Entscheidungsstichwort (Thema)

berufsgenossenschaftliche Zuordnung

 

Beteiligte

…, Klägerin und Revisionsklägerin

Steinbruchs-Berufsgenossenschaft,Hannover 1, Walderseestraße 5-6, Beklagte und Revisionsbeklagte

Berufsgenossenschaft der keramischen und Glasindustrie,Würzburg 1, Röntgenring 2

 

Tatbestand

G r ü n d e :

I

Zwischen den Beteiligten ist die berufsgenossenschaftliche Zuordnung der Klägerin streitig, insbesondere ob deren Unternehmen zu Recht von der Berufsgenossenschaft (BG) der keramischen und Glasindustrie (Beigeladene) an die Steinbruchs-BG (Beklagte) überwiesen wurde.

Die Ursprungsfirma der Klägerin, die Schwemmsteinfabrik Frankfurt aM GmbH, mit Sitz seit dem Jahre 1949 in Bendorf, war seit dem Jahre 1927 Mitglied der Ziegelei BG, einer Rechtsvorgängerin der Beigeladenen. Nach Gründung der Beigeladenen im Jahre 1947 wurde das Unternehmen in deren Unternehmerverzeichnis eingetragen. In den nachfolgenden Jahren erfolgten rechtliche Umwandlungen des Unternehmens, zuletzt im Jahre 1983 in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), nunmehr mit dem jetzigen Namen.

Das Unternehmen der Klägerin stellte ursprünglich bis zu den Jahren 1959/1960 fast ausschließlich Bimsbaustoffe her. Im Laufe der folgenden Jahre wurde das Unternehmen mit weiterhin beibehaltenem Hauptsitz in Bendorf-Mülhofen um die - übernommenen oder neugegründeten - Betriebsstätten in Neuwied, Mülheim-Kärlich, Pulheim, Urmitz, Ulmen, Schweich-Issel, Üdersdorf und Übach-Palenberg erweitert.

In den einzelnen Werken finden folgende Betriebstätigkeiten statt: Im Werk Bendorf-Mülhofen: Maschinelle Herstellung von Wandbausteinen aus Bimsstein; in den übrigen Werken (außer in Urmitz): Maschinelle Herstellung kleinformatiger Betonsteine. Zusätzlich werden in den Werken Schweich-Issel und Mülheim-Kärlich andere Betonelemente (zB Schachtringe für Abwasserschächte) und im Werk Üdersdorf Leichtbeton für Schallschutzwände hergestellt; in den Werken Neuwied und Mülheim-Kärlich werden Sand und Kies gewonnen. In der Betriebsstätte Urmitz wird Kies aufbereitet.

Im Jahre 1979 forderte die Beklagte von der Beigeladenen, ihr das Unternehmen der Klägerin zu überweisen, da der wirtschaftliche Schwerpunkt des Gesamtunternehmens sich nunmehr auf die Gewerbezweige "Herstellung von Verbundsteinen" und "Förderung von Kies und Sand" verlagert habe. Bei einer gemeinsamen Besprechung im Dezember 1982 hielt die Beklagte fest, daß der Schwerpunkt des Unternehmens auf dem Schwerbetonsektor liegen dürfte; die Entwicklung bleibe abzuwarten. Im April 1988 verlangte die Beklagte erneut die Überweisung des Unternehmens der Klägerin, weil diese inzwischen sieben Betonsteinwerke, und zwar in Neuwied, Mülheim, Pulheim, Ulmen, Schweich-Issel und Üdersdorf betreibe und nunmehr das Betonwerk in Übach-Palenberg hinzukomme. Daraufhin überwies die Beigeladene im August 1988 die Klägerin einschließlich der Betriebsstätten sowie die freiwillige Versicherung des Unternehmers H.  K.  an die Beklagte mit Wirkung vom 1. Januar 1989. Durch Bescheid vom 1. September 1988 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30. März 1989 teilte die Beklagte der Klägerin die Überweisung mit. Zur Begründung heißt es im wesentlichen: Ausweislich der Zahl der Beschäftigten und der Lohnsummen der Jahre 1986 bis 1988 liege der Schwerpunkt des Gesamtunternehmens nunmehr auf dem Betonsteinsektor und nicht mehr auf der Produktion von Bimsbaustoffen. Damit hätten sich die für die Zuständigkeit maßgebenden Betriebsverhältnisse iS des § 667 Abs 1 Satz 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) geändert.

Das Sozialgericht (SG) hat festgestellt, daß die Beigeladene der für die Klägerin zuständige Träger der gesetzlichen Unfallversicherung sei (Urteil vom 3. Juni 1991). Bei dem Unternehmen der Klägerin handele es sich um ein Gesamtunternehmen, wobei das Ursprungswerk in Bendorf-Mülhofen, in dem ausschließlich Bimsbaustoffe hergestellt würden, das Hauptunternehmen iS des § 647 Abs 1 Satz 1 RVO sei. Selbst wenn Schwerpunkt des Gesamtunternehmens nunmehr die Herstellung von Betonartikeln sei, liege eine wesentliche Änderung der betrieblichen Verhältnisse iS des § 667 Abs 1 Satz 1 RVO nicht vor, weil die Fertigungsverfahren für Bimsbaustoffe und Betonwaren im Unternehmen der Klägerin identisch seien.

Das Landessozialgericht (LSG) hat das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 25. März 1992). In den Verhältnissen, die für die mitgliedschaftliche Zuordnung der Klägerin zur Beigeladenen maßgebend gewesen seien, sei eine wesentliche Änderung iS des § 667 Abs 1 RVO eingetreten. Diese liege in einer Änderung der Unternehmensstruktur, weil durch die Vergrößerung des Unternehmensteils "Herstellung von Baumaterialien aus Kies und Sand" in dem Unternehmen heute weit überwiegend nicht mehr Baumaterialien aus Bims, sondern mit den Zuschlagstoffen Kies und Sand (Beton) erzeugt würden. Der Produktionszweig "Herstellung von Betonwaren aus Kies und Sand" sei nach Übernahme und Eingliederung der Betriebsstätten Neuwied, Mülheim-Kärlich, Pulheim, Ulmen, Schweich-Issel, Üdersdorf und Übach-Palenberg zum Hauptunternehmen iS des § 647 Abs 1 Satz 1 RVO geworden, das für die berufsgenossenschaftliche Zuordnung maßgebend sei. Hierfür sei ausschlaggebend, daß die Zahl der Beschäftigten und die Lohnsumme in diesem Unternehmensteil gegenüber der Unternehmenssparte "Herstellung von Bimsbaustoffen" weit überwiege. Seit dem Jahre 1979 sei ein Übergewicht der Beschäftigtenzahl des zuerst genannten Produktionssektors gegeben. Dieses habe sich in den Jahren danach erheblich vergrößert. Diese Vergrößerung des Unternehmensteils "Herstellung von Baumaterialien aus Kies und Sand" sei für eine wesentliche Änderung iS des § 667 Abs 1 Satz 1 RVO ausreichend. Die Addition der Zahl der Mitarbeiter in diesem Unternehmenssektor mit derjenigen im Bereich der Kies- und Sandgewinnung, für die ebenfalls die Beklagte der zuständige Unfallversicherungsträger sei, ergebe, daß in den Jahren 1985 bis 1989 jeweils mehr als 70 vH der Beschäftigten in diesen beiden Unternehmensteilen tätig gewesen seien. Dieses Übergewicht werde durch die Lohnsummen in den einzelnen Unternehmensteilen bestätigt. Von den Lohnsummen seien in den Jahren 1985 bis 1987 durchschnittlich 66,15 vH auf den Unternehmensteil "Herstellung von Betonwaren aus Kies und Sand", 12,22 vH auf den Unternehmensteil "Gewinnung von Kies und Sand" und nur 21,63 vH auf den Unternehmensteil "Fertigung von Bimsbaustoffen" gefallen. Eine wesentliche Betriebsänderung sei schließlich auch nicht deshalb zu verneinen, weil die Herstellungsweise im Produktionsbereich "Herstellung von Betonwaren aus Kies und Sand" derjenigen im Unternehmensteil "Fertigung von Bimsprodukten" im wesentlichen entspreche. Auch wenn allein die verwendeten Werkstoffe ausgetauscht würden, sei eine wesentliche Änderung iS des § 667 Abs 1 Satz 1 RVO nicht in jedem Fall ausgeschlossen. Maßgeblich sei insoweit letztlich, daß das veränderte Unternehmen seiner Eigenart nach nunmehr der Beklagten wesentlich näherstehe.

Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision rügt die Klägerin die Verletzung formellen (§§ 62, 103, 128 Abs 2, § 202 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG] iVm §§ 139, 278 Abs 3 der Zivilprozeßordnung [ZPO]) und materiellen Rechts (§ 667 Abs 1 Satz 1 iVm § 647 Abs 1 Satz 1 RVO). Das LSG habe zu Unrecht eine wesentliche Änderung der Betriebsverhältnisse iS des § 667 Abs 1 RVO bejaht. In Verkennung der Voraussetzungen des § 647 Abs 1 Satz 1 RVO habe es angenommen, daß die Betriebssparte "Betonwaren" zum Hauptunternehmen geworden sei. Dabei habe das LSG insbesondere nicht beachtet, daß das Gesamtunternehmen einer einheitlichen Betriebsleitung durch das Werk Bendorf-Mülhofen unterstehe. Dabei handele es sich um die Hauptverwaltung des Unternehmens, bei der die Geschäftsleitung, das Personalwesen, die Kunden- und Finanzbuchhaltung sowie der Ein- und Verkauf für alle Unternehmensteile angesiedelt seien. Demgegenüber seien die anderen Betriebsstätten rechtlich wie organisatorisch unselbständig. Zähle man demnach die 40 Beschäftigten im kaufmännischen Bereich hinzu, die sämtlich im Hauptwerk tätig seien, weise der Standort Bendorf-Mülhofen die meisten Beschäftigten auf. Die Würdigung dieser Umstände in einer Gesamtschau hätte dann dazu führen müssen, daß das Werk Bendorf-Mülhofen in dem Gesamtunternehmen hervortrete und ihm sein besonderes Gepräge gebe. Der Charakter des Unternehmens habe sich im Laufe der Jahre überhaupt nicht verändert. Nach wie vor sei das Werk in Bendorf-Mühlhofen als das Hauptunternehmen anzusehen. Ferner hätte das LSG seine Entscheidung nicht ausschließlich darauf abstellen dürfen, ob ein Wechsel der benutzten Werkstoffe eingetreten sei. Es würden jeweils die gleichen Maschinen mit den gleichen Aufhängevorrichtungen benutzt, lediglich die Hubhöhe der Formmaschinen müsse verstellt werden, wenn von der Produktion von Bims- bzw Betonsteinen auf das jeweils andere Produkt umgestellt werden solle. Zudem habe das LSG den Grundsatz der Katasterstetigkeit und das von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) anerkannte Anliegen einer Wahrung des Katasterfriedens nicht beachtet. Außerdem könne die Beigeladene im Gegensatz zur Beklagten eine optimale Betreuung gewährleisten,weil sich in der Nähe des Firmenstandortes in Neuwied eine ihrer Bezirksverwaltungen befinde. Ein direkter und enger persönlicher Kontakt zwischen den beiden Beteiligten sei damit sichergestellt.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 25. März 1992 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 3. Juni 1991 zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beigeladene schließt sich dem Revisionsantrag und den Ausführungen der Klägerin an.

II

Die Revision ist unbegründet. Das LSG hat zutreffend entschieden, daß die Überweisung des Unternehmens der Klägerin durch die Beigeladene an die Beklagte rechtmäßig ist. Die Beklagte ist der zuständige Unfallversicherungsträger für das Unternehmen der Klägerin.

Für die Rechtmäßigkeit der von der Klägerin angefochtenen Überweisung ihres Unternehmens ist nicht § 664 Abs 3 der RVO, sondern § 667 Abs 1 Satz 1 RVO maßgebend. Nach den Feststellungen des LSG liegt keine ursprünglich unrichtige Eintragung iS des § 664 Abs 3 RVO vor (s BSGE 15, 282, 289; 38, 187, 190; 68, 205, 206; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 11. Aufl, S 513). Im Jahre 1927 stellte die Ursprungsfirma der Klägerin, die Schwemmsteinfabrik Frankfurt aM GmbH, fast ausschließlich Erzeugnisse aus Bims her. Entsprechend dem die sachliche Zuständigkeit der BGen regelnden Bundesratsbeschluß vom 22. Mai 1885 (AN 143) als weiterhin geltendes Recht (BSGE 39, 112, 113; BSG Urteil vom 31. Mai 1988 - 2 RU 62/87 - HV-Info 1988, 1662; BSGE 71, 85, 86, jeweils mwN) und dem vom Reichsversicherungsamt (RVA) aufgestellten alphabetischen Verzeichnis der Gewerbezweige nach ihrer berufsgenossenschaftlichen Zugehörigkeit (Alphabetisches Verzeichnis, AN 1885, 254; 1886, 134; 1903, 404; 1906, 477; Handbuch der Unfallversicherung, Bd III, 1910, S 1 ff) war dieses Unternehmen zu Recht im Jahr 1927 in das Unternehmerverzeichnis der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen, der Ziegelei-BG, aufgenommen und im Jahre 1947 - nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) ohne weitere sachliche Prüfung - in das der Beigeladenen als deren Rechtsnachfolgerin übernommen worden. Im "Nachtrag zu dem alphabetischen Verzeichnis der Ge-werbezweige" vom 15. Juni 1906 (AN 1906, 477) ist für die Fertigung von Bimssandsteinen die Ziegelei-BG und für die Fabrikation von Zementsandsteinen die Steinbruchs-BG angeführt. Daher unterfielen Unternehmen zur Fertigung von Baumaterialien aus Bims ausschließlich der damaligen Ziegelei-BG bzw später deren Rechtsnachfolgerin. Hiervon gehen auch das LSG und die Beteiligten aus.

Die Voraussetzungen für die Überweisung des Unternehmens der Klägerin an die Beklagte gem § 667 Abs 1 Satz 1 RVO hat das LSG zutreffend bejaht. Nach dieser Vorschrift hat die BG das Unternehmen an den zuständigen Träger der Unfallversicherung zu überweisen, wenn sich die Zuständigkeit für dieses Unternehmen ändert. Entgegen der Auffassung der Revision und der Beigeladenen liegt eine wesentliche Änderung in den maßgebenden Unternehmensverhältnissen der Klägerin vor. Nach den Feststellungen des LSG änderte sich die Unternehmensstruktur des Betriebes der Klägerin grundlegend; mit der Eingliederung übernommener Betonwerke entwickelte sie sich zu einem überwiegend Betonwaren produzierenden Unternehmen. Die früher nahezu ausschließlich betriebene Herstellung von Bimsstoffen verlor mehr und mehr an Bedeutung. Die Beigeladene hat demzufolge zu Recht das Unternehmen der Klägerin an die Beklagte als den zuständigen Unfallversicherungsträger überwiesen. Für die Herstellung von Beton- und Betonfertigteilen ist die Beklagte die zuständige BG (s BSGE 39, 112). Zwar konnten in dem die sachliche Zuständigkeit der BGen regelnden Bundesratsbeschluß vom 21. Mai 1885 (AN 143) entsprechend dem damaligen technischen Stand bei der Umschreibung der Zuständigkeitsbereiche der BGen die Herstellung von Beton und Betonfertigteilen bei keiner BG aufgeführt werden. Jedoch weist das "Alphabetische Verzeichnis der Gewerbezweige der am 1. Juli 1903 bestehenden BGen" (AN 1903, 404) den Gewerbezweig Fabrikation von Betonwaren der Steinbruchs-BG (AN aaO 409) zu (s auch Alphabetisches Verzeichnis der Gewerbezweige mit Angabe der Zuständigkeit der gewerblichen BGen, Hauptverband der gewerblichen BGen, 1959, Nachdruck 1991, S 17 (Betonwaren), § 3 Abs 1 Nr 4 der Satzung der Beklagten).

Zutreffend ist das LSG davon ausgegangen, daß die Frage, ob eine den Zuständigkeitswechsel begründende Änderung im Unternehmen vorliegt, nach den Verhältnissen zu beurteilen ist, die zum Zeitpunkt der maßgeblichen, dh die sachliche Zuständigkeit der BG betreffenden Entscheidung vorgelegen haben (BSG Urteil vom 31. Mai 1988 - 2 RU 62/87 - HV-Info 1988, 1662; BSGE 68, 205, 207 jmwN). Der Senat kann offenlassen, ob in Anwendung dieses Grundsatzes auf die im Jahre 1927 erfolgte erstmalige Aufnahme der Rechtsvorgängerin der Klägerin, der Schwemmsteinfabrik Frankfurt aM GmbH, in das Unternehmerverzeichnis der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen, der Ziegelei-BG, oder auf die - nach den Feststellungen des LSG ohne sachliche Prüfung erfolgte - Aufnahme in das Unternehmerverzeichnis der Beigeladenen nach deren Gründung im Jahre 1947 abzustellen ist. Denn den Feststellungen des LSG ist zu entnehmen, daß die berufsgenossenschaftliche sachliche Zuständigkeit berührende Änderungen in der Unternehmensstruktur in diesem Zeitraum nicht gegeben sind. Daher kommt es hier entscheidend darauf an, ob eine wesentliche Änderung seit der im Jahre 1927 vorgenommenen Eintragung in das Kataster der Ziegelei-BG bzw der im Jahre 1947 erfolgten Übernahme in das Unternehmerverzeichnis der Beigeladenen eingetreten ist.

In Rechtsprechung und Schrifttum ist seit langem anerkannt, daß eine die Zuständigkeit der BG berührende Änderung der Verhältnisse, auf die § 667 Abs 1 Satz 1 RVO als Voraussetzung für eine Unternehmensüberweisung abstellt, wesentlich sein muß (Schiedsstelle EuM Bd 27, 213, 214; BSGE 15, 282, 288/289; 49, 222, 226; BSG Urteil vom 31. Mai 1988 - 2 RU 62/87 - aaO; BSGE 68, 205, 207; Brackmann aaO S 515; KassKomm-Ricke, § 667 RVO RdNr 2). Diese Auslegung berücksichtigt den Grundsatz der Katasterrichtigkeit und der Katasterstetigkeit. Dementsprechend sollen nur solche nachhaltigen, wesentlichen Betriebsveränderungen zu einer Überweisung führen, die das Gepräge des Unternehmens grundlegend umgestaltet haben (BSG aaO). Es müssen grundlegende Änderungen in der Unternehmensstruktur, die für die Zuständigkeitsfrage wesentlich sind, vorhanden sein (BSG Urteil vom 26. Mai 1982 - 2 RU 70/80 - HVGBG RdSchr VB 140/82). Eine solche grundlegende Änderung kann nicht nur durch die Fusion von bis dahin selbständigen Unternehmen iS von § 658 Abs 2 Nr 1 RVO eintreten (BSGE 68, 205, 207), sondern auch durch grundlegende Änderungen in der Unternehmensstruktur mit Verlagerung des Schwerpunktes im Gesamtunternehmen.

Unter Berücksichtigung dieser Kriterien ist das LSG im Rahmen seiner Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG) in rechtlich nicht zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis gelangt, daß die Unternehmensstruktur des Betriebes der Klägerin sich seit der Eintragung in das Kataster der Beigeladenen grundlegend verändert hat, wodurch die Zuständigkeit der Beklagten begründet worden ist. Diese Änderung liegt - wie das LSG zutreffend festgestellt hat - darin, daß sich ein bisher einer anderen BG - hier der Beklagten - zuzuordnendes Nebenunternehmen zum Hauptunternehmen entwickelt hat. Durch die Übernahme und Eingliederung von sieben - ehemals im Mitgliederverzeichnis der Beklagten eingetragenen - Betonwerken hat die Klägerin ihren ursprünglichen Charakter als Bimsproduzent - wie er im Zeitpunkt der Eintragung in das Kataster der Beigeladenen bestand - verloren und sich im Laufe der Jahre - vornehmlich in den 70er Jahren - zu einem Betonwaren produzierenden Unternehmen entwickelt. Diese Verlagerung des Schwerpunkts im Gesamtunternehmen stellt eine wesentliche Änderung iS des § 667 Abs 1 RVO dar, auch wenn - worauf die Revision wiederholt hinweist - die Fertigung von Bimsprodukten im wesentlichen der von Betonwaren entspricht.

Nach den Feststellungen des LSG besteht das Unternehmen der Klägerin aus verschiedenen Bestandteilen (Betriebsstätten), und zwar überwiegend aus dem Gewerbezweig "Herstellung von Betonsteinerzeugnissen" und - inzwischen - nachrangig aus dem der Produktion von Bimsbaustoffen sowie dem der Gewinnung und Aufbereitung von Kies und Sand. Die Revision weist zutreffend darauf hin, daß ungleichartig gestalteten Unternehmen, die zu einem Gesamtunternehmen verbunden sind, möglichst nur ein einziger Unfallversicherungsträger gegenüberstehen sollte. Dem entspricht die besondere Zuständigkeitsregelung in § 647 Abs 1 Satz 1 RVO, wonach für ein Unternehmen, das verschiedenartige Bestandteile umfaßt, die BG zuständig ist, der das Hauptunternehmen angehört. Hauptunternehmen ist das Unternehmen, das im Gesamtunternehmen hervortritt. Das Hauptunternehmen gibt ihm sein besonderes Gepräge und ist maßgebend für seine sozialversicherungsrechtliche Stellung (RVA AN 1921, 157, 158; BSGE 49, 283, 285; Brackmann aaO S 508b/509; KassKomm-Ricke, § 647 RVO RdNrn 3 ff sowie 13). Dabei kommt es auch darauf an, welcher BG das Unternehmen seiner Eigenart nach nähersteht (BSGE 68, 205, 209).

Ein Gesamtunternehmen liegt dann vor, wenn zwischen den einzelnen Teilunternehmen ein wirtschaftlicher und betriebstechnischer Zusammenhang besteht. Dazu ist erforderlich, daß die einzelnen Unternehmensteile einer einheitlichen Leitung unterstehen und der Verfügungsgewalt des Unternehmers unterliegen (BSGE 49, 283, 285). Dieser Zusammenhang kann sich in einer räumlichen Verbindung, dem Austausch von Arbeitskräften zwischen den Betrieben, gemeinsamen Einrichtungen uä äußern (s Platz/Geiberger BB 1990, 1621, 1622). Dabei sind jeweils die Umstände des Einzelfalls von Bedeutung, wobei eine lebensnahe Betrachtung entscheidet (BSGE 49, 283, 285; Brackmann aaO S 510).

Die Revision ist zwar zutreffend der Ansicht, daß es sich bei dem Unternehmen der Klägerin um ein Gesamtunternehmen mit einheitlicher Unternehmensleitung durch das Werk Bendorf-Mülhofen handelt, bei dem die Geschäftsleitung, das Personalwesen, die Kunden- und Finanzbuchhaltung sowie der Ein- und Verkauf für alle Betriebsteile angesiedelt sind. Hauptunternehmen iS des § 647 Abs 1 Satz 1 RVO ist jedoch - entgegen der Auffassung der Revision - die Betriebssparte "Herstellung von Betonwaren". Dieser Betriebsteil gibt dem Unternehmen der Klägerin sein besonderes Gepräge und bildet den wirtschaftlichen Schwerpunkt in ihrem Gesamtunternehmen (s BSGE 68, 205, 208).

Zur Bestimmung des Hauptunternehmens kann die Betriebsstätte in Bendorf-Mülhofen nicht jeder einzelnen der übrigen Betriebsstätten gegenübergestellt werden. Vielmehr ist ein Vergleich des Umfangs der Produktion von Baumaterialien aus Bims einerseits und von Beton und Kies und Sand andererseits erforderlich. Nicht jede einzelne Betriebsstätte im Unternehmen der Klägerin stellt einen eigenständigen verschiedenartigen Bestandteil iS des § 647 Abs 1 Satz 1 RVO dar. Verschiedenartig sind Unternehmensteile nur insoweit, als in Bezug auf die für die berufsgenossenschaftliche Zuständigkeit maßgebenden Fakten eine wesentlich unterschiedliche Sachlage gegeben ist. Dies ist nach den Feststellungen des LSG im Verhältnis der Betriebstätigkeiten (Betonherstellung) auf dem weitaus überwiegenden Teil der Betriebsstätten der Klägerin nicht der Fall.

Das den wirtschaftlichen Schwerpunkt bildende Hauptunternehmen (Lauterbach/Watermann, Gesetzliche Unfallversicherung, 3. Aufl, § 647 Anm 4) bestimmt sich in der Regel nach der Zahl der Beschäftigten und der Lohnsumme in den einzelnen Unternehmensteilen (RVA EuM Bd 21, 122, 123/124; KassKomm-Ricke, § 647 RVO RdNr 13; Platz/Geiberger aaO 1622).

Nach den Feststellungen des LSG war seit dem Jahre 1979 ein Übergewicht der Beschäftigtenzahl in den Unternehmensteilen "Herstellung von Betonwaren aus Kies und Sand" gegeben; dieses Übergewicht hat sich in den Jahren danach erheblich vergrößert. So ist dem vom SG eingeholten Gutachten von Prof. Dr. R.     vom 15. November 1990 - auf welches das LSG auch insoweit Bezug nimmt - zu entnehmen, daß im Bimsbaustoffwerk Bendorf-Mülhofen 30 gewerbliche Arbeitnehmer, hingegen in den sieben anderen Betonwerken 110 gewerbliche Arbeitnehmer tätig sind. Damit steht das Unternehmen der Klägerin nach seinem Gepräge der Beklagten wesentlich näher als der Beigeladenen (BSGE 68, 205, 209). Dies wird durch die Lohnsummen in den einzelnen Unternehmensteilen bestätigt. Wie dazu das LSG festgestellt hat, entfielen von den Lohnsummen in den Jahren 1985 bis 1987 durchschnittlich 66,15 vH auf den Unternehmensteil "Herstellung von Betonwaren aus Kies und Sand", 12,22 vH auf den Unternehmensteil "Gewinnung von Kies und Sand" und 21,63 vH auf den Unternehmensteil "Fertigung von Bimsbaustoffen".

Entgegen der Auffassung der Revision hat das LSG nicht "bewußt" außer acht gelassen, daß sich in Bendorf-Mülhofen auch der Verwaltungssitz für das gesamte Unternehmen der Klägerin befindet. Das LSG hat vielmehr bei der Feststellung des Hauptunternehmens dem Verwaltungssitz der Klägerin lediglich keine wesentliche Bedeutung beigemessen. Die Beklagte weist zutreffend darauf hin, daß der Sitz der Hauptverwaltung in der Regel kein entscheidendes Kriterium für die Bestimmung des Hauptunternehmens darstellt, das dem Gesamtunternehmen das Gepräge gibt. Die - räumliche - Ansiedlung der Hauptverwaltung eines Gesamtunternehmens bei nur einer Betriebsstätte mit Geschäftsleitung, Personalabteilung, Kunden- und Finanzbuchhaltung, Ein- und Verkauf für alle Unternehmensteile bedeutet nicht, daß dort gleichzeitig der wirtschaftliche Schwerpunkt des Unternehmens liegt. Dem widerspricht auch nicht die Entscheidung des Senats vom 19. März 1991 (BSGE 68, 205). In dieser Entscheidung hat der Senat nur insoweit auf die Hauptverwaltung des Unternehmens abgestellt, als es um die Bestimmung eines wirtschaftlichen und betriebstechnischen Zusammenhangs der einzelnen Teilunternehmen und damit um das Vorliegen eines Gesamtunternehmens ging. Nach Beantwortung dieser Vorfrage hat der Senat in dieser Entscheidung den an einem anderen Ort gelegenen Produktionsbetrieb als Hauptunternehmen iS des § 647 Abs 1 Satz 1 RVO angesehen.

Das LSG ist auch nicht - wie die Revision meint - bei der Anwendung des § 667 Abs 1 Satz 1 RVO davon ausgegangen, "daß bei der Klägerin eine wesentliche Veränderung der Betriebsverhältnisse allein deshalb eingetreten sei, weil die Herstellung von Baumaterialien nunmehr überwiegend mit Kies und Sand, jedoch nicht mehr mit Bims erfolge". Das LSG hat vielmehr, wie dargelegt, entscheidend darauf abgestellt, daß durch die Vergrößerung des Unternehmensteils "Herstellung von Baumaterialien aus Kies und Sand" aufgrund der Übernahme und Eingliederung weiterer Betonwerke eine grundlegende Änderung der Unternehmensstruktur der Klägerin vorliegt, die eine wesentliche Änderung iS des § 667 Abs 1 Satz 1 RVO darstellt. Inwieweit ein Übergang der Zuständigkeit iS dieser Vorschrift bei einer Änderung im Produktionsverfahren oder der verwendeten Rohstoffe anzunehmen ist (s Brackmann aaO S 515 mwN), kann der Senat deshalb offen lassen. Unerheblich ist daher, ob nach dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. Dr. R.  vom 15. November 1990 die Herstellungsweise im Produktionsbereich "Herstellung von Betonwaren aus Kies und Sand" derjenigen im Unternehmensteil "Fertigung von Bimsprodukten" im wesentlichen entspricht. Die stärkere Bedeutung des Wechsels des Werkstoffes im vorliegenden Rechtsstreit beruht darauf, daß die Zuständigkeit der Beigeladenen und die der Beklagten sich im Unternehmensbereich der Klägerin wesentlich auch nach dem Werkstoff richtet.

Dieses Ergebnis läßt auch nicht die Grundsätze der Katasterstetigkeit und des Katasterfriedens außer acht. Unter Berücksichtigung insbesondere dieser Grundsätze hat der Senat das Erfordernis der wesentlichen Änderung der Unternehmensverhältnisse entwickelt. Nicht jede, sondern nur das Gepräge des Unternehmens grundlegend umgestaltende Veränderungen rechtfertigen eine Überweisung (BSGE 15, 282, 288). Dies ist, wie dargelegt, durch die Umstellung im Gesamtunternehmen der Klägerin erfolgt.

Die Revision wendet ferner ein, das LSG sei in tatsächlicher Hinsicht davon ausgegangen, daß es bei der erstmaligen Entscheidung über die berufsgenossenschaftliche Zuordnung ihrer Rechtsvorgängerin, der Schwemmsteinfabrik Frankfurt aM GmbH, ausnahmsweise ausschließlich auf die Verwendung des Materials Bims angekommen sei. Das LSG habe daraus den Schluß gezogen, daß ein Wechsel allein dieses Werkstoffes bereits eine wesentliche Änderung iS des § 667 Abs 1 RVO darstelle. Das LSG hätte vielmehr darauf abstellen müssen, ob die Herstellungsweise der Erzeugnisse geändert worden sei. Dadurch sei ihr das rechtliche Gehör (§ 62, § 128 Abs 2 SGG, Art 103 des Grundgesetzes [GG]) versagt worden. Außerdem habe das LSG damit unter Verstoß gegen § 202 SGG iVm §§ 139, 278 Abs 3 der ZPO eine Überraschungsentscheidung erlassen. Diese sich im sozialgerichtlichen Verfahren auf einen Verstoß gegen § 106 Abs 1 SGG anstelle von § 139 ZPO (BSG SozR Nr 21 zu § 103 SGG; BSGE 68, 205, 210) stützende Rüge greift schon deshalb nicht durch, weil, wie bereits erörtert, nach den Feststellungen des LSG das Hauptkriterium für eine Überweisung in dem Strukturwandel innerhalb des Gesamtunternehmens der Klägerin zu sehen ist. Die Frage, inwieweit allein ein Wechsel des Werkstoffes eine wesentliche Änderung iS von § 667 Abs 1 Satz 1 RVO begründen kann, stellt sich damit nicht. Die - wie bereits erwähnt - stärkere Bedeutung des Wechsels des Werkstoffes im vorliegenden Rechtsstreit beruht - für die Beteiligten von Anfang an erkennbar - darauf, daß die Zuständigkeit der Beklagten und die der Beigeladenen sich im Unternehmensbereich der Klägerin wesentlich auch nach dem Werkstoff richtet.

Der schließlich vom LSG zum 1. Januar 1989 festgestellte Überweisungszeitpunkt ist nicht zu beanstanden. Nach § 668 Abs 1 RVO wird die Überweisung mit dem Ablauf des Geschäftsjahres wirksam, in dem sie dem Unternehmen mitgeteilt wurde. Nach den Feststellungen des LSG erfolgte die Mitteilung mit Bescheid vom 1. September 1988, so daß der 1. Januar 1989 als der maßgebliche Überweisungszeitpunkt anzusehen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.BUNDESSOZIALGERICHT

 

Fundstellen

Dokument-Index HI517826

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