nichteinhaltung der

Kündigungsfrist des Arbeitgebers.

Dies ergibt sich nicht nur aus dem Wortlaut, sondern vor allem aus dem Zweck des § 117 AFG. Wie das BSG wiederholt ausgeführt hat, beruht diese Vorschrift auf dem Grundgedanken, daß der Arbeitslose nicht der Leistungen der Versichertengemeinschaft bedarf, solange er keinen Lohnausfall hat. Daher ruht der Anspruch auf Alg für die Zeit, für die der Arbeitslose Arbeitsentgelt erhält oder zu beanspruchen hat (Abs 1). Ebenso bedarf der Arbeitslose keines Alg, soweit ihm bei vorzeitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Entschädigung für Lohnausfall gewährt wird. Von einer solchen Entschädigung in einem bestimmten, durch Abs 2 und 3 pauschalierten Umfang geht das Gesetz aus, wenn das Arbeitsverhältnis bei Gewährung einer Abfindung, Entschädigung oder ähnlichen Leistung vorzeitig beendet wird. Dies setzt begrifflich voraus, daß der Arbeitnehmer eigentlich Anspruch auf die Einhaltung einer längeren Kündigungsfrist gehabt hätte, als sie der Arbeitgeber eingehalten hat, und er - der Arbeitnehmer - die Verkürzung wie auch immer durch sein Verhalten ermöglicht und hingenommen hat (vgl BSGE 50, 121, 125 = SozR 4100 § 117 Nr 3; SozR 4100 § 117 Nr 26 und SozR 3-4100 § 117 Nr 10 mwN). Die dargestellte Zielsetzung verwirklicht sich gerade auch im Fall der Klägerin. Denn sie hat durch ihr Verhalten, nämlich durch die Ausübung des Optionsrechts, eine vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses - gegen Zahlung einer entsprechenden Abfindung - ermöglicht. Welche Gründe für sie bei der Ausübung des Optionsrechts bestimmend waren und welche Zwecke die Tarifvertragsparteien mit der Schaffung dieser tariflichen Regelung verfolgten, ist unerheblich. Nach § 117 Abs 2 AFG führen alle Abfindungen, die bei vorzeitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses gewährt werden, zum Ruhen des Anspruchs auf Alg in dem im Gesetz vorgesehenen Umfang. Eine Prüfung im Einzelfall, ob eine bestimmte Abfindung entgegen der Annahme des Gesetzgebers keinen Lohnausfall vergütet, wie sie die Revision erstrebt, ist nicht vorgesehen. Streitigkeiten dieser Art wollte der Gesetzgeber durch eine pauschale Bewertung gerade verhindern. Ist der Arbeitnehmer, wie hier die Klägerin, vorzeitig ausgeschieden und ist der ursächliche Zusammenhang der Leistungsgewährung mit dem Ausscheiden gegeben, wertet § 117 Abs 2 bis 4 AFG einen Teil der Leistung als "Arbeitsentgelt für die Zeit nach dem Ausscheiden" (st Rspr des BSG, vgl SozR 3-4100 § 117 Nrn 6 und 10 mwN).

c)

Sind sonach bei der Klägerin die tatbestandlichen Voraussetzungen für ein

Ruhen des Anspruchs auf Alg nach § 117 Abs 2 AFG erfüllt, ist auch die

Berechnung des Ruhens-Zeitraums, der hier gemäß § 117 Abs 2 Satz 1 AFG

durch das Ende der eigentlichen ordentlichen Kündigungsfrist des

Arbeitgebers zum 31. März 1992 begrenzt wird, nicht zu beanstanden, wie

das LSG zutreffend ausgeführt hat und zwischen den Beteiligten auch nicht

streitig ist.

2.

Die verfassungsrechtlichen Bedenken der Klägerin gegen die

Ruhens-Vorschrift des § 117 AFG teilt der Senat nicht. Ihr Einwand, es

werde hier in unzulässiger Weise in die Tarifautonomie eingegriffen, indem

eine tarifvertraglich vorgesehene Gestaltungsmöglichkeit durch die

Ruhens-Vorschrift gesetzlich abgewandelt und sanktioniert werde, ist schon

vom Ansatz her unzutreffend. Wie das BSG bereits entschieden hat, ist §

117 Abs 2 AFG nicht als eine das Tarifvertragsrecht verändernde Norm zu

verstehen. Vielmehr sind nach dieser Vorschrift geltende tarifvertragliche

Regelungen zu beachten; sie geht deshalb von den Kündigungsmöglichkeiten

der einzelnen Arbeitsverhältnisse aus, wie sie ua durch Tarifvertrag

vorgeschrieben sind (vgl BSGE 50, 121, 124, 127 = SozR 4100 § 117 Nr 3

sowie SozR 4100 § 117 Nr 26). Die in diesem Zusammenhang von der Klägerin

zur Begründung ihrer verfassungsrechtlichen Bedenken herangezogene

Literaturmeinung bezieht sich im übrigen auf eine andere Fallgestaltung,

nämlich auf Tarifklauseln, die eine ordentliche Kündigung durch einen

Sozialplan eröffnen (vgl Gagel, Komm zum AFG, Stand: Dezember 1994, § 117

Anm 134b). Das in § 19a MTV geregelte Optionsrecht verändert die

Kündigungsmöglichkeit des Arbeitgebers oder - anders ausgedrückt - den

Kündigungsschutz der Klägerin aus § 22 Abs 2 MTV (sechs Monate zum Schluß

eines Kalendervierteljahres) nicht. Vielmehr gibt sie allein dem

Arbeitnehmer, hier der Klägerin, die (zeitlich befristete) Möglichkeit der

vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit einer Frist von sechs

Wochen zum Schluß eines Kalendervierteljahres (§ 19a Abs 3 MTV). Gerade

solche Fälle einer vorzeitigen Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen

Zahlung oder - wie die Revision es ausdrückt - "Belohnung" mit einer

Abfindung hat der Gesetzgeber, wie die Rechtsentwicklung des § 117 Abs 2

AFG ergibt, mit der typisierenden Ruhens-Regelung erfassen wollen (vgl

BSGE 50, 121, 124, 125 = SozR 4100 § 117 Nr 3; SozR 4100 § 117 Nr 21).

Soweit die Klägerin außerdem geltend macht, § 117 Abs 2 und 3 AFG idF des 4. AFG-ÄndG werde den Vorgaben der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 12. Mai 1976 (BVerfGE 42, 176 = SozR 4100 § 117 Nr 1) weiterhin nicht gerecht, ist dies ebenfalls nicht zutreffend. Das BVerfG hat sich in dieser Entscheidung, die die frühere Fassung des § 117 AFG betraf, nicht generell gegen eine Ruhens-Regelung ausgesprochen, sondern ausgeführt, daß unter dem Gesichtspunkt des Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG) zu differenzieren sei. Diese Differenzierung hat der Gesetzgeber durch die Neuregelung des § 117 Abs 2 und 3 AFG idF des 4. AFG-ÄndG 1977 - die insoweit bis heute unverändert Geltung hat - vorgenommen. Daß diese Vorschriften nicht verfassungswidrig sind, hat das BSG bereits mehrfach entschieden (BSGE 46, 20, 25 = SozR 4100 § 117 Nr 2; SozR 4100 § 117 Nr 21). Diese Rechtsprechung ist zwischenzeitlich durch das BVerfG bestätigt worden (SozR 4100 § 117 Nr 8).

Die Anwendung der Ruhensvorschriften führen bei der Klägerin auch unter dem Gesichtspunkt des Art 14 Abs 1 GG zu keiner unzumutbaren Belastung. So sind bei ihr von vornherein - unter Berücksichtigung des Lebensalters und der Betriebszugehörigkeit - nur 60 vH der Abfindungssumme berücksichtigungsfähig (§ 117 Abs 3 Satz 2 Nr 1 und Satz 3 AFG). Durch die zeitliche Begrenzung des Ruhens auf das Ende der eigentlichen ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers zum 31. März 1992 ruhen - wie sich aus dem vom LSG in Bezug genommenen Widerspruchsbescheid vom 29. April 1992 entnehmen läßt - Alg-Leistungen in Höhe von maximal 7.910,-- DM (= wöchentlicher Leistungssatz in Höhe von 304,20 DM x 26 Wochen). Dabei bleibt unberücksichtigt, daß der Alg-Anspruch der Klägerin - wie sich aus den vom LSG in Bezug genommenen Verwaltungsakten der Beklagten ergibt - wegen des Bezugs von Mutterschaftsgeld ab 18. Februar 1992 ohnehin nach § 118 Abs 1 Nr 2 AFG geruht hätte.

Im übrigen ist anzumerken, daß das Ruhen nach § 117 AFG den bestehenden Alg-Anspruch weder entzieht noch verkürzt, sondern lediglich den Beginn der Zahlung hinausschiebt. Auch der Arbeitslose, der nach dem Ende des Ruhens-Zeitraums wieder in Arbeit vermittelt wird und einen neuen Alg-Anspruch erwirbt, verliert den Rest des früheren Anspruchs nicht. Denn gemäß § 125 Abs 1 AFG erlischt zwar der Anspruch auf Alg mit der Entstehung eines neuen Anspruchs. Ein nicht verbrauchter Restanspruch kann aber nach § 106 Abs 3 Satz 2 AFG die Dauer des neuen Anspruchs erhöhen.

Da aus den dargelegten Gründen die angefochtenen Bescheide der Beklagten rechtlich nicht zu beanstanden sind, ist die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 60263

BB 1996, 1335

BB 1996, 1335 (T)

RegNr, 22299 (BSG-Intern)

AP § 117 AFG (ST1), Nr 16

DBlR 4247, AFG/§ 117 (OT1)

EzA-SD 1996, Nr 4, 15 (S1-2)

NZA-RR 1996, 311-312 (ST1)

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