Gesetzestext

 

(1) 1Der Verwalter, der durch ein nach Artikel 3 Absatz 1 zuständiges Gericht bestellt worden ist, darf im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats alle Befugnisse ausüben, die ihm nach dem Recht des Staates der Verfahrenseröffnung zustehen, solange in dem anderen Staat nicht ein weiteres Insolvenzverfahren eröffnet ist oder eine gegenteilige Sicherungsmaßnahme auf einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens hin ergriffen worden ist. 2Er kann insbesondere vorbehaltlich der Artikel 5 und 7 die zur Masse gehörenden Gegenstände aus dem Gebiet des Mitgliedstaats entfernen, in dem sich die Gegenstände befinden.

(2) 1Der Verwalter, der durch ein nach Artikel 3 Absatz 2 zuständiges Gericht bestellt worden ist, darf in jedem anderen Mitgliedstaat gerichtlich und außergerichtlich geltend machen, daß ein beweglicher Gegenstand nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens aus dem Gebiet des Staates der Verfahrenseröffnung in das Gebiet dieses anderen Mitgliedstaats verbracht worden ist. 2Des weiteren kann er eine den Interessen der Gläubiger dienende Anfechtungsklage erheben.

(3) Bei der Ausübung seiner Befugnisse hat der Verwalter das Recht des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet er handeln will, zu beachten, insbesondere hinsichtlich der Art und Weise der Verwertung eines Gegenstands der Masse. Diese Befugnisse dürfen nicht die Anwendung von Zwangsmitteln oder das Recht umfassen, Rechtsstreitigkeiten oder andere Auseinandersetzungen zu entscheiden.

1. Art. 18 Abs. 1

 

Rn 1

Der Hauptinsolvenzverwalter darf im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates alle Befugnisse ausüben, die ihm nach dem Recht des Staates der Verfahrenseröffnung (lex fori concursus) zustehen, Art. 18 Abs. 1. Mit der Anerkennung der Verfahrenseröffnung gelten auch die Rechte des Insolvenzverwalters gemäß der jeweiligen lex fori concursus in allen anderen Mitgliedstaaten automatisch.

 

Rn 2

Der Hauptinsolvenzverwalter kann die zur Masse gehörenden Gegenstände aus dem Gebiet eines Mitgliedsstaates entfernen, in dem sich die Gegenstände befinden (Art. 18 Abs. 1 Satz 2). Dies gilt vorbehaltlich der Art. 5 und 7. Das Recht, die Gegenstände zu entfernen, kann für eine effektive Verwaltung erforderlich sein, weil mit der Verfahrenseröffnung das gesamte Vermögen des Schuldners EU-weit erfasst wird und der Insolvenzverwalter auch für diese Gegenstände Sorge zu tragen hat.[1]

[1] FK-Wimmer Anhang 1 Rn. 101.

2. Art. 18 Abs. 2

 

Rn 3

Die in Art. 18 Abs. 2 genannten Befugnisse eines Territorialinsolvenzverwalters könnten schon aus der Grundregel des Art. 4 abgeleitet werden. Der Territorialinsolvenzverwalter darf in jedem anderen Mitgliedstaat die Massezugehörigkeit von Gegenständen, die nach Verfahrenseröffnung aus dem Verfahrensstaat verbracht wurden, gerichtlich und außergerichtlich geltend machen. Er ist außerdem zur Erhebung einer den Gläubigerinteressen dienenden Anfechtungsklage berechtigt.

3. Art. 18 Abs. 3

 

Rn 4

Bei Ausübung seiner Befugnisse hat der Insolvenzverwalter das jeweilige Ortsrecht zu beachten, Art. 18 Abs. 3. Dies gilt insbesondere für die Art und Weise der Verwertung von Massegegenständen.

 

Rn 5

Die Art der Verwertung richtet sich nach der lex fori concursus. Die Durchführung der Verwertung erfolgt hingegen nach dem Recht, in dem die Vermögensgegenstände belegen sind (lex rei sitae).

 

Rn 6

 

Beispiel[2]

In der Insolvenz eines englischen Schuldners entscheidet das englische Insolvenzrecht als lex fori concursus darüber, ob der Gegenstand freihändig oder nur durch öffentliche Versteigerung verwertet werden darf. Ist hiernach eine öffentliche Versteigerung erforderlich und erfolgt diese Versteigerung in Deutschland, so unterliegt ihre Durchführung den Vorgaben des deutschen Rechts.

 

Rn 7

Wenn Zwangsmaßnahmen zur Insolvenzabwicklung gegenüber Personen oder Gegenständen in einem anderen Mitgliedstaat geboten sind, bleibt der Verwalter auf die Mithilfe der Behörden in dem betreffenden Staat angewiesen. Art. 18 Abs. 3 Satz 2 beschränkt die Befugnisse des Insolvenzverwalters nämlich dahingehend, dass er keine Zwangsmittel anwenden darf. Die zuständigen örtlichen Stellen sind jedoch aufgrund der Anerkennungswirkung zur Mithilfe verpflichtet.

 

Rn 8

Eine Möglichkeit, die Inanspruchnahme ausländischer Stellen zur Vollstreckung zu vermeiden, besteht sicherlich darin, mit dem Schuldner oder einem ausländischen Gläubiger zusammenzuarbeiten. In dem ersten Fall kann der Schuldner dem Insolvenzverwalter eine Vollmacht bzw. Genehmigung zur Einziehung des im Ausland belegenen Vermögens erteilen.[3] Eine zweite Möglichkeit kann darin gesehen werden, dass der ausländische Gläubiger selbst vollstreckt und den Erlös unter Erstattung seiner Aufwendungen an den Insolvenzverwalter abführt.

[2] Nach Leible/Staudinger, KTS 2000, 533 (562).
[3] Trunk, Internationales Insolvenzrecht, S. 157.

4. Aufsatzliteratur

 

Rn 9

Paulus, Die europäische Insolvenzverordnung und der deutsche Insolvenzverwalter, NZI 2001, 505

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