Verfahrensgang

LSG Hamburg (Urteil vom 11.04.1991; Aktenzeichen V ARBf 132/89)

SG Hamburg (Urteil vom 05.10.1989; Aktenzeichen 7 AR 1158/87)

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 11. April 1991 abgeändert. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 5. Oktober 1989 wird in vollem Umfang zurückgewiesen.

Die Revision der Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin und dem Beigeladenen die außergerichtlichen Kosten auch des Berufungs- und Revisionsverfahrens zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Die Klägerin begehrt Konkursausfallgeld (Kaug) aus im Rahmen einer Vorfinanzierung von Kaug-Ansprüchen abgetretenem Recht.

Die K. GmbH (K. GmbH) beantragte am 13. November 1986 wegen Zahlungsunfähigkeit die Eröffnung des Vergleichsverfahrens zur Abwendung des Konkurses; das Amtsgericht bestellte mit Beschluß vom selben Tage den Beigeladenen zum vorläufigen Vergleichsverwalter. In einer Betriebsversammlung vom 17. November 1986 unterrichtete dieser die Arbeitnehmer der K. GmbH über die Ziele des angestrebten Vergleichsverfahrens, nämlich die Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit und die Veräußerung des Unternehmens als Ganzem, sowie über eine geplante Kaug-Vorfinanzierung; für diese gewann er in einem Gespräch am 20. November 1986 die Klägerin.

Die vom Beigeladenen in einem Aushang am „Schwarzen Brett” vom 24. November 1986 unterrichteten Arbeitnehmer der K. GmbH unterzeichneten zugunsten der Klägerin je eine „Abtretungserklärung zur Besicherung vorfinanzierter Lohn-/Gehaltsansprüche” für November 1986 unter dem Datum vom 24. November 1986 und in der Folgezeit entsprechende Abtretungserklärungen auch hinsichtlich der Netto-Arbeitsentgelte für Dezember 1986 und Januar 1987. Am 27. November 1986 schloß die K. GmbH unter Zustimmung des Beigeladenen und des Betriebsrats mit der Klägerin eine „Vereinbarung” betreffend die Vorfinanzierung der Netto-Arbeitsentgelte für den Monat November 1986, inhaltsgleich später auch für die Monate Dezember 1986 und Januar 1987. Der Beigeladene übersandte der Klägerin die Abtretungserklärungen zusammen mit einer Sammelüberweisung in Höhe der Summe aller in den Abtretungserklärungen ausgewiesenen Beträge sowie mit Einzelüberweisungsaufträgen an die einzelnen Arbeitnehmer, jeweils zu Lasten eines bei der Klägerin auf seinen Namen eingerichteten Sonderkontos. Die Klägerin führte die Einzelüberweisungen aus und belastete das Konto mit dem Gesamtbetrag. Mit Schreiben vom 30. Januar 1987 teilte der Beigeladene dem Amtsgericht mit, daß sich die zunächst in Aussicht genommene Vergleichsquote von 38% nicht realisieren lasse; er rege daher an, das Anschlußkonkursverfahren zu eröffnen. Dem folgte das Amtsgericht mit Beschluß vom (Sonntag) 1. Februar 1987 und bestellte den Beigeladenen zum Konkursverwalter. Während des Vergleichsantrags- und des Konkursverfahrens bemühte sich der Beigeladene um eine Veräußerung des Unternehmens. Die Produktion wurde bis zum 30. Juni 1987 weitergeführt, die Arbeitsentgelte für die Zeit ab 1. Februar 1987 wurden aus der Konkursmasse gezahlt.

Am 27. März 1987 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung von Kaug aus abgetretenem Recht in Höhe von DM 539.563,02. Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 12. Juni 1987 und Widerspruchsbescheid vom 14. September 1987 ab. Das Sozialgericht (SG) hat der Klage stattgegeben; auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Beklagte dem Grunde nach verurteilt, der Klägerin Kaug aus abgetretenem Recht zu gewähren, jedoch lediglich begrenzt auf den pfändbaren Teil der Netto-Arbeitsentgelte für die Monate November 1986 bis Januar 1987, und den Zahlbetrag ab 1. Oktober 1987 mit 4% zu verzinsen. Bei den Abtretungserklärungen der Arbeitnehmer sowie den Vereinbarungen zwischen der K. GmbH unter Zustimmung des Beigeladenen und des Betriebsrats mit der Klägerin habe es sich um ein einheitliches Vertragswerk gehandelt. Die Arbeitnehmer hätten gewußt, daß sie mit der Unterzeichnung der Erklärungen ein Bankdarlehen beantragt und die gegen die Firma gerichteten Lohnansprüche abgetreten hätten. Einer besonderen Annahmeerklärung der Bank gegenüber den Arbeitnehmern hätten die Abtretungen nicht bedurft. Mit der Überweisung der Beträge an die Arbeitnehmer habe die Bank sich selber gebunden und zugleich die Darlehen gewährt. Der Fortbestand der abgetretenen Arbeitsentgelt-Ansprüche sei unter den am Vertragswerk Beteiligten beabsichtigt gewesen. Ziel des gesamten Vertragswerks sei eindeutig nicht gewesen, der Firma eine Vorschußzahlung an die Arbeitnehmer zu ermöglichen. Denn dann wären die Lohn- und Gehaltsansprüche erloschen und Ansprüche auf Kaug gar nicht erst entstanden. Ohne Aussicht auf Kaug hätten die Beteiligten jedoch das gesamte Vertragswerk nicht geschlossen; es wäre auch widersinnig gewesen, wenn die Bank die Lohnansprüche vorschußweise getilgt hätte, sie aber ausdrücklich im Besitz der ihr von den Arbeitnehmern abgetretenen Arbeitsentgelt-Ansprüche verblieben wäre, wie nach der „Vereinbarung” vorausgesetzt. Die Firma selbst habe lediglich eine Ausfallhaftung entsprechend der eines Kreditauftraggebers (§ 778 Bürgerliches Gesetzbuch ≪BGB≫) übernommen. Auch die Abwicklung über das Sonderkonto, das der Beigeladene als Anderkonto geführt habe, spreche nicht für eine Kreditgewährung der Klägerin an die Firma. Die Lohn- und Gehaltsansprüche seien rechtswirksam jedoch nur in pfändbarer Höhe auf die Klägerin übergegangen. Eine Ausnahme vom Abtretungsverbot nach § 400 BGB komme nur in Betracht, wenn der Abtretende eine der Forderung wirtschaftlich gleichwertige Leistung erhalte. Dies sei jedoch nicht der Fall, wenn die Arbeitnehmer ihr gesamtes Nettoentgelt nur darlehensweise erhalten hätten, also von Rechts wegen das Geld an die Bank zurückzahlen müßten. Entsprechende Forderungen habe auch die Klägerin für den Fall angekündigt, daß sie den Prozeß verlieren würde. Demgegenüber hätte eine Vorfinanzierung des Kaug statt durch ein die Arbeitnehmer belastendes Darlehen auch über einen Forderungskauf rechtsgültig bewerkstelligt werden können. In Höhe des pfändbaren Teils ständen der Klägerin jedoch die Lohn-und Gehaltsansprüche zu und damit auch das vorfinanzierte Kaug. Die Vorfinanzierung von Kaug sei grundsätzlich auch schon in der Zeit vor dem 1. Januar 1988, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des § 141k Abs 2a Arbeitsförderungsgesetz (AFG) idF des 8. AFG-Änderungsgesetzes, zulässig gewesen. Im Verhältnis zur Beklagten liege auch keine sittenwidrige Konkursverschleppung vor. Die Vorfinanzierung sei im Zusammenhang mit ernsthaften und aussichtsreichen Sanierungsbemühungen, nämlich dem Versuch der Veräußerung des Unternehmens der K. GmbH in seiner Gesamtheit, durchgeführt worden. Die Verkaufsbemühungen seien bis zur Konkurseröffnung erfolgversprechend gewesen und ernsthaft betrieben worden. Die mit der Vorfinanzierung verbundene Geschäftsfortführung habe in erster Linie nicht dem Liquiditätsgewinn und der Wertsteigerung des Unternehmens im Interesse einzelner Gläubiger gedient, sondern der Erhaltung des Produktionsbetriebes und damit der dortigen Arbeitsplätze sowie der Vermeidung des Anschlußkonkurses. Sie habe damit das eigentliche Ziel der Konkursausfallversicherung verfolgt, den Arbeitnehmern zu ermöglichen, eine gewisse Zeit weiterzuarbeiten, um ihre Arbeitsplätze möglichst zu erhalten. Hieran ändere auch die Stellung des Konkursantrags an dem Wochenende, das mit dem Ende des letzten durch ein vorfinanziertes Kaug abdeckbaren Monats zusammengefallen sei, nichts.

Hiergegen richten sich die vom LSG zugelassenen Revisionen sowohl der Klägerin als auch der Beklagten.

Die Klägerin rügt eine Verletzung der Vorschrift des § 400 BGB. Die Arbeitnehmer hätten eine ihrer abgetretenen Forderung wirtschaftlich gleichwertige Leistung erhalten.

Die Klägerin beantragt, zu entscheiden:

Unter Abänderung des am 11. April 1991 verkündeten Urteils des Landessozialgerichts Hamburg wird der Bescheid der Beklagten vom 12. Juni 1987 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14. September 1987 aufgehoben und die Beklagte dem Grunde nach verurteilt, der Klägerin Konkursausfallgeld aus abgetretenem Recht (für die Monate November und Dezember 1986 sowie Januar 1987) zu gewähren sowie diesen Zahlbetrag mindestens nach Maßgabe des § 44 SGB – Allgemeiner Teil – (SGB I) ab dem 1. Oktober 1987 mit 4% p.a. zu verzinsen;

weiterhin,

die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 11. April 1991 und das Urteil des Sozialgerichts vom 5. Oktober 1989 – soweit es nicht abgeändert worden ist – aufzuheben und die Klage abzuweisen;

weiterhin,

die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Sie rügt eine Verletzung des § 141k Abs 1 Satz 1 AFG sowie der §§ 133, 242, 398 und 607 BGB. Die Arbeitnehmer der Firma K. GmbH hätten ihre Arbeitsentgelt-Ansprüche nicht rechtswirksam auf die Klägerin übertragen. Den „Abtretungserklärungen” sei ein rechtsgeschäftlicher Verpflichtungswille zur Eingehung eines Darlehensvertrages, insbesondere die Verpflichtung zur Rückzahlung des Kapitals gegenüber der Klägerin, nicht zu entnehmen. Ihr Wortlaut stimme ebensogut mit der Auslegung überein, daß die Klägerin der Firma ein Darlehen zur Bezahlung der Löhne und Gehälter zur Verfügung stellen werde, das durch Abtretung der entsprechenden Ansprüche der Arbeitnehmer an die Klägerin gesichert werden sollte. Die Arbeitnehmer hätten nicht daran gedacht, irgendein Risiko im Zusammenhang mit der „darlehensweisen Auszahlung” der ihnen zustehenden Ansprüche auf Arbeitsentgelt einzugehen. Sowohl aus den „Vereinbarungen”, an denen die Arbeitnehmer nicht beteiligt gewesen seien, als auch aus der Abwicklung der Zahlungen an die Arbeitnehmer folge eine Darlehensvergabe an die Firma. Die Klägerin habe schließlich die Abtretungserklärungen nicht vor dem Empfang des der Firma gewährten Darlehens durch die Arbeitnehmer – und damit der Erfüllung ihrer Arbeitsentgeltforderungen – angenommen. Zu diesem Zeitpunkt aber seien die Arbeitsentgelt-Ansprüche der Arbeitnehmer bereits durch Erfüllung erloschen gewesen. Aber auch bei Wirksamkeit der Abtretungen stehe der Klägerin kein Kaug zu. Denn dann nähme sie diese Leistung rechtsmißbräuchlich in Anspruch. Bei der Annahme einer Vorfinanzierung und rechtswirksamen Übertragung der Ansprüche auf Arbeitsentgelt auf die Klägerin wären unter rechtswidriger Ausnutzung der Konkursausfallversicherung der insolventen Firma liquide Mittel zugeführt worden, ohne daß dies im Zusammenhang mit aussichtsreichen Sanierungsbemühungen gestanden hätte. Schließlich müsse sich die Klägerin als Rechtsmißbrauch und Verstoß gegen Treu und Glauben entgegenhalten lassen, durch ihre Mitwirkung an den rechtlichen Gestaltungsvorschlägen des Beigeladenen dazu beigetragen zu haben, daß die fälligen Sozialversicherungsbeiträge nicht entrichtet worden seien.

Der Beigeladene hat sich im Revisionsverfahren nicht zur Sache geäußert.

 

Entscheidungsgründe

II

Der Senat hat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫).

Die Revision der Klägerin ist begründet, die der Beklagten unbegründet.

Zu Recht hat das Berufungsgericht entschieden, daß der Klägerin Kaug aus ihr von den Arbeitnehmern der K. GmbH abgetretenem Recht zusteht; es hat diesen Anspruch jedoch zu Unrecht auf die Höhe der pfändbaren Teile des Arbeitsentgelts begrenzt.

Nach § 141a AFG haben Arbeitnehmer beim Konkurs ihres Arbeitgebers Anspruch auf Ausgleich ihres entfallenden Arbeitsentgelts (Kaug). Im vorliegenden Fall wird der Anspruch auf Kaug nicht von den Arbeitnehmern der K. GmbH erhoben, sondern von der Klägerin kraft abgetretenen Rechts. Da die Abtretungen bereits vor Stellung des Antrags auf Kaug erfolgt sind (vgl § 141 l Abs 1 AFG), kommen nur Ansprüche aus einer Übertragung des Anspruchs auf Arbeitsentgelt vor Stellung des Konkursantrags in Frage (§ 141k Abs 1 Satz 1 AFG).

Die Arbeitnehmer der K. GmbH haben ihre Ansprüche auf Arbeitsentgelt an die Klägerin wirksam abgetreten (hierzu im folgenden zu 1), dies gilt auch hinsichtlich der unpfändbaren Teile (hierzu im folgenden zu 2). Gegen die Wirksamkeit dieser Abtretungen spricht auch nicht ihre Vereinbarung im Rahmen der Kaug-Vorfinanzierung (hierzu im folgenden zu 3). Über die Kaug-Fähigkeit von Verzugszinsen hat der Senat nicht zu entscheiden (hierzu im folgenden zu 4).

(1) Die Wirksamkeit der Abtretungen setzt voraus, daß die Arbeitsentgeltansprüche der Arbeitnehmer der K. GmbH nicht bereits erfüllt waren. Denn dann hätte keine abtretbare Forderung mehr bestanden. Entgegen der Auffassung der Beklagten wurden die Arbeitsentgelt-Ansprüche der Arbeitnehmer der K. GmbH nicht durch die von der Klägerin herrührenden Zahlungen im November und Dezember 1986 sowie Januar 1987 erfüllt. Denn die Klägerin hat auf der Grundlage der von den Arbeitnehmern der K. GmbH unterzeichneten „Abtretungserklärungen” sowie der „Vereinbarungen” zwischen der Klägerin und der K. GmbH nicht dieser ein Darlehen zur Entlohnung der Arbeitnehmer gewährt.

Hierfür sprechen zum einen die vom LSG bereits angeführten Argumente. Insbesondere wäre bei gegenteiliger Annahme die von den Arbeitnehmern eingeholten „Abtretungserklärungen” ebenso gegenstandslos gewesen wie diejenigen Teile der „Vereinbarungen”, die vom Fortbestand der abgetretenen Arbeitsentgelt-Ansprüche und einem Anspruch der Klägerin auf Kaug ausgehen. Gibt man den „Abtretungserklärungen” und „Vereinbarungen” die Auslegung, daß die Klägerin der K. GmbH ein Darlehen zur Zahlung der Löhne und Gehälter zur Verfügung stellen wollte, das durch Abtretung der Lohn- und Gehaltsansprüche der Arbeitnehmer an die Klägerin gesichert werden sollte, so unterstellt man den Vertragschließenden den Willen, einen rechtlich unmöglichen Inhalt zu vereinbaren.

Zum anderen liegt auch in der Wahl des Ausdrucks „Vorschuß” und „bevorschussen” in den „Vereinbarungen” – im Gegensatz zur Auffassung der Beklagten – ein Hinweis darauf, daß keine Zahlung des geschuldeten Arbeitsentgelts durch die K. GmbH als Arbeitgeber beabsichtigt war. Denn eine derartige Zahlung in Höhe des geschuldeten Netto-Arbeitsentgelts sowie gegen Ende des jeweiligen Entgeltzeitraums kann schwerlich als „Vorschuß” bezeichnet werden.

Etwas anderes könnte mit dem Wortlaut von Nr 2 der „Abtretungserklärungen” „Es ist mir bekannt, daß … ≪die Klägerin≫ … die mir gegen die Firma zustehenden Ansprüche darlehensweise an mich auszahlen wird”) allenfalls dann in Einklang zu bringen sein, wenn aus dem den Arbeitnehmern bekannten Umfeld jener Erklärungen eindeutig eine Darlehensvergabe der Klägerin an die K. GmbH bekanntgewesen wäre. Hierzu hat jedoch das LSG – mangels entsprechender Verfahrensrügen auch für den Senat bindend -festgestellt, die Vertragschließenden seien sich einig darüber gewesen, daß die Abtretungen „zur Besicherung der sich daraus gegen die Arbeitnehmer ergebenden Ansprüche der Bank” dienen sollten. Auch der Aushang des Beigeladenen am Schwarzen Brett der K. GmbH vom 24. November 1986 sprach von der „Absicherung (des) dem einzelnen Arbeitnehmer gewährten Darlehens”. Dem steht nicht entgegen, daß der Beigeladene in diesem Aushang den Arbeitnehmern zusagte, ihnen würden keine Risiken erwachsen; hierfür ständen die Vergleichs- bzw Konkursmasse ein. Hieraus ergibt sich allenfalls die Bekräftigung einer Einstandspflicht im Falle der Durchsetzung der Rückzahlungsansprüche der Klägerin gegen die Arbeitnehmer, nicht jedoch eine Darlehensgewährung der Klägerin an die Firma.

Bei dieser Ausgangslage ist eine eventuelle Verpflichtung des Beigeladenen, sich die Mittel zur Zahlung der Arbeitsentgelte über ein Betriebsmitteldarlehen iS des § 106 Vergleichsordnung (VerglO) zu beschaffen, unbeachtlich; sie vermag nichts an dem tatsächlich erfolgten Ablauf zu ändern.

Die Arbeitnehmer der K. GmbH haben auch ihre Ansprüche auf Arbeitsentgelt durch die „Abtretungserklärungen” wirksam an die Klägerin abgetreten. In jenen „Abtretungserklärungen” lag jeweils das Angebot der Arbeitnehmer zum Abschluß eines Darlehensvertrages mit der Abtretung der entsprechenden Ansprüche als Sicherheit. Dieses Angebot hat die Klägerin auch angenommen, und zwar durch Auszahlung der entsprechenden Darlehensvaluta zu Lasten des auf den Namen des Beigeladenen eingerichteten Sonderkontos.

(2) Entsprechend der Auffassung der Klägerin sind die Abtretungen der Arbeitnehmer der K. GmbH an sie auch nicht insoweit unwirksam, als sie sich auf den nicht pfändbaren Teil ihres Arbeitsentgelts beziehen. Zwar kann nach § 400 BGB eine Forderung nicht abgetreten werden, soweit sie der Pfändung nicht unterworfen ist. Diese Vorschrift ist jedoch einschränkend auszulegen:

„Nach übereinstimmender Rechtsprechung und Lehre ist ein solches Abtretungsverbot nicht anzuwenden, wenn der geschützte Zedent den pfändungsfreien Betrag vom Zessionar erhalten hat (BAG, Urteil vom 10. Juni 1980, NJW 1980, 1642, 1652 mwN; Palandt/ Heinrichs, Kommentar zum BGB, 43. Aufl, Anm 2 zu § 400 BGB). Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer Ansprüche auf rückständiges Arbeitsentgelt gegen gleichzeitige Gewährung der zum Lebensunterhalt notwendigen Barmittel im Wege eines Darlehens abgetreten hat (OLG München, Urteil vom 16. November 1954, ZBR 1955, 87f). Denn auch in diesen Fällen liegt eine schnelle Beschaffung der zur Erhaltung der Existenz notwendigen Barmittel nicht nur im Interesse des Arbeitnehmers, sondern ist auch sozialpolitisch erwünscht, da der Arbeitnehmer sonst häufig auf die Inanspruchnahme von Sozialhilfe angewiesen sein wird. Davon geht auch das Kaug-Recht aus, indem es mit der Erstreckung der kaug-rechtlichen Sicherungen auf abgetretene Forderungen (§ 141k AFG) anerkennt, daß der Arbeitnehmer häufig schon vor Eintritt des Insolvenzereignisses bzw vor Stellung des Kaug-Antrags gezwungen sein wird, sich zur Sicherung seines und seiner Familie Lebensunterhalts Barmittel durch Vorfinanzierung seines Lohns auch im Darlehenswege zu verschaffen (Gagel, Kommentar zum AFG, 1984, Anm 5 zu § 141k). Ein solches Verfahren dient damit zugleich auch den Zielen des Kaug, selbst wenn der Arbeitnehmer ggf Gefahr läuft, später vom Zessionar auf Rückforderung des Darlehens in Anspruch genommen zu werden, falls dieser seinen Kaug-Anspruch aus abgetretenem Recht nicht realisieren kann. Jedenfalls wirkt das Übertragungsverbot nicht gegenüber demjenigen, der – wie im vorliegenden Fall – die unpfändbare Forderung im Hinblick auf zustehendes Kaug vorkreditiert (vgl auch Hennig/ Kühl/ Heuer, Kommentar zum AFG, § 141m Anm 2, Stand November 1983).”

Diese Ausführungen des Senats im Urteil vom 23. Oktober 1984 (SozR 4100 § 141e Nr 7 S 18f) macht er sich auch im vorliegenden Fall zu eigen.

Entgegen der Auffassung des LSG läßt sich auch aus dem Wortlaut der Abtretungserklärungen „unwiderruflich”) in Verbindung mit dem Zeitpunkt ihres Wirksamwerdens kein Verstoß gegen § 400 BGB herleiten. Denn die Abtretungen wurden nicht schon vor Auszahlung der Darlehensvaluta an die Arbeitnehmer – etwa bei ihrem Eingang bei der Klägerin – wirksam. Die ausdrücklich als Sicherungsabtretung gestalteten Abtretungserklärungen der Arbeitnehmer erlangten Wirksamkeit erst mit der Annahme ihrer jeweiligen Darlehensvertrags- und Abtretungsangebote durch die Klägerin, dh mit Auszahlung der Darlehensvaluta, wie vom LSG festgestellt. Damit aber ist – auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des Senats – der Forderung der Rechtsprechung zu den Ausnahmen von § 400 BGB Genüge getan, daß der Inhaber der unpfändbaren Forderung vor deren Abtretung den vollen Gegenwert erhalten hat oder die Abtretung durch die Zahlung bedingt ist (BGH vom 31. Mai 1954, BGHZ 13, 360).

Der Senat gibt jedoch für künftige Kaug-Vorfinanzierungen folgendes zu bedenken:

Das LSG geht zu Recht davon aus, daß der Arbeitnehmer bei einer Kaug-Vorfinanzierung im Rahmen eines Forderungskaufs – im Gegensatz zu dem im vorliegenden Fall praktizierten Kreditierungsverfahren – in keinerlei Hinsicht mehr einem Rückzahlungsrisiko ausgesetzt ist. Diese Vorgehensweise wird damit insgesamt noch mehr dem Schutzbedürfnis der Arbeitnehmer als Inhaber unpfändbarer Forderungen gerecht, das die Regelung des § 400 BGB und die hierzu ergangene Rechtsprechung der Zivilgerichte im Auge hat. Verweist man die an einer Kaug-Vorfinanzierung Interessierten auf das Forderungskaufverfahren, so geht dies auch nicht auf Kosten des Interesses der Arbeitnehmer, sich bei einer drohenden Insolvenz schnell die zur Erhaltung der Existenz erforderlichen Barmittel zu verschaffen. Denn Kaug-Vorfinanzierungen werden bereits seit langem zumindest auch im Wege des Forderungskaufs durchgeführt (vgl Uhlenbruck, KTS 1980, 81, 83 f, 89). Das Schrifttum weist insoweit auch darauf hin, daß eine derartige Abwicklung auch der Interessenlage und Zielrichtung der Bank entspricht, die bei der Kreditentscheidung nicht auf die Bonität der einzelnen Arbeitnehmer, sondern auf den Kaug-Anspruch abstelle (Obermüller, Die Bank im Konkurs und Vergleich ihres Kunden, 3. Aufl 1985, RdNr 662).

Auf dieser Grundlage aber erwägt der Senat, bei Kaug-Finanzierungen im Rahmen des Kreditierungsmodells künftig dann nicht mehr von der Anwendung des § 400 BGB abzusehen, wenn sich das vorfinanzierende Kreditinstitut – nach Veröffentlichung des vorliegenden Urteils – nicht mehr auf den durch die Entscheidung des Senats vom 23. Oktober 1984 geschaffenen Vertrauenstatbestand berufen kann.

(3) Schließlich bestehen gegen den Anspruch der Klägerin keine Bedenken aus dem Gesichtspunkt des Rechtsmißbrauchs.

Der Einsatz der Vorfinanzierung von Kaug durch einen vorläufigen Vergleichsverwalter (oder Sequester) zur Aufrechterhaltung des Produktionsbetriebes über den Zeitpunkt hinaus, in dem der Arbeitgeber zur Zahlung des Arbeitsentgelts nicht mehr in der Lage war, stimmt zwar nicht mit der eigentlichen Zielsetzung des Kaug überein, den einzelnen Arbeitnehmer gegen das Insolvenzrisiko abzusichern. Im vorliegenden Fall zB ist zweifelhaft, ob die Arbeitnehmer der K. GmbH auch noch im Dezember 1986/Januar 1987 ohne Lohnzahlung weitergearbeitet hätten. Es kann daher nicht für die Praxis der Vorfinanzierung des Kaug angeführt werden, der Gesetzgeber erwarte, daß der Arbeitnehmer stets volle drei Monate bis zur Insolvenz in seinem Arbeitsverhältnis ohne Arbeitsentgelt ausharre; deshalb sei er darauf angewiesen, bereits vor dem frühesten Zeitpunkt, in dem nach § 141f AFG ein Vorschuß auf das erst mit Insolvenzeintritt zustehende Kaug gezahlt werden könne, diese Sozialleistung zu beleihen (so aber Hanau/Kappus, ZIP 1988, 885 f mwN; Denck, KTS 1989, 263, 264). Das Kaug ist vorrangig zur Sicherung der Arbeitnehmer gedacht und nicht als Sanierungsinstrument (vgl die Ausführungen des Senats im Urteil vom 28. Juni 1983, BSGE 55, 195, 199 f = SozR 4100 § 141b Nr 27 mwN, ferner Dieckmann, ZRP 1987, 420, 421).

Andererseits kann es auch durchaus im Interesse der Arbeitnehmer liegen, eine gewisse Zeit „stillzuhalten”, um eine Sanierung des Unternehmens und damit auch den Erhalt der Arbeitsplätze zu ermöglichen. Diesem Interesse hat der Gesetzgeber inzwischen auch im Zuge der Änderung des § 141k AFG durch das 8. ÄndG-AFG Rechnung getragen. Aufschlußreich ist insbesondere die Entstehungsgeschichte des ab 1. Januar 1988 geltenden neuen Absatzes 2 a dieser Vorschrift. Der Regierungsentwurf zum 8. ÄndG-AFG hatte zunächst den Ausschluß des Anspruchs auf Kaug vorgesehen, wenn eine Übertragung vor Stellung des Konkursantrages zur Vorfinanzierung des Arbeitsentgelts erfolgt; es solle verhindert werden, daß die Vorfinanzierung von Arbeitsentgelten zur Verschleppung eines Konkurses führe und neue Arbeitsentgelt-Rückstände aufliefen, die letztlich von der Gesamtheit der Arbeitgeber getragen werden müßten (BT-Drucks 11/890, Art 1 Nr 34). Dieser Entwurf entsprach dem Leitsatz 4.3.2. des Ersten Berichts der Kommission für Insolvenzreform (veröffentlicht: Köln, 1985). Der Regierungsentwurf wurde jedoch nicht Gesetz. Der endgültig mit Wirkung ab 1. Januar 1988 eingefügte Absatz 2 a des § 141k AFG hat nunmehr folgenden Wortlaut:

„Soweit die Ansprüche auf Arbeitsentgelt vor Eröffnung des Konkursverfahrens zu ihrer Vorfinanzierung übertragen oder verpfändet worden sind, besteht ein Anspruch auf Kaug nur, wenn im Zeitpunkt der Übertragung oder Verpfändung der neue Gläubiger oder Pfandgläubiger nicht zugleich Gläubiger des Arbeitgebers oder an dessen Unternehmen beteiligt war. Dasselbe gilt, wenn Satz 1 durch andere Gestaltungen umgangen wird.”

Durch diese Gesetzesfassung sollten einerseits die Arbeitnehmer „die Möglichkeit behalten, ihr Arbeitsentgelt auch vor der Konkurseröffnung vorzufinanzieren” (Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung, BT-Drucks 11/1161, zu Nr 34), andererseits aber sollte auch über den Regierungsentwurf hinaus eine mißbräuchliche Inanspruchnahme der Konkursausfallversicherung ausgeschlossen werden, insbesondere die bewußte Verzögerung der Entscheidung des Konkursgerichts durch die Gläubiger des Arbeitgebers in der Absicht, sich auf Kosten der Konkursausfallversicherung Sondervorteile zu verschaffen (hierzu auch Denck, KTS 1988, 217, 230 f). Ausdrücklich führt jedoch der Ausschußbericht (aaO) aus:

„Die Regelung erfaßt nicht alle Fälle, in denen durch die Vorfinanzierung des Arbeitsentgelts ein Konkursantrag oder die Entscheidung des Konkursgerichts verzögert wird. Nicht erfaßt wird zB die Vorfinanzierung durch unbeteiligte Dritte im Zusammenhang mit einem ernsthaften Sanierungsversuch. Stellt sich allerdings heraus, daß nicht die Sanierung, sondern die Verzögerung der Konkurseröffnung bezweckt war, hat die Bundesanstalt für Arbeit wie bisher die Möglichkeit, ihre Leistungen zurückzufordern und Schadensersatzansprüche geltend zu machen.”

Hieraus kann nur gefolgert werden, daß auch nach der Auffassung des Gesetzgebers sowohl vor als auch nach Erlaß des 8. ÄndG-AFG die Vorfinanzierung von Kaug im Rahmen von ernsthaften, erfolgversprechenden Sanierungsbemühungen selbst dann grundsätzlich erlaubt war und ist, wenn sie zu einer Verzögerung der Konkurseröffnung führt. Um einen solchen Fall (hier: den Versuch einer übertragenden Sanierung) aber handelt es sich nach den nicht angegriffenen und damit für den Senat bindenden Feststellungen des LSG vorliegend. Die hierzu in ihrer Revisionsschrift geäußerte Auffassung der Beklagten stellt lediglich eine andere Beweiswürdigung als die vom LSG getroffene dar, ergänzt durch weiteren Tatsachenvortrag. Sie enthält jedoch keine Verfahrensrügen hinsichtlich der vom LSG getroffenen Tatsachenfeststellungen, die im übrigen eine hinreichende Grundlage für die Ausfüllung der angewandten Tatbestände darstellen.

Unerheblich ist, daß die Klägerin bei einer Kaug-Vorfinanzierung mitgewirkt hat, ohne sicherzustellen, daß auch Beiträge und Steuern gezahlt wurden. Eine derartige Garantenpflicht zugunsten öffentlicher Kassen hat die Klägerin weder als Darlehensgeber der Arbeitnehmer noch als Vertragspartner der „Vereinbarungen” mit der K. GmbH übernommen.

Anhand des vorliegenden Sachverhalts ist dem Senat keine weitergehende Aussage dazu möglich, in welchen Fallkonstellationen – über § 141k Abs 2 a AFG hinaus – von einem Mißbrauch ausgegangen werden kann, der der Geltendmachung eines Anspruchs auf Kaug aus abgetretenem Recht entgegensteht.

(4) Die von der Klägerin mit der Revisionsbegründung angeregte nochmalige Überprüfung, ob die aufgelaufenen Zinsen in voller Höhe von der Beklagten als Verzugsschaden zu erstatten seien, war dem Senat verwehrt. Das SG hatte die Beklagte verpflichtet, der Klägerin Kaug aus abgetretenem Recht (für die Monate November und Dezember 1986 sowie Januar 1987) zu gewähren sowie diesen Zahlbetrag nach Maßgabe des § 44 SGB I ab dem 1. Oktober 1987 mit 4% zu verzinsen; es hatte in den Entscheidungsgründen ausgeführt, eine Verzinsung für die Zeit vor Antragstellung aus dem Gesichtspunkt des Verzuges entfalle, da Verzugszinsen nicht zum Kaug-fähigen Arbeitsentgelt gehörten. Das LSG hat auf die Berufung (nur) der Beklagten den Urteilsausspruch des SG lediglich auf den pfändbaren Teil der Netto-Arbeitsentgelte begrenzt, den Zinsausspruch des SG aber unangetastet gelassen und damit letztlich bestätigt. Den zusätzlichen Zinsanspruch hätte die Klägerin nur durch Einlegung der Berufung geltend machen können. Eine Erweiterung des Klagebegehrens insoweit ist in der Revisionsinstanz nicht zulässig (§ 169 SGG). Es bedarf daher keiner Auseinandersetzung mit Argumenten gegen die Rechtsprechung des Senats, daß Verzugszinsen nicht zum Arbeitsentgelt iS des § 141b Abs 2 AFG gehören (BSG vom 28. Februar 1985, SozR 4100 § 141b Nr 35).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 913607

BSGE, 265

NZA 1992, 859

ZIP 1992, 941

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