Entscheidungsstichwort (Thema)

Abänderung gerichtlicher Unterhaltsentscheidungen, § 238 FamFG: Einkünfte aus Nebentätigkeiten; wesentliche Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse bei aufgegliedertem Gesamtunterhaltsanspruch; amtswegiges Bezifferungsgebot

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Zurechnung von Einkünften aus Nebentätigkeiten einer Unterhaltspartei beurteilt sich unter Berücksichtigung des Einzelfalls nach Treu und Glauben. Insoweit ist zunächst zu prüfen, ob es sich um Einkünfte aus einer nachhaltig erzielten, dauerhaften und damit zumutbaren oder aus einer überobligationsmäßigen, jederzeit beendbaren und damit unzumutbaren Tätigkeit handelt. Trifft letzteres zu, ist nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung des konkreten Einzelfalles in einem zweiten Schritt abzuwägen, ob und wenn ja in welcher Höhe das überobligatorisch erzielte Einkommen für die Unterhaltsberechnung herangezogen wird (vgl. Wendl/Gerhardt UnterhaltsR, 10. Aufl., § 1 Rn. 802 m.w.N.).

2. Im Rahmen der Bedarfsbemessung beim Ehegattenunterhalt sind Nebeneinkünfte nicht für die Bestimmung der ehelichen Lebensverhältnisse heranzuziehen, wenn sie während des Zusammenlebens nicht zum Familienunterhalt zur Verfügung standen und der Unterhaltsberechtigte sonst nachehelich besser stünde, als er während der Ehezeit mit dem Unterhaltspflichtigen stand (vgl. Wendl/Dose UnterhaltsR, § 1 Rn. 99 m.w.N.).

3. Für das Erreichen der Wesentlichkeitsschwelle des § 238 Abs. 4 FamFG ist bei bereits in mehrere Unterhaltsbestandteile (hier Elementar-, Altersvorsorge- und Krankenvorsorgeunterhalt) aufgeteiltem abzuändernden Unterhalt der Veränderungsbetrag bei dem bindend (§ 308 ZPO) geltend gemachten neuen Gesamtunterhaltsanspruch maßgeblich, nicht hingegen bei den einzelnen Unterhaltsbestandteilen.

4. Ist ein Unterhaltsbestandteil entfallen, so sind die verbliebenen Bestandteile wegen des sich aus ihren unterschiedlichen Zweckbindungen herleitenden amtswegigen Bezifferungsgebotes für die verfahrensgegenständliche Zeit neu aufzugliedern und zu tenorieren.

5. Die Kosten der Prozess-/Verfahrensführung i.S. des § 115 Abs. 4 ZPO für vorhergehende Instanzen bleiben bei der Vier-Raten-Regelung dieser Bestimmung unberücksichtigt, soweit die Partei/der Beteiligte für vorhergehende Instanzen Prozesskosten-/Verfahrenskostenhilfe ohne Ratenzahlungsverpflichtung bewilligt erhalten hat (vgl. Schultzky in: Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, § 115 ZPO, Rn. 100).

Tenor

 

Verfahrensgang

AG Neuruppin (Aktenzeichen 53 F 45/14)

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird in Abänderung des Beschlusses des Amtsgerichts Neuruppin vom 24.02.2015 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 19.03.2015 der Abänderungsantrag der Antragstellerin abgewiesen, mit der Maßgabe, dass sich der im Ausgangsbeschluss des Amtsgerichts Neuruppin vom 17.05.2011 - 53 F 158/09 - genannte Gesamtunterhalt von 1137,64 ab 08/2013 aufteilt in einen Elementarunterhalt von 916 EUR und einen Krankenvorsorgeunterhalt von 221,64 EUR.

Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens beider Instanzen zu tragen.

Wert des Beschwerdeverfahrens: bis 3 000 EUR.

II. Der Antrag der Antragstellerin auf Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgewiesen.

 

Gründe

I. Der beschwerdeführende Antragsgegner wendet sich gegen die Abänderung eines zu Gunsten der Antragstellerin lautenden Titels auf Trennungsunterhalt.

Die am 03.01.1957 geborene Antragstellerin und der am 07.08.1957 geborene Antragsgegner schlossen am 24.08.1984 die Ehe, sind Eltern eines volljährigen Kindes und trennten sich am 23.08.2008. Die Scheidung wurde am 12.06.2015 rechtskräftig.

Mit Beschluss vom 17.05.2011 hat das Amtsgericht Neuruppin (53 F 158/09) den Antragsgegner ausgehend von einem monatlichen Nettoverdienst von 2.696,83 EUR bei ihm und fiktiven Einkünften von 400 EUR bei der Antragstellerin verpflichtet, an diese ab Januar 2010 auf der Grundlage eines monatlichen Gesamtunterhaltsanspruchs von 1.137,64 EUR Trennungsunterhalt zu zahlen, und zwar 783 EUR Elementar-, 197 EUR Altersvorsorge- und 157 EUR Krankenvorsorgeunterhalt (vgl. 325).

Die Antragstellerin hat in Ansehung eines gestiegenen Nettoverdienstes beim Antragsgegner, ihm zugeflossener Steuererstattungen und berücksichtigungsfähiger Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit zunächst unter Beibehaltung eines bei ihr unveränderten fiktiven Einkommens und zuletzt unter alleinigem Ansatz einer Rente von monatlich 740,91 EUR wegen voller Erwerbsminderung die Heraufsetzung des Gesamtunterhaltsanspruchs ab August 2013 begehrt, wegen weggefallener Krankenversicherungspflicht allerdings nur noch aufgeteilt in Elementar- und Altersvorsorgeunterhalt.

Der Antragsgegner hat den Antrag wegen fehlender Darstellung der Ausgangslage bei Titulierung für unzulässig und die Voraussetzungen für eine Abänderung im Übrigen für nicht gegeben erachtet.

Mit dem angefochtenen Beschluss (209 ff) und dessen Berichtigungsbeschluss (230 ff), auf die der Senat wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanz...

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