Verfahrensgang

LSG Niedersachsen (Beschluss vom 13.10.2000; Aktenzeichen L 3/5 KA 49/99)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluß des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 13. Oktober 2000 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat der Beklagten die außergerichtlichen Kosten auch für das Beschwerdeverfahren zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Der als Gynäkologe zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Kläger, der gemeinsam mit dem Beschwerdeführer des Beschwerdeverfahrens B 6 KA 77/99 R eine Gemeinschaftspraxis betreibt, wendet sich gegen eine gegen ihn am 17. Juli 1998 verhängte Disziplinarmaßnahme. Der Disziplinarausschuß der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) erteilte ihm wegen Verstoßes gegen seine vertragsärztlichen Pflichten einen Verweis und erlegte ihm zusätzlich eine Geldbuße von 2.000,– DM auf; denn er habe für Ultraschalluntersuchungen mit den Geräten „Siemens Elegra” und „Siemens Versa Pro” pflichtwidrig von Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung Zuzahlungen in Höhe von 15,– bzw 30,– DM pro Quartal gefordert.

Die dagegen gerichtete Klage und Berufung, mit denen der Kläger geltend gemacht hat, die Untersuchung mit den verwendeten „High-End-Geräten” ermögliche im Vergleich zu Basisgeräten eine weitaus genauere Diagnostik, werde aber im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen (EBM-Ä) nicht kostendeckend honoriert, sind ohne Erfolg geblieben. Das Landessozialgericht (LSG) hat in seinem gemäß § 153 Abs 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ergangenen Beschluß im Anschluß an das Sozialgericht ausgeführt, dem Kläger und seinem Praxispartner sei wegen des Verlangens von Zuzahlungen ein Verstoß gegen vertragsärztliche Pflichten iS von § 81 Abs 5 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) anzulasten. Die mit den genannten Geräten durchgeführten Ultraschalluntersuchungen seien als vertragsärztliche Leistungen iS der Nr 381 EBM-Ä anzusehen; gerätebedingte Qualitätsunterschiede bewirkten keine andere Bewertung; auch sei die Festlegung der Höhe der Vergütung allein Sache der Vertragsparteien des EBM-Ä. Da nicht die gesamte Behandlung der jeweiligen Patientinnen habe privatvertraglich erfolgen sollen, liege kein Fall einer zulässigen Vergütungsvereinbarung nach § 18 Abs 1 Nr 2 Bundesmantelvertrag/Ärzte (BMV-Ä) bzw § 21 Abs 1 Nr 2 Arzt-Ersatzkassenvertrag (EKV-Ä) vor (Beschluß vom 13. Oktober 2000).

Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers, mit der er (allein) die grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage geltend macht, „ob die Abrechenbarkeit von qualitativ hochwertigen, medizinisch sinnvollen, über die apparative Mindestausstattung hinausgehenden fachärztlichen Leistungen mittels sog ‚High-End-Geräte’ aufgrund weiterentwickelter medizinischer Standards vom EBM-Ä erfaßt sind, so daß Qualitätsunterschiede eine Ausgliederung der erbrachten Leistungen aus dem Katalog der vertragsärztlichen Leistungen nicht bewirken”.

 

Entscheidungsgründe

II

Die den gesetzlichen Darlegungsanforderungen entsprechende, zulässige Beschwerde ist unbegründet. Denn es fehlt der Rechtssache an der ihr vom Kläger beigemessenen grundsätzlichen Bedeutung (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr SGG).

Wegen grundsätzlicher Bedeutung ist die Revision nur zuzulassen, wenn die von der Beschwerde hinreichend deutlich bezeichnete Rechtsfrage in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist. Zwar erscheint die mit der Beschwerde aufgeworfene Frage im Rechtsstreit entscheidungserheblich, weil ihre Beantwortung mittelbar darüber Aufschluß gibt, ob dem Kläger tatsächlich ein Verstoß gegen seine vertragsärztlichen Pflichten iS von § 81 Abs 5 SGB V anzulasten ist. Sie ist allerdings nicht klärungsbedürftig. Die Klärungsbedürftigkeit ist zB zu verneinen, wenn die Beantwortung der aufgeworfenen Rechtsfrage nach den dafür maßgeblichen Rechtsvorschriften bzw der dazu bereits vorliegenden höchstrichterlichen Rechtsprechung keinem Zweifel mehr unterliegt (vgl zu diesem eine Grundsatzrevision ausschließenden Umstand allgemein zB BSG SozR 3-2500 § 75 Nr 8 S 34; SozR 3-1500 § 146 Nr 2 S 6 und § 160a Nr 21 S 38). Letzteres ist hier der Fall.

Es kann nämlich kein vernünftiger Zweifel darüber bestehen, daß ein Vertragsarzt nicht berechtigt ist, für (behauptete oder auch tatsächlich bestehende) qualitative Unterschiede bei einer bestimmten ärztlichen Behandlungsweise zur Diagnose oder Therapie von Krankheiten bzw zur Schwangerschaftsdiagnostik, die in seiner Praxis verfügbar ist, von ihm fachlich beherrscht wird sowie erbracht werden darf und für die der EBM-Ä eine Gebühren-Nr enthält (hier Nr 381 EBM-Ä) und die daher zum Gegenstand der vertragsärztlichen Versorgung gehört, von Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung private Zahlungen zu beanspruchen (vgl §§ 2 Abs 1 und Abs 2 Satz 1, § 3 SGB V im Leistungsrecht sowie §§ 70 Abs 1, 72 Abs 1 Satz 1 und Abs 2, 81 Abs 3, 95 Abs 3 SGB V im Kassenarztrecht). Erst recht kann nicht ernsthaft zweifelhaft sein, daß – wie hier – das systematische Verlangen einer „Zuzahlung” (so ausdrücklich die in der Praxis ausgelegte Patientinnen-Information) als Gegenleistung für die Erbringung einer ärztlichen Leistung – dh zusätzlich zu einer von der KÄV entgegengenommenen vertragsärztlichen Honorierung – einen Pflichtverstoß des Vertragsarztes begründet und daher im Wege des Disziplinarrechts sanktioniert werden kann (§§ 75 Abs 2 Satz 2, 81 Abs 5 SGB V). Gegenteilige Regelungen, die das Zuzahlungsverlangen eines Vertragsarztes ausdrücklich erlauben, existieren nur für Massagen, Bäder und Krankengymnastik (vgl § 18 Abs 3 Satz 1 BMV-Ä, § 21 Abs 3 Satz 1 EKV-Ä, § 32 Abs 2 Satz 3 SGB V).

Zu Recht haben die Vorinstanzen darauf hingewiesen, daß weder der Wortlaut der mit 400 Punkten bewerteten Nr 381 EBM-Ä „Sonographische Untersuchung eines oder mehrerer Uro-Genitalorgane mittels Real-Time-Verfahren ≪B-Mode≫, einschl Bilddokumentation, je Sitzung”), für die ein Zuschlag von 150 Punkten nach Nr 388 bei transkavitärer Untersuchung vorgesehen ist, noch die einleitenden Bestimmungen zu den Nrn 375 ff EBM-Ä darauf abstellen, welches konkrete Untersuchungsgerät bei der ärztlichen Behandlung verwendet worden ist (zur Maßgeblichkeit von Wortlaut und – ergänzend – systematischem Zusammenhang für die Auslegung von Leistungslegenden vgl zuletzt BSG SozR 3-5533 Nr 115 Nr 1 S 3; Nr 1460 Nr 1 S 2; Nr 2449 Nr 1 S 3; SozR 3-2500 § 87 Nr 2 S 5 sowie aaO Nr 5 S 22 f). Auf Bauart, Wirkungsweise oder Effizienz des vom Arzt eingesetzten Ultraschallgerätes kommt es nach dem Inhalt der Gebührenposition nicht an. Die vom Kläger mit besonderen Geräten durchgeführten Untersuchungen gehören mithin zweifellos zu den in vertragsärztlichen Versorgung abrechenbaren Leistungen. Davon geht er letztlich selbst aus, weil er insoweit zugleich auch Honoraranforderungen an die Beklagte gestellt hat und lediglich die unzureichende Bewertung im EBM-Ä beanstandet. Eine – behauptete – fehlende Kostendeckung bei einer einzelnen ärztlichen Leistung läßt es nach der Rechtsprechung des Senats allerdings regelmäßig nicht zu, von außen in die Vertragsgebührenordnungen einzugreifen, die ein als ausgewogen zu unterstellendes Tarifgefüge bilden (vgl zB BSG SozR 3-5533 Nr 763 Nr 1, S 3 f mwN; BSG vom 26. Januar 2000 – B 6 KA 59/98 R, S 10). Es ist vielmehr nach § 87 Abs 2 SGB V Aufgabe des paritätisch aus Vertretern der Vertragsärzte und der Krankenkassen zusammengesetzten Bewertungsausschusses, den Inhalt der abrechnungsfähigen Leistungen und ihr wertmäßiges, in Punkten ausgedrücktes Verhältnis zueinander festzulegen. Dazu gehört es ausdrücklich auch, den Bewertungsmaßstab in bestimmten Zeitabständen daraufhin zu überprüfen, ob die Leistungsbeschreibungen und ihre Bewertungen noch dem Stand der medizinischen Wissenschaft und Technik sowie dem Erfordernis der Rationalisierung im Rahmen wirtschaftlicher Leistungserbringung entsprechen.

Da nach den mit der Beschwerde nicht angegriffenen und daher für den Senat bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG auch keine Fälle vorlagen, in denen Versicherte vor Beginn der Behandlung ausdrücklich verlangt haben, auf eigene Kosten behandelt zu werden, und dies dem Vertragsarzt schriftlich bestätigt haben (§ 18 Abs 1 Nr 2 BMV-Ä, § 21 Abs 1 Nr 2 BMV-Ä), war der Kläger ersichtlich nicht befugt, die streitbefangenen Leistungen eigenmächtig teilweise aus dem Katalog der von ihm erbrachten vertragsärztlichen Leistungen „auszugliedern”. Weitere Revisionszulassungsgründe nach § 160 Abs 2 Nr 2 und Nr 3 iVm § 160a Abs 2 Satz 3 SGG werden in der Beschwerde nicht bezeichnet.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 und 4 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1175797

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