Entscheidungsstichwort (Thema)

Anrechnung des während der Dauer des Wettbewerbsverbots erhaltenen Arbeitslosengeldes auf die Karenzentschädigung des ausgeschiedenen GmbH-Geschäftsführers

 

Leitsatz (amtlich)

Der Geschäftsführer einer GmbH, der durch ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot gebunden und während der Karenzzeit arbeitslos ist, muß sich das erhaltene Arbeitslosengeld auf die Karenzentschädigung anrechnen lassen, falls die GmbH nach AFG § 128a verpflichtet ist, der Bundesanstalt für Arbeit das Arbeitslosengeld zu erstatten.

 

Verfahrensgang

OLG Köln (Entscheidung vom 28.09.1989; Aktenzeichen 1 U 31/89)

LG Köln (Entscheidung vom 26.01.1989; Aktenzeichen 15 O 799/87)

 

Tatbestand

Der Kläger war Gesellschafter mit einem Geschäftsanteil von 5.000,– DM und Geschäftsführer der verklagten GmbH. Nach § 5 Abs. 3 seines Dienstvertrages durfte er für einen Zeitraum von zwei Jahren nach seinem Ausscheiden im Gebiet der Regierungsbezirke K. und D. keine Makler- oder branchenverwandte Tätigkeit ausüben. Als Karenzentschädigung sollten ihm 50% seiner zuletzt bezogenen Dienstbezüge zustehen. Der Kläger bezog jährlich dreizehn Bruttogehälter in Höhe von je 5.500,– DM.

Am 19. Dezember 1984 legte der Kläger anläßlich einer Gesellschafterversammlung sein Amt als Geschäftsführer nieder. Sein Dienstverhältnis wurde zum 31. März 1985 beendet. Der Kläger macht für die Zeit vom 1. April 1985 bis 31. März 1987 eine Karenzentschädigung in Höhe von 71.500,– DM (50% von 26 × 5.500,– DM) geltend.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben; das Berufungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag weiter, die Klage abzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

1. Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben, weil sie der Meinung waren, daß das Wettbewerbsverbot wirksam vereinbart sowie später weder durch Verzicht noch einvernehmlich beendet worden ist. Diese Beurteilung ist rechtlich einwandfrei.

Die Revision steht zu Unrecht auf dem Standpunkt, daß das Verbot gemäß § 138 BGB nichtig sei. Nach ihrer Ansicht haben die schutzwerten Interessen der Beklagten kein totales Wettbewerbsverbot für die Dauer von zwei Jahren gefordert; eine Mandanten- und Objektschutzklausel hätte völlig ausgereicht. In diesem Punkt mag die Revision recht haben. Gleichwohl ist das Wettbewerbsverbot wirksam, weil es die wirtschaftliche Betätigung des ausgeschiedenen Geschäftsführers nicht unbillig erschwerte. Denn verboten war ihm lediglich eine Makler- und branchenverwandte Tätigkeit. Eine solche hatte der Kläger aber weder in Diensten der Beklagten noch vorher jemals ausgeübt, so daß er den Beschäftigungen, denen er bisher nachgegangen war, auch in Zukunft jederzeit nachgehen konnte.

Im übrigen weist die Revisionserwiderung zutreffend darauf hin, daß bei einseitigen Verstößen gegen die guten Sitten der anstößig Handelnde sich später nicht auf sein eigenes sittenwidriges Verhalten zum Nachteil des Ausgebeuteten berufen kann (vgl. BGH, Urt. v. 10. Februar 1972 - III ZR 208/70, WM 1972, 486, 488). Das gilt im vorliegenden Falle auch für die Beklagte.

Daß das Wettbewerbsverbot einvernehmlich aufgehoben worden sei oder die Beklagte einseitig darauf verzichtet habe, hat das Berufungsgericht nicht festzustellen vermocht. Auch diese Beurteilung ist rechtlich einwandfrei.

2. Mit Erfolg wendet sich die Revision dagegen, daß das Berufungsgericht der Frage keine Bedeutung beigemessen hat, ob die Beklagte verpflichtet ist, der Bundesanstalt für Arbeit das Arbeitslosengeld zu erstatten, das dem Kläger für die Zeit vom 15. April 1985 bis 28. Januar 1986 in Höhe von 27.143,57 DM und 2.903,40 DM sowie für die Zeit vom 29. Januar 1986 bis 11. Dezember 1986 in Höhe von 33.761,09 DM (GA 164) gezahlt worden ist.

a) Die Zahlung des Arbeitslosengeldes hat nicht dazu geführt, daß in entsprechender Höhe der Anspruch auf Karenzentschädigung nach § 115 Abs. 1 SGB X auf die Bundesanstalt überging. Denn nach dieser Bestimmung geht nur der Anspruch auf das Arbeitsentgelt über. Arbeitsentgelte sind nach § 14 SGB IV alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung (vgl. BSG, Urt. v. 13. März 1990 - XI RAr 1/88, BB 1990, 2268); gemäß § 117 Abs. 4 Satz 1 AFG in Verbindung mit den Absätzen 1 und 2 dieser Bestimmung zählen dazu die Urlaubsabgeltung sowie Abfindungen, Entschädigungen und ähnliche Leistungen, die anläßlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlt werden. Karenzentschädigungen gehören nicht dazu. Bei ihnen handelt es sich um Gegenleistungen für ein Unterlassen, also um Entgelte für die Nichtausübung einer Tätigkeit (vgl. BAG, Urt. v. 25. Juni 1985 - 3 AZR 305/83, DB 1986, 127, 128; BSG, Urt. v. 9. November 1989 - XI RAr 75/88, ZIP 1990, 598, 600). Damit entfällt ein Forderungsübergang, ist der Kläger Inhaber seiner Forderung geblieben.

b) Das Arbeitslosengeld, das der Kläger erhalten hat, muß er sich auf seine Karenzentschädigung nicht nach § 74c HGB anrechnen lassen. Nach dieser Bestimmung mindert anderweitiger Erwerb die Karenzentschädigung, auf die ein Handlungsgehilfe Anspruch hat. Das Bundesarbeitsgericht wendet diese Bestimmung entsprechend an, wenn ein Arbeitnehmer, der durch ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot gebunden und während der Karenzzeit arbeitslos ist, Arbeitslosengeld erhält (aaO). Diese Regelung läßt sich jedoch nicht auf die Karenzentschädigung eines ausgeschiedenen Geschäftsführers übertragen. Dessen Wettbewerbsverbot unterliegt nicht den für Handlungsgehilfen geltenden Beschränkungen (vgl. BGHZ 91, 1); er muß sich auf seine Karenzentschädigung anderweitigen Erwerb nur anrechnen lassen, wenn dies ausdrücklich vereinbart oder anderweitig gesetzlich geregelt ist. Eine solche gesetzliche Regelung enthält § 128a AFG.

c) Nach dieser Bestimmung hat der bisherige Arbeitgeber der Bundesanstalt für Arbeit das für die Dauer des Wettbewerbsverbots gezahlte Arbeitslosengeld zu erstatten, wenn der Arbeitslose durch eine Vereinbarung mit dem Arbeitgeber in seiner beruflichen Tätigkeit als Arbeitnehmer beschränkt ist. Diese Regelung gilt nicht nur für Arbeitsverhältnisse, erfaßt vielmehr auch das Dienstverhältnis eines GmbH-Geschäftsführers, sofern dieser nicht aufgrund seiner Beteiligung die Gesellschaft beherrscht oder faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte der Gesellschaft nach eigenem Gutdünken führt (BSG, Urt. v. 13. März 1990 - XI RAr 1/88, BB 1990, 2268f). Die Erstattungspflicht ist auch unabhängig davon, ob die GmbH ihrem ehemaligen Organ eine Karenzentschädigung schuldet. Die Überwälzung der Folgekosten des durch eine Wettbewerbsabrede in seiner beruflichen Tätigkeit beschränkten arbeitslosen Arbeitnehmers rechtfertigt sich aus dem Umstand, daß derartige Wettbewerbsabreden allein im Interesse des bisherigen Arbeitgebers die Wiedereingliederung des Arbeitslosen erschweren. Aus diesem Grunde soll nicht die Gemeinschaft aller Beitragszahler mit diesem Risiko belastet werden. Die Erhöhung dieses Vermittlungsrisikos, vor dem der Gesetzgeber die versicherte Gemeinschaft schützen will, ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts bereits dann zu bejahen, wenn die Erschwernis der Vermittlung typischerweise eintreten kann, ohne daß es auf das Ausmaß der Erhöhung des Vermittlungsrisikos ankommt (BSG, Urt. v. 9. November 1989 - XI RAr 75/88, ZIP 1990, 598, 600; v. 13. März 1990 - XI RAr 1/88, BB 1990, 2268, 2269). Den Arbeitgeber trifft allerdings in Höhe des Arbeitslosengeldes keine Doppelverpflichtung. Hat der Arbeitnehmer wegen des Wettbewerbsverbots einen Anspruch auf Karenzentschädigung, so muß er sich auf diese nach § 128a Satz 3 AFG das Arbeitslosengeld, das der Arbeitgeber erstattet, wie Arbeitsentgelt anrechnen lassen. Diese Bestimmung soll – wie das Berufungsgericht zutreffend sieht – eine Doppelbegünstigung des Arbeitnehmers zu Lasten des Arbeitgebers verhindern.

Gleichwohl hat nach Meinung des Berufungsgerichts die Erstattungspflicht der Beklagten gegenüber der Bundesanstalt für den Anspruch des Klägers keine Bedeutung. Das Berufungsgericht legt § 128a Satz 3 AFG in dem Sinne aus, daß nicht schon die Erstattungspflicht dazu führt, daß der Anspruch auf Karenzentschädigung gekürzt wird; vielmehr soll erst die Zahlung die Kürzung bewirken.

In diesem Punkt hat das Berufungsgericht die Regelung mißverstanden. Zwar heißt es im § 128a Satz 3 AFG, daß der Arbeitnehmer sich das Arbeitslosengeld anrechnen lassen muß, das der Arbeitgeber erstattet. Gemeint ist mit dieser Regelung aber, daß angerechnet wird, was zu erstatten ist. Daß der Gesetzgeber das Wort „erstatten” im Sinne einer Verpflichtung benutzt, ergibt sich aus § 128a Satz 1 AFG, wo es heißt, daß bei Bestehen eines Wettbewerbsverbots der Arbeitgeber der Bundesanstalt das Arbeitslosengeld erstattet. Diese Regelung stellt nicht auf einen Zahlungsvorgang ab, sondern macht dem Arbeitgeber die Erstattung zur Pflicht. Steht fest, daß der Arbeitgeber erstattungspflichtig ist, so ist kein Grund ersichtlich, weshalb der Arbeitnehmer seinen Anspruch auf Karenzentschädigung unverkürzt sollte durchsetzen können. Die gesetzliche Regelung bringt klar zum Ausdruck, daß dem Arbeitnehmer die Karenzentschädigung und das Arbeitslosengeld nicht zu Lasten des Arbeitgebers kumulativ zustehen sollen; deshalb kann dieser auch nicht kumulativ verpflichtet sein. Vielmehr ist es sachgerecht, die Verpflichtung des Arbeitgebers von vornherein in der Weise zu beschränken, daß sich der Anspruch auf Karenzentschädigung in dem Maße verringert, in dem eine Erstattungspflicht besteht. Da das Berufungsgericht das Verfahren nicht nach § 148 ZPO ausgesetzt und die Entscheidung des Sozialgerichts abgewartet hat, hatte es selbst darüber zu entscheiden, ob die Beklagte der Bundesanstalt erstattungspflichtig ist. Die Sache wird zurückverwiesen, damit das Berufungsgericht die Entscheidung nachholen kann.

 

Fundstellen

BB 1991, 1640

BB 1991, 1640 (LT)

DB 1991, 1508-1509 (LT)

DStR 1991, 720-721 (KT)

SteuerBriefe 1992, 140-141 (KT)

GmbH-Rdsch 1991, 310-311 (LT)

LM GmbHG § 35, Nr. 26 (LT)

BGH aktuell 1991, Nr. 21, 9-10 (LT)

BGHR GmbHG § 35, Wettbewerbsverbot 2 (LT)

BGHWarn 1991, Nr. 137 (LT)

NJW-RR 1991, 993-994 (LT)

EWiR 1991, 625 (L)

NZA 1991, 615-616 (LT)

ZIP 1991, 797

ZIP 1991, 797-798 (LT)

DBlR 3784 AFG, § 128a (LT)

EzA AFG Nr. 1, § 128a (LT)

EzA HGB § 74c, Nr. 31 (L)

MDR 1991, 1046 (LT)

SGb 1992, 160 (L)

GmbHR 1991, 310

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