Beteiligte

…, Kläger und Revisionskläger

…, Beklagte und Revisionsbeklagte

 

Tatbestand

I.

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob der Kläger seit dem 22. März 1983 erwerbsunfähig ist und ob ihm deshalb Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bis einschließlich Juni 1987 zugestanden hat.

Nachdem der im Jahre 1927 geborene Kläger 1963 seinen erlernten Beruf als Weber aufgegeben hatte, war er in er Folgezeit bis zum 1. Juli 1982 als Lagerarbeiter beschäftigt, ab Mitte des Jahres 1982 jedoch überwiegend infolge Krankheit arbeitsunfähig. Am 22. März 1983 beantragte er, ihm Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit zu gewähren, was die Beklagte mit Bescheid vom 10. Mai 1983 ablehnte. Im Laufe des sich daran anschließenden sozialgerichtlichen Verfahrens hat die Beklagte beim Kläger in der Zeit vom 27. Juli bis zum 7. September 1983 medizinische Leistungen zur Rehabilitation in Form eines Heilverfahrens durchführen lassen. Seit dem 1. Juli 1987 bezieht er von der Beklagten das vorgezogene Altersruhegeld.

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen und das Landessozialgericht (LSG) die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteile vom 20. Juni 1986 und 18. August 1987). Das LSG hat ausgeführt, der Kläger könne noch in vollen Schichten körperliche leichte und gelegentlich mittelschwere Arbeiten im Sitzen, allerdings nur in geschlossenen Räumen verrichten. Dabei kämen Arbeiten an gefährlichen Maschinen sowie Arbeiten, die eine außergewöhnliche manuelle Geschicklichkeit erforderten, nicht in Betracht. Die Gehfähigkeit des Klägers sei auf maximal 500 Meter pro Gehstrecke eingeschränkt, die jedoch - nach entsprechenden Pausen mit Sitzgelegenheit - mehrfach am Tage zurückgelegt werden könnten. Der Kläger sei weder erwerbs- noch berufsunfähig iS der §§ 1247 Abs 2, 1246 Abs 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO). Seine bisherige Berufstätigkeit als Lagerarbeiter gehöre zur Gruppe der ungelernten Arbeiten. Da er noch in vollen Schichten eingesetzt werden könne und noch in der Lage sei, einen Arbeitsplatz zu erreichen, sei es nicht notwendig, für ihn einen konkreten Arbeitsplatz zu bezeichnen.

Der Kläger hat dieses Urteil mit der vom LSG zugelassenen Revision angefochten. Er rügt eine unrichtige Anwendung des § 1247 Abs 2 RVO.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

die Beklagte unter Abänderung des angefochtenen Urteils und des Urteils des Sozialgerichts Duisburg vom 20. Juni 1986 sowie unter Aufhebung des Bescheides vom 10. Mai 1983 zu verurteilen, dem Kläger unter Zugrundelegung eines am 22. März 1982 eingetretenen Versicherungsfalles der Erwerbsunfähigkeit, Rente bis zum 30. Juni 1987 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Revision gegen das Urteil des LSG zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Rechtsstreits ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) einverstanden erklärt.

II.

Die zulässige Revision des Klägers ist insofern begründet, als das angefochtene Urteil aufgehoben und der Rechtsstreit an das LSG zurückverwiesen werden mußte. Die festgestellten Tatsachen lassen eine abschließende Entscheidung des Rechtsstreits noch nicht zu.

Das Berufungsgericht hat sowohl eine Erwerbs- als auch eine Berufsunfähigkeit des Klägers iS der §§ 1247 Abs 2, 1246 Abs 2 RVO verneint. Dabei ist es von der bisherigen Berufstätigkeit des Klägers als Lagerarbeiter ausgegangen, die es der Gruppe ungelernter Arbeiter zugeordnet hat. Nach den unangegriffenen und daher für den erkennenden Senat gemäß § 103 SGG bindenden Feststellungen des LSG vermag der Kläger nur noch leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten im Sitzen in geschlossenen Räumen zu verrichten, das allerdings in vollen Schichten. Die Gehfähigkeit des Klägers ist auf Wege von maximal 500 Metern beschränkt. Nach einer solchen Wegstrecke muß er eine Pause von einer Stunde Dauer mit Sitzgelegenheit einlegen. Bei kürzeren Wegstrecken reicht eine Pause von geringerer Dauer aus.

Schon in der Entscheidung vom 19. Juli 1963 (SozR Nr 27 zu § 1246 RVO) hat das Bundessozialgericht (BSG) ausgeführt, die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten sei auch dann beeinträchtigt, wenn er seine vorhandene Arbeitskraft nicht ausnutzen könne, weil er nicht in der Lage sei, für ihn in Betracht kommende Arbeitsplätze aufzusuchen vgl auch BSGE 24, 142, 144; BSG Urteile vom 12. Januar 1966 in "Die Angestellten-Versicherung" 1966, 189, 190 und vom 17. Mai 1972 in SozR Nr 101 zu § 1246 RVO). Im Urteil vom 17. Mai 1972 (aaO) heißt es, sei die Fähigkeit zum Zurücklegen eines Weges (zur Arbeitsstätte) eingeschränkt, so sei das im Rahmen des § 1246 Abs 2 RVO rechtserheblich, wenn die gesundheitliche Behinderung so stark sei, daß auch bei einem Umzug in ein industrielles Ballungsgebiet erfahrungsgemäß keine zu verwirklichende Aussicht bestehe, daß der Versicherte einen Arbeitsplatz finde, bei dem er den Weg zwischen Wohnung und Betriebsstätte im Rahmen des ihm gesundheitlich Möglichen zurücklegen könne. Eine derartige Behinderung ist bei einem Versicherten angenommen worden, der nur fünf Minuten lang zu Fuß gehen konnte. Dabei hat das BSG es darauf abgestellt, daß auch in Industriegebieten erfahrungsgemäß zum einen der Weg zwischen Wohnung und Haltestelle eines öffentlichen Verkehrsmittels und zum anderen der Weg zwischen der Endhaltestelle und dem Arbeitsplatz im Betrieb meist mehr als fünf Minuten Gehzeit betrage. Nach dem Urteil des Senats vom 11. September 1979 - 5 RJ 86/78 - (ebenso Urteil vom 10. März 1982 - 5b RJ 70/81 -) kommt es angesichts der Zumutbarkeit eines Wohnungswechsels nicht auf den konkreten Weg von der Wohnung des Versicherten zur Arbeitsstelle oder zu einem öffentlichen Verkehrsmittel an, sondern darauf, welcher Weg als üblich angesehen werden kann. Die Fähigkeit, Fußwege bis zu 500 Metern zurückzulegen, reiche nicht aus, einen Arbeitsplatz oder ein öffentliches Verkehrsmittel zu erreichen.

Das LSG hat sich mit der neueren Rechtsprechung des BSG in den Urteilen des erkennenden Senats - damals noch als 5b Senat - vom 6. Juni 1986 (in SozR 2200 § 124f Nr 47) und vom 5. Februar 1987 - 5b RJ 22/86 - sowie des 4a Senats vom 26. Mai 1987 (SozR aaO Nr 50) auseinandergesetzt. Dabei hat das LSG ausgeführt, der 5b Senat habe sich auf seines Erachtens bestehende allgemeine Erfahrungssätze gestützt und eine Gehfähigkeit von 500 m in der Regel nicht als ausreichend angesehen, um einen Arbeitsplatz zu erreichen. Derartige Erfahrungssätze könnten nicht bestätigt werden. Im Urteil vom 6. Juni 1986 (aaO) hatte der erkennende Senat von unangegriffenen Feststellungen auszugehen, wonach der dem Versicherten nur noch mögliche Fußweg von höchstens 500 m auch in industriellen Ballungsgebieten regelmäßig nicht ausreiche, um von der Wohnung aus zu einem Arbeitsplatz zu gelangen. In dem am 5. Februar 1987 vom Senat entschiedenen Rechtsstreit hat das LSG für das Land Nordrhein-Westfalen (im Gegensatz zum Fall des Klägers) für das Revisionsgericht gemäß § 163 SGG ebenfalls bindend festgestellt, Fußwege bis zu 500 m reichten nicht aus, um einen Arbeitsplatz zu erreichen, obwohl auch jener Versicherte in einem industriellen Ballungsgebiet wohnte.

Im Falle des Klägers nun verkennt das LSG offenbar die Rechtsprechung des Senats. Es meint, zwar könne sich eine abstrakte Betrachtungsweise anbieten, dann dürfe diese aber nicht von allgemeinen Erfahrungssätzen abhängig gemacht werden, "die angesichts der von Ort zu Ort sehr unterschiedlichen Verhältnisse in der vom. 5. Senat des BSG angenommen Weise nicht bestätigt werden können". Diese Ansicht gründet das LSG offensichtlich auf die Ausführungen des Senats im erwähnten Urteil vom 5. Februar 1987, in dem dargelegt worden ist: Mit dem Grenzwert von 500 m orientiere sich die Rechtsprechung des Senats nicht an den konkreten Verhältnissen eines bestimmten Versicherten, sondern aufgrund allgemeiner Erfahrungen an den üblichen Bedingungen des Arbeitslebens. Indem der Senat von der Wohnung abhängige Zufälligkeiten nicht ausschlaggebend sein lasse, sei er nicht zur abstrakten Betrachtungsweise übergegangen. Der Senat hat folglich keinen - unwiderlegbaren - Erfahrungssatz aufgestellt oder bestätigt, "daß mit einer Gehfähigkeit von 500 m keine Arbeitsplätze von Haltestellen öffentlicher Verkehrsmittel aus erreicht werden können". Er ist dem LSG in dem Revisionsverfahren 5b RJ 22/86 vielmehr darin gefolgt, wegen des grundsätzlich zumutbaren Wohnsitzwechsels komme es nicht auf die konkrete Entfernung an. Grundsätzlich gilt doch, daß Versicherten, die noch in vollen Schichten erwerbstätig sein können, ein Umzug zuzumuten ist, sie also in der Regel innerhalb des gesamten Bundesgebietes verweisbar sind. Das darf aber nicht dazu führen, jeden in seiner Gehfähigkeit stark eingeschränkten Versicherten an den Ort mit den besten Verkehrsverbindungen zu verweisen. Gewisse Pauschalierungen sind bei der Prüfung von Berufs- oder Erwerbsunfähigkeiten nicht zu vermeiden.

Die problematische Fragestellung, ob und ggf wie ein stark gehbehinderter Versicherter die verbliebene Arbeitskraft noch nutzen kann, läßt sich nicht vereinfachend unter dem Blickwinkel abstrakter oder konkreter Betrachtungsweise beantworten. "Konkret" steht hier für eine Orientierung daran, ob eine Chance besteht, eine Verweisungstätigkeit zu erhalten; "abstrakt" bedeutet, daß es darauf nicht ankommt. Im Urteil vom 30. November 1983 (BSGE 56, 64, 69) hat der 5a Senat des BSG ausgeführt: Habe der Leistungsgeminderte eine - wenn auch nur schlechte - Chance in einer Verweisungstätigkeit unterzukommen, so sei er arbeitslos. Habe er dagegen bei vernünftiger Betrachtung keine solche Chance, so sei er schlechthin vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen (vgl auch Urteil des 5b Senats des BSG vom 9. September 1986 in SozR 2200 § 1246 Nr 139). Wie bereits erwähnt, ist grundsätzlich eine Verweisung von Versicherten, die noch in vollen Schichten erwerbstätig sein können, auf Arbeitsmöglichkeiten im gesamten Bundesgebiet zulässig. Darin liegt natürlich die Gefahr, daß sich die Verweisung bestimmter Berufsgruppen auf wenige Tätigkeiten konzentriert und somit die tatsächlich vorhandenen Arbeitsplätze zur Anzahl der bei Rentenablehnungen ausgesprochenen Verweisungen auf diese Arbeitsplätze in einem krassen Mißverhältnis stehen (vgl hierzu Urteil des 5b Senats vom 9. September 1986 aaO). Das ist der Punkt, an dem die "konkrete" de facto in eine "abstrakte" Betrachtung umzukippen droht.

Das gleiche Problem ist bei der stark eingeschränkten Gehfähigkeit vorhanden. Die - grundsätzlich mögliche - Verweisung auf das gesamte Bundesgebiet birgt die den konkreten Ansatzpunkt verlassende Umkehrung in sich, daß diejenigen Versicherten, die erheblich geringere Wegstrecken als üblich zu Fuß zurücklegen können, auf den Ort im Bundesgebiet verwiesen werden, der das dichteste Netz an Haltestellen öffentlicher Verkehrsmittel, hat. Dort kann dann zwangsläufig nicht mehr von einer auch nur schlechten Chance für Auswärtige, einen Arbeitsplatz zu erhalten, die Rede sein. Die vordergründig an den konkreten Verkehrsverhältnissen an jenem Ort ausgerichtete Verweisung nimmt wegen der jeden Realitätsbezug verlassenden Überzahl theoretischer Bewerber für eine recht beschränkte Zahl von Arbeitsplätzen abstrakte Züge an. Dem will der erkennende Senat mit einer Grenzziehung bei einer Gehfähigkeit, die höchstens Fußwege von 500 m Länge zuläßt, begegnen. Dabei handelt es sich um einen generalisierenden Maßstab, der den Bedürfnissen einer Massenverwaltung Rechnung trägt und für typische Fallgruppen ein gemeinsames Konzept darstellt (vgl BSG in SozR 2200 § 1246 Nr 45).

Der 9a Senat des BSG hat in dem zur Veröffentlichung bestimmten Urteil vom 10. Dezember 1987 - 9a RVs 11/87 - zum Schwerbehindertenrecht entschieden, welche Wegstrecken üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden. Dazu heißt es in jenem Urteil: "Bei lebensnaher Bewertung der üblichen Gesamtweglänge müssen zum Weg zur Haltestelle noch die Entfernungen zwischen zwei Haltestellen, die nach den eingeholten Auskünften im Schnitt 500 bis 600 m, für alle Linienarten über 600 m, in Ballungsgebieten vielfach um 400 m betragen, und eine nicht genau zu bestimmende Strecke zwischen Endhaltestelle und Wegziel hinzugerechnet werden. Demnach ist als Grenzwert eine 'übliche' Gesamtfußweglänge von zwei km angemessen." Durch diese Rechtsprechung sieht sich der erkennende Senat in seiner Auffassung bestätigt, daß dann, wenn nur noch ein Viertel der üblichen Wegstrecke zurückgelegt werden kann, die Frage zu stellen ist, ob für den erheblich gehbehinderten Versicherten der Arbeitsmarkt verschlossen ist.

Darüber hinaus hält der Senat den gefundenen Grenzwert von 500 m Wegstrecke deshalb für erforderlich, weil er einen Anhaltspunkt dafür bietet, wann jedenfalls im Spannungsfeld zwischen Rehabilitation und Rente der Versicherungsträger sich bemühen muß, mit berufsfördernden Maßnahmen dem Versicherten zu helfen, um eine Rentenzahlung abzuwenden. Wie schon der Große Senat des BSG im Beschluß vom 10. Dezember 1976 (BSGE 43, 75, 81) ausgeführt hat, ist der Träger der Rentenversicherung zur Rehabilitation in einem besonderen Maße verpflichtet, wenn anderenfalls Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit zu bewilligen wäre. Er muß der Rehabilitation Vorrang vor der Rente geben und alle Möglichkeiten einer beruflichen Rehabilitation des Versicherten ausschöpfen. Dazu gehört das Bemühen, einem behinderten Versicherten den für ihn in Betracht kommenden Arbeitsplatz zu beschaffen. Zwar kann nach der Entscheidung des erkennenden Senats vom 27. Mai 1977 (BSGE 44, 39 f) die Rechtsprechung des Großen Senats zur Frage, ob der Arbeitsmarkt für Teilzeitarbeitskräfte offen oder verschlossen ist, auf Vollzeittätigkeiten grundsätzlich nicht angewendet werden. Bei den jedoch in Betracht kommenden Ausnahmen hat der Senat schon damals die Fälle angeführt, in denen Versicherte nicht in der Lage sind, Arbeitsplätze von der Wohnung aus aufzusuchen.

Eine Rehabilitation ist nur dann geboten, wenn die Erwerbsfähigkeit des Versicherten voraussichtlich erhalten, wesentlich gebessert oder wiederhergestellt werden kann (§ 1236 Abs 1 Satz 1 RVO). Diese Prüfung hat der Versicherungsträger vorzunehmen. Eine solche Verpflichtung besteht ua bei starker Einschränkung der Gehfähigkeit; denn in § 1237a Abs 1 Satz 1 Nr 1 RVO sind ausdrücklich Hilfen zur Erlangung eines Arbeitsplatzes einschließlich von Leistungen zur Förderung der Arbeitsaufnahme vorgesehen. Fällt diese Prüfung negativ aus, so bleibt nur noch die Rentengewährung übrig. Lediglich einen Teil der ihm vom Gesetzgeber übertragenen Aufgaben erfüllt der Träger der Rentenversicherung, wenn er bei stark reduzierter Gehfähigkeit des Versicherten sich auf die Rentenablehnung beschränkt. Die Leistungsträger sind vielmehr verpflichtet, darauf hinzuwirken, daß jeder Berechtigte die ihm zustehenden Sozialleistungen umfassend erhält (§ 17 Abs 1 Nr 1 des Sozialgesetzbuches - Allgemeiner Teil - SGB 1). Der Grenzwert von 500 m bildet dabei den Maßstab, wann der Versicherungsträger berufsfördernde Maßnahmen zu prüfen hat (so bereits BSG-Urteil vom 17. Mai 1972 aaO für den mit dem Grenzwert von 500 m vergleichbarem Fall, der nur noch möglichen Zurücklegung eines Weges für die Dauer von 5 Minuten).

Ähnlich wie bei der Indizwirkung tariflicher Einstufungen von Tätigkeiten handelt es sich bei dem genannten Grenzwert von 500 m um eine Hilfe für Versicherungsträger und Tatsachengerichte, die einen realitätsbezogenen Orientierungspunkt für die Anforderungen an die Aufklärung des Sachverhalts bieten soll. Selbstverständlich bleibt es dem pflichtgemäßen Ermessen des LSG überlassen, weitere Ermittlungen anzustellen und die konkreten Verhältnisse im Falle des Klägers exakt festzustellen. Das hat dann aber mit der notwendigen Vollständigkeit zu geschehen. Einbezogen werden müssen dann die Wegstrecken, die der Kläger ggf von der Haltestelle eines öffentlichen Verkehrsmittels bis zu einem für ihn geeigneten Arbeitsplatz zurückzulegen hat. Es kann ja nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, daß dieser Fußweg am Werkstor endet oder sich in dessen Nähe geeignete Arbeitsplätze befinden.

Das LSG hat ausgeführt, die vom 4. Senat des BSG (SozR 2200 § 1247 Nr 50) zusätzlich geforderten Ermittlungen zur Entfernung der Wegstrecke vom Werkstor zum eigentlichen Arbeitsplatz halte es nicht für angebracht, sondern für zu weitgehend und nicht erforderlich. Es sei offenkundig, daß es in jeder Stadt eine große Anzahl von Betrieben mit kurzen und andere mit weiteren Betriebswegen gebe. Es gebe für alle Verweisungstätigkeiten entsprechende Arbeitsplätze in der Nähe des Betriebseingangs. Der erkennende Senat vermag dem LSG hier nicht zu folgen. Es hält Ermittlungen nicht für erforderlich, weil es jede Art von Arbeitsplätzen auch in der Nähe des Betriebseingangs gebe. Das LSG beschränkt damit also die Verweisung auf nahe dem Eingang gelegene Arbeitsplätze. Dann aber kann das LSG nicht davon absehen, eine konkrete Verweisungstätigkeit zu benennen. Wird ein noch vollschichtig arbeitsfähiger Versicherter auf eine ihm zumutbare Tätigkeit verwiesen, so ist die Frage, ob es dafür ausreichende Arbeitsplätze gibt, dann zu prüfen, wenn er die Tätigkeit nicht unter den betriebsüblichen Arbeitsbedingungen verrichten kann (so BSG in SozR 2200 § 1247 Nr 33 mwN). Zu den üblichen Arbeitsbedingungen gehört doch wohl, daß der Arbeitnehmer seine konkrete Tätigkeit an jedem Platz im Betrieb verrichten kann, an dem sie erforderlich wird. So ist zB für Tätigkeiten, bei denen die Zahl der in Betracht kommenden Stellen dadurch nicht unerheblich reduziert ist, daß der Versicherte nur in Teilbereichen des Tätigkeitsfeldes eingesetzt werden kann, zu prüfen, ob der Arbeitsmarkt verschlossen ist (vgl BSG in SozR 2200 § 1246 Nr 139 mwN).

Zwar ist es grundsätzlich bei Versicherten mit dem Leitberuf des ungelernten Arbeiters, die breit verweisbar sind, nicht erforderlich, eine konkrete Verweisungstätigkeit zu benennen. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt jedoch dann, wenn die Einschränkungen in der Einsatzfähigkeit so erheblich sind, daß von vornherein ernste Zweifel aufkommen müssen, ob der Versicherte mit dem verbliebenen Leistungsvermögen noch in einem Betrieb einsetzbar ist. So zwingen schwere spezifische Leistungsbehinderungen zur Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit (vgl BSG in SozR 2200 § 1246 Nr 136 mwN). Die krankheitsbedingte Einschränkung der Gehfähigkeit des Klägers stellt eine derartig schwere Leistungsbehinderung dar, die die Benennung zumindest einer konkreten Verweisungstätigkeit erforderlich macht.

Die Kostenentscheidung bleibt der den Rechtsstreit abschließenden Entscheidung vorbehalten.

Bundessozialgericht

5/4a RJ 57/87

 

Fundstellen

Dokument-Index HI517998

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