Rn 15

Die Pfändbarkeit von Forderungen und sonstigen Rechten bestimmt sich nach §§ 828 - 863 ZPO. Im Folgenden werden nur die für das Insolvenzverfahren wesentlichen Pfändungsverbote dargestellt.

3.2.1 Arbeitseinkommen und gleichgestellte Einkünfte

 

Rn 16

Die wichtigsten Pfändungsschutzvorschriften bei Forderungen und sonstigen Rechten betreffen das Arbeitseinkommen und gleichgestellte Einkünfte. In der Praxis werden diese Zahlungen fast durchgehend unbar auf ein Girokonto des Schuldners gezahlt. Kontopfändungen führten dadurch häufig dazu, dass Schuldner durch die Blockade des Kontos trotz des Pfändungsschutzes nicht mehr am Wirtschaftsleben teilnehmen konnten, die Bankverbindungen gekündigt wurden und die Schuldner dadurch trotz laufender Einkünfte teilweise auf staatliche Transferleistungen angewiesen waren.[33] Seit Inkrafttreten des KtoPfRefG[34] kann der Schuldner ein sog. Pfändungsschutzkonto (P-Konto) beantragen, auf dem ihm der unpfändbare Sockelbetrag unabhängig von einer Pfändung zur freien Verfügung verbleibt.[35] Der bis dahin bestehende Kontopfändungsschutz über § 850k ZPO, § 76a EStG und § 55 SGB I blieb zunächst weiter – subsidiär – bestehen, um die praktische Entwicklung der Pfändungsschutzkonten abzuwarten. Zum 31. 12. 2011 lief der bisherige Kontenpfändungsschutz aus, so dass Pfändungsschutz für laufende Einkünfte nur noch über das P-Konto gewährt wird.[36] Durch die Neufassung des § 850l ZPO änderte sich zum 1.1.2012 auch der Wortlaut des § 36 Abs. 1 Satz 2.[37]

[33] Gesetzesbegründung: BR-Drucks. 661/07, S. 1.
[34] Gesetz zur Reform des Kontopfändungsschutzes (KtoPfRefG) v. 7. 7.2009, BGBl. I S. 1707; nachgebessert durch BT-Beschluss vom 24.2.2011 zur sog. "Monatsanfangsproblematik". Begründung: BT-Drucks 17/4776, S. 1; siehe auch: BGH, Beschl. v. 14. 7.2011, VII ZBV 85/10, ZInsO 2011, 2145; AG Köln, Urt. v. 11. 10. 2010 – 142 C 441/10, ZIP 2011, 168.
[35] Bitter, ZIP 2011, 149; Staufenbiel/Karlstedt, Insbüro, 2011,173; du Carrois, Insbüro 2009, 423 ff.; ders., ZInsO 2010, 2276 ff.; Ahrens, ZInsO 2010, 2357 ff; Büchel, ZInsO 2010, 20 ff.
[36] KtoPfRefG, Art. 7.
[37] Synopse mit Erläuterung bei: Deppe, Insbüro 2011, 50, 53 f.

3.2.2 Nicht übertragbare Rechte

 

Rn 17

Forderungen und sonstige Rechte sind nur pfändbar und daher Teil der Insolvenzmasse soweit sie übertragbar sind (§ 851 Abs. 1 ZPO; ggf. i.V.m. § 857 Abs. 3-5 ZPO). Ein Recht ist grundsätzlich nicht übertragbar, wenn seine Abtretung kraft Gesetzes oder nach der Natur des zugrundeliegenden Rechtsverhältnisses verboten ist, wenn ein Wechsel der Gläubiger den Inhalt der Leistung verändern oder ein Gläubigerwechsel eine rechtlich gesicherte Zweckbindung vereiteln würde.[38] Dieser Grundsatz ist allerdings nicht schematisch anzuwenden, sondern immer an der jeweiligen Funktion der Regelung zu überprüfen.[39]

 

Rn 18

Höchstpersönliche Rechte sind nicht übertragbar und fallen nicht in die Insolvenzmasse.[40] Höchstpersönlichhkeit kann sich sowohl aus dem Gesetz wie auch aus der Natur des Rechtsverhältnisses ergeben.[41] Gesetzlich nicht übertragbar, sind auch Rechte, bei denen die Leistung an einen anderen den Inhalt der Leistung verändern würde (§ 399 Var. 1 BGB).[42] Diese Rechte sind der Zwangsvollstreckung unterworfen, wenn sie sich auf einen pfändbaren Gegenstand beziehen (§ 851 Abs. 2 ZPO).[43]

 

Rn 19

Außerdem ist die rechtlich gesicherte Zweckbindung seit langem als Pfändungshindernis anerkannt, sofern die Pfändung den Zweck vereiteln würde.[44] Zweck in diesem Sinne ist ein zum Rechtsinhalt gehörender Anspruchszweck, der nicht stets ausdrücklich gesetzlich vorgesehen sein muss, sondern sich ebenfalls aus der Natur des Rechtsverhältnisses ergeben kann.[45] Die Abgrenzung ist nicht immer eindeutig und im Einzelfall schwer zu treffen. Der Insolvenzverwalter kann den Gegenstand im Rahmen der Zweckbindung verwenden.[46]

[38] BGH, Beschl. v. 25.3.1999 – IX ZR 223/97, ZIP 1999, 621, 625; Prütting/Gehrlein ZPO-Ahrens, § 851 Rn. 2.
[39] Prütting/Gehrlein ZPO-Ahrens, § 851 Rn. 2.
[40] Uhlenbruck-Hirte, § 36 Rn. 4, 5.
[42] Uhlenbruck-Hirte, § 36 Rn. 10.
[43] Die Verweisung in § 851 Abs. 2 ZPO dürfte sich trotz des Wortlautes nur auf § 399 Var. 1 BGB beziehen; Var. 2 bezieht sich auf eine vereinbarte Unübertragbarkeit, die in der Zwangsvollstreckung keine Wirkung hat (siehe Rn. 21).
[44] BGH, Beschl. v. 5. 11. 2004 – IXa ZB 17/04, NJW-RR 2005, 720; BGH, Beschl. v. 8. 11. 2007 – IX ZB 221/03, DZWIR 2008, 125; Prütting/Gehrlein ZPO-Ahrens, § 851 Rn. 2.
[46] Meller-Hanich, KTS 2000, 37, 54 f.

3.2.3 Erweiterte Pfändbarkeit

 

Rn 20

Neben den ausdrücklichen Pfändungsverboten gibt es in der Einzelzwangsvollstreckung bestimmte Normen, die die Pfändung nur für bestimmte Gläubiger erweitern wie z.B. für Gläubiger von Unterhaltsansprüchen (§ 850d ZPO) oder Deliktforderungen (§ 850f Abs. 2 ZPO). Diese Vorschriften beruhen im Wesentlichen auf der erhöhten oder verminderten Schutzbedürftigkeit der Gläubiger. Das Insolvenzverfahren dient...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Steuer Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge