Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterhaltsanspruch der Mutter eines nicht ehelichen Kindes
Leitsatz (amtlich)
Der dem Unterhaltsschuldner im Rahmen seiner Leistungsfähigkeit für einen Unterhaltsanspruch aus Anlass der Geburt nach § 1615l Abs. 2 BGB zu belassende Selbstbehalt ist nicht generell mit dem Betrag zu bemessen, der als angemessener Selbstbehalt ggü. Unterhaltsansprüchen volljähriger Kinder im Rahmen des Verwandtenunterhalts gilt.
Wegen der weit gehenden Angleichung an Unterhaltsansprüche geschiedener Ehegatten nach § 1570 BGB einerseits und dem Nachrang ggü. Unterhaltsansprüchen minderjähriger Kinder andererseits ist der Selbstbehalt vielmehr i.d.R. mit einem Betrag zu bemessen, der zwischen dem angemessenen Selbstbehalt nach § 1603 Abs. 1 BGB und dem notwendigen Selbstbehalt nach § 1603 Abs. 2 BGB liegt.
Normenkette
GG Art. 6 Abs. 4; ErbStG § 10 Abs. 1 StKl I Nr. 2 Buchst. D; BGB §§ 1581, 1609 Abs. 1-2, § 1603 Abs. 1-2, § 1615l Abs. 2-3, §§ 1570, 1609 Abs.1, § 1615 l Abs. 2-3
Verfahrensgang
OLG Düsseldorf (Urteil vom 13.12.2002; Aktenzeichen 3 UF 108/02) |
AG Emmerich |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 3. Senats für Familiensachen des OLG Düsseldorf v. 13.12.2002 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das OLG zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin verlangt von dem Beklagten Unterhalt nach § 1615l BGB aus Anlass der Geburt eines Kindes.
Der Beklagte ist Vater der am 16.7.2001 geborenen Tochter der Klägerin. Er hat seine Unterhaltspflicht für das Kind i.H.v. 100 % des jeweiligen Regelbetrages abzgl. eines nach Anrechnung gem. § 1612b Abs. 5 BGB noch verbleibenden Kindergeldanteils anerkannt.
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts erzielte der Beklagte mindestens monatliche anrechenbare Einkünfte i.H.v. zuletzt 1.227 EUR. Auf den Unterhaltsanspruch der Klägerin, die in der fraglichen Zeit lediglich über Erziehungsgeld verfügte, zahlte er für den Zeitraum von Juli 2001 bis Januar 2002 insgesamt 728,31 EUR. In einer vollstreckbaren Urkunde verpflichtete er sich, an sie für die Zeit ab Februar 2002 bis längstens 15.7.2004 monatlich 107 EUR Unterhalt zu zahlen.
Das AG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung, mit der die Klägerin weitere Unterhaltsrückstände und ab Februar 2002 einen weiteren, über den titulierten Betrag hinausgehenden Unterhalt von ca. 167 EUR monatlich begehrt, blieb erfolglos. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr zweitinstanzliches Begehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg und führt zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.
I.
Das OLG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen, weil dem Beklagten nach Abzug des gem. § 1615l Abs. 3 S. 3 BGB vorrangig zu berücksichtigenden Kindesunterhalts und des gezahlten bzw. titulierten Unterhalts für die Klägerin kein weiterer Betrag verbleibe, der seinen angemessenen Selbstbehalt übersteige. Ihm müsse im Rahmen seiner Unterhaltspflicht aus Anlass der Geburt gem. §§ 1615l Abs. 3 S. 1, 1603 Abs. 1 BGB der gleiche angemessene Selbstbehalt verbleiben, wie es im Rahmen einer Unterhaltspflicht ggü. volljährigen Kindern der Fall sei. Für die Zeit bis Ende 2001 belaufe dieser sich auf monatlich 1.960 DM, für die Zeit danach auf monatlich 1.000 EUR. Dass dem Unterhaltsschuldner nach §§ 1361, 1570 BGB nur der geringere Selbstbehalt verbleibe, führe nicht zu einer gleichheitswidrigen Behandlung. Der geringere Selbstbehalt des getrennt lebenden oder geschiedenen Ehegatten sei durch ein besonderes Maß an Solidarität und Beistandspflicht aus der früheren Ehe geboten. Zwar bedürfe ein nicht in der Ehe geborenes Kind gleichermaßen der Pflege und Erziehung wie ein Kind, das aus der Ehe seiner Eltern hervorgegangen sei. Das ändere aber nichts daran, dass die nicht verheiratete Mutter hinsichtlich der Sicherung ihres Unterhalts in einer anderen Situation sei als die getrennt lebende oder geschiedene Mutter. Von der nicht verheirateten Mutter werde erwartet, dass sie die Betreuung des Kindes notfalls zu Lasten ihres eigenen Unterhaltsbedarfs sicherstelle, soweit im Rahmen ihres Unterhaltsanspruchs Bedarfslücken verblieben.
II.
Die Entscheidung des Berufungsgerichts hält den Angriffen der Revision nicht stand.
1. Zwar unterliegt eine vom Tatrichter nach Billigkeitsgesichtspunkten getroffene Entscheidung, wie hier über die Frage, ab wann der eigene angemessene Unterhalt des nach § 1615l Abs. 2 BGB unterhaltspflichtigen Vaters gefährdet wäre, nur in eingeschränktem Umfang der revisionsrechtlichen Überprüfung. Eine solche ist aber dann eröffnet, wenn die tatrichterliche Entscheidung den gesetzlich vorgegebenen Ermessensspielraum nicht ausschöpft oder gesetzlich vorgesehene Wertungen außer Betracht lässt (BGH, Urt. v. 18.10.1989 - IVb ZR 89/88, BGHZ 109, 72 [88] = MDR 1990, 422 = FamRZ 1990, 262 [266]). Das ist hier schon deshalb der Fall, weil das Berufungsgericht die gesetzlich vorgeschriebene individuelle Billigkeitsabwägung durch den Hinweis auf einen einheitlichen Selbstbehalt für den Verwandtenunterhalt ersetzt hat, ohne dem besonderen Schutzzweck des Unterhaltsanspruchs aus § 1615l Abs. 2 BGB Rechnung zu tragen. Insoweit ist es verfehlt, sich auch dann an feste Tabellen und Leitlinien zu halten, wenn andere Lebensverhältnisse zu beurteilen sind als diejenigen, auf die sie für den Regelfall abstellen (BGH, Urt. v. 26.2.1992 - XII ZR 93/91, MDR 1992, 680 = FamRZ 1992, 795 [797]).
2. Ansprüche der Mutter gegen den Vater aus Anlass der Geburt sind in der jüngsten Vergangenheit mehr und mehr den Unterhaltsansprüchen getrennt lebender oder geschiedener Ehegatten angeglichen worden. Während das Gesetz ursprünglich in § 1715 BGB lediglich einen reinen Entschädigungsanspruch der nicht ehelichen Mutter für Aufwendungen infolge der Schwangerschaft und Entbindung vorsah, hat der Gesetzgeber mit der - mehrfach geänderten - Vorschrift des § 1615l Abs. 2 BGB nunmehr einen Unterhaltsanspruch geschaffen, der zwar - mit Verlängerungsmöglichkeit aus Billigkeitsgründen - auf drei Jahre befristet, im Übrigen dem der geschiedenen Ehefrau aus § 1570 BGB aber im Wesentlichen vergleichbar ist. Durch die Erweiterung des Anspruchs auf Betreuungsunterhalt soll der Vater mehr in die Verantwortung dafür einbezogen werden, dass sein nicht aus einer Ehe hervorgegangenes Kind während der ersten drei Lebensjahre in den Genuss der persönlichen Betreuung durch die Mutter kommt, was durch den Unterhaltsanspruch sichergestellt wird. Der Anspruch findet deswegen seinen Grund darin, dass der Mutter während der ersten drei Lebensjahre ermöglicht werden soll, das Kind zu pflegen und zu erziehen, ohne auf eine Erwerbstätigkeit angewiesen zu sein. Insoweit unterscheidet sich der Anspruch in keiner Weise von dem Anspruch nach § 1570 BGB, der ebenfalls diesen Zweck verfolgt. Soweit die Ansprüche sich in der Dauer unterscheiden, findet dieses seinen Grund in der nachehelichen Solidarität (BGH, Urt. v. 17.11.2004 - XII ZR 183/02, m.w.N. z.V.i. BGHZ b.).
3. Diesem gesetzlichen Zweck des Unterhaltsanspruchs nach § 1615l Abs. 2 BGB trägt das Berufungsurteil nicht hinreichend Rechnung.
a) § 1615l Abs. 3 S. 1 BGB erklärt für den Unterhaltsanspruch aus Anlass der Geburt grundsätzlich die Vorschriften über die Unterhaltspflicht zwischen Verwandten für entsprechend anwendbar. Aus diesem Grund wird in der Rechtsprechung (OLG Hamm v. 29.8.1996 - 2 WF 288/96, FamRZ 1997, 632; OLG Oldenburg v. 17.12.1999 - 12 WF 181/99, OLGReport Oldenburg 2000, 170 = FamRZ 2000, 1521; OLG Schleswig v. 25.5.2000 - 13 UF 88/99, OLGReport Schleswig 2000, 332; OLG München v. 14.4.2003 - 17 UF 709/03, OLGReport München 2003, 340) und dem folgend in der Literatur durchgehend angenommen, dass dem unterhaltspflichtigen Vater stets der sog. große Selbstbehalt verbleiben müsse, wie dies bei Unterhaltsansprüchen volljähriger Kinder nach § 1603 Abs. 1 BGB der Fall sei (Wendl/Pauling, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 6. Aufl., § 6 Rz. 759a; Schwab/Borth, Handbuch des Scheidungsrechts, 5. Aufl., Teil IV Rz. 1084; Johannsen/Henrich/Graba, Eherecht, 4. Aufl., § 1615l BGB Rz. 10; Luthin/Seidel, Handbuch des Unterhaltsrechts, 10. Aufl., Rz. 4219; Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 9. Aufl., Rz. 185; Eschenbruch, Der Unterhaltsprozess, 3. Aufl., Rz. 4024; Weinreich/Klein/Schwolow, Kompaktkommentar Familienrecht, § 1615l BGB Rz. 20; FA-FamR/Gerhardt, 4. Aufl., Kap. 6 Rz. 211; a.A. für den Fall, dass die Eltern des Kindes zuvor in einer nicht ehelichen Lebensgemeinschaft zusammen gelebt haben - Göppinger/Wax/Maurer, Unterhaltsrecht, 8. Aufl., Rz. 1259).
Dem vermag der Senat nicht zu folgen.
b) Nach der von § 1615l Abs. 3 S. 1 BGB in Bezug genommenen Vorschrift des § 1603 Abs. 1 BGB entfällt die Unterhaltspflicht, wenn der Unterhaltspflichtige "bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren". Damit unterscheidet sich der Wortlaut kaum von dem des § 1581 BGB, der den Anspruch auf nachehelichen Ehegattenunterhalt in einen Billigkeitsanspruch übergehen lässt, wenn der Unterhaltspflichtige "unter Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande (ist), ohne Gefährdung des eigenen angemessenen Unterhalts dem Berechtigten Unterhalt zu gewähren". Gleichwohl bemessen die Gerichte den Selbstbehalt des Unterhaltspflichtigen gegenüber Ansprüchen auf nachehelichen Unterhalt und auf Unterhalt sonstiger, etwa volljähriger Kinder unterschiedlich (Nr. 21.3 und 21.4 der Leitlinien der OLG).
Nach der Rechtsprechung des Senats kann der Selbstbehalt des Unterhaltspflichtigen bei Ansprüchen auf nachehelichen Ehegattenunterhalt nicht generell und für alle Fälle einheitlich festgelegt werden. Das würde dem unterschiedlichen Lebenszuschnitt in der jeweiligen Ehe und den sich daraus ergebenden dauerhaften Belastungen der geschiedenen Ehegatten nicht entsprechen. Zwar muss auch dem Unterhaltsschuldner nach den §§ 1361, 1570 BGB zumindest der notwendige Selbstbehalt verbleiben, der für Unterhaltsansprüche minderjähriger Kinder gilt und von den Leitlinien der OLG gegenwärtig mit 840 EUR bemessen wird. Andererseits hat es der Senat aber aus Rechtsgründen nicht für vertretbar und auch nicht für billig gehalten, dem unterhaltspflichtigen geschiedenen Ehegatten regelmäßig nur diesen notwendigen Selbstbehalt zu belassen. Die darin zum Ausdruck kommende Gleichbehandlung des geschiedenen Ehegatten mit den minderjährigen Kindern, wie sie für das Rangverhältnis in § 1609 Abs. 2 S. 1 BGB angeordnet ist, ist im Rahmen der Billigkeitsregelung nach § 1581 BGB zwischen den geschiedenen Ehegatten nicht gerechtfertigt, weil sie den Regelungshintergrund des § 1603 Abs. 2 BGB, der darin zu sehen ist, dass minderjährigen Kindern wegen ihres Alters von vornherein die Möglichkeit verschlossen ist, durch eigene Anstrengungen zur Deckung ihres notwendigen Lebensbedarfs beizutragen, nicht hinreichend berücksichtigt (BGH, Urt. v. 18.10.1989 - IVb ZR 89/88, BGHZ 109, 72 [85] = MDR 1990, 422 = FamRZ 1990, 260 [265]).
Entsprechend kann auch der angemessene Selbstbehalt nach § 1603 Abs. 1 BGB, auf den § 1615l Abs. 3 S. 1 BGB für den Unterhaltsanspruch aus Anlass der Geburt grundsätzlich verweist, nicht einheitlich und unabhängig vom Zweck des Unterhaltsanspruchs bemessen werden. Nach § 1609 Abs. 1 BGB stehen nicht alle Unterhaltsansprüche der Verwandten gleichrangig nebeneinander, sondern es gehen die Unterhaltsansprüche minderjähriger (und ihnen gleich gestellter) Kinder denen volljähriger, diejenigen der Abkömmlinge denen der Verwandten in der aufsteigenden Linie und dabei die Ansprüche der näheren denen der entfernteren Verwandten vor. Aus diesem Grund hat der Senat in seiner Rechtsprechung zum Elternunterhalt entschieden, dass der angemessene Eigenbedarf nicht losgelöst von der im Einzelfall vorliegenden Lebensstellung, die dem Einkommen, Vermögen und sozialen Rang des Verpflichteten entspricht, bestimmt und deshalb nicht durchgehend mit einem festen Betrag angesetzt werden kann. Der Senat hat es auch gebilligt, wenn bei der Ermittlung des für den Elternunterhalt einzusetzenden bereinigten Einkommens allein auf einen - etwa hälftigen - Anteil des Betrages abgestellt wird, der den an sich vorgesehenen Mindestselbstbehalt übersteigt. Dabei hat der Senat entscheidend auf den rechtlich vergleichsweise schwach ausgestalteten Charakter des Anspruchs auf Elternunterhalt abgestellt (BGH, Urt. v. 23.10.2002 - XII ZR 266/99, BGHZ 152, 217 [225 ff.] = MDR 2003, 86 = BGHReport 2003, 11; v. 19.3.2003 - XII ZR 123/00, BGHZ 154, 247 [258 f.] = MDR 2003, 1183 = BGHReport 2003, 954; v. 17.12.2003 - XII ZR 224/00, MDR 2004, 450 = BGHReport 2004, 376 = FamRZ 2004, 370 [372]).
Umgekehrt kann der ggü. dem Unterhaltsanspruch volljähriger Kinder stärker ausgestaltete Charakter des Anspruchs auf Unterhalt aus Anlass der Geburt auch zu einer stärkeren Haftung und damit zu einem geringeren Selbstbehalt führen als dieses auf der Grundlage des § 1603 Abs. 1 BGB für den Unterhaltsanspruch volljähriger Kinder der Fall ist. Dabei ist allerdings weniger auf den Rang eines Unterhaltsanspruchs als vielmehr auf seinen Grund und Charakter abzustellen. Denn obwohl der Unterhaltsanspruch geschiedener Ehegatten nach § 1609 Abs. 2 BGB im Rang demjenigen minderjähriger Kinder gleichsteht, betrifft die verschärfte Haftung nach § 1603 Abs. 2 BGB und die daraus hergeleitete höhere Opfergrenze allein die Unterhaltsansprüche minderjähriger (und ihnen gleich gestellter) Kinder. Dieser Gedanke ist auch auf den Unterhaltsanspruch der Mutter aus Anlass der Geburt übertragbar. Schon im Rang geht dieser Anspruch nach § 1615l Abs. 3 S. 3 BGB zwar den Unterhaltsansprüchen minderjähriger Kinder oder einer Ehefrau nach, den Unterhaltsansprüchen sonstiger Verwandter des Unterhaltspflichtigen geht er aber vor. Insoweit unterscheidet sich der Unterhaltsanspruch nicht von demjenigen einer geschiedenen Ehefrau des Unterhaltsschuldners. Hinzu kommt - wie schon ausgeführt - der gemeinsame Schutzzweck der Unterhaltsansprüche nach § 1615l Abs. 2 BGB und § 1570 BGB, nämlich der Mutter jedenfalls während der ersten drei Lebensjahre des Kindes die Pflege und Erziehung des Kindes zu ermöglichen. Aus Rechtsgründen ist es deswegen nicht hinnehmbar, wenn das Berufungsgericht den Selbstbehalt im Rahmen eines Unterhaltsanspruchs nach § 1615l BGB grundsätzlich abweichend von demjenigen eines Unterhaltsanspruchs nach § 1570 BGB bemisst.
4. Auch bei der Bemessung der Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners ist somit entscheidend auf den Zweck des Unterhaltsanspruchs abzustellen.
Insoweit überzeugt die Begründung des Berufungsgerichts für die Annahme eines - gleichermaßen für den Unterhaltsanspruch ggü. volljährigen Kindern geltenden - einheitlichen "großen Selbstbehalts" gem. § 1603 Abs. 1 BGB nicht. Der Senat hat schon darauf hingewiesen, dass sich der Unterhaltsanspruch der Mutter aus Anlass der Geburt nach § 1615l Abs. 2 BGB nicht unerheblich von sonstigen Ansprüchen auf Verwandtenunterhalt unterscheidet (BGH, Urt. v. 21.1.1998 - XII ZR 85/96, FamRZ 1998, 541 [543 f.] = MDR 1998, 473). Trotz der grundsätzlichen Verweisung in § 1615l Abs. 3 S. 1 BGB auf die Vorschriften über die Unterhaltspflicht zwischen Verwandten geht der Unterhaltsanspruch der nicht verheirateten Mutter - wie ausgeführt - nach § 1615l Abs. 3 S. 3 Halbs. 2 BGB den Ansprüchen der übrigen Verwandten des Vaters vor. Auch erlischt der Unterhaltsanspruch der Mutter entgegen § 1615 Abs. 1 BGB nicht mit dem Tod des unterhaltspflichtigen Vaters (§ 1615l Abs. 3 S. 5 BGB). Deswegen und wegen der auch sonst weit gehenden Angleichung des Anspruchs an den Unterhaltsanspruch nach § 1570 BGB ist die Unterhaltspflicht des Vaters ggü. der Mutter nach § 1615l BGB eher mit dem Unterhaltsanspruch der geschiedenen Ehefrau als mit dem Anspruch auf Verwandtenunterhalt vergleichbar (BGH, Urt. v. 17.11.2004 - XII ZR 183/02, m.w.N. z.V.i. BGHZ b.; Urt. v. 21.1.1998 - XII ZR 85/96, FamRZ 1998, 541 [543] = MDR 1998, 473).
Bei der Ausgestaltung des Unterhaltsanspruchs der Mutter gem. § 1615l Abs. 2 BGB ist deswegen entscheidend auf den Grund dieses Anspruchs abzustellen, nämlich der Mutter während der ersten drei Lebensjahre die Pflege und Erziehung des Kindes zu ermöglichen, ohne auf eine Erwerbstätigkeit angewiesen zu sein. Dieser gesetzlich verfolgte Zweck, der neben der fortgeltenden ehelichen Solidarität auch dem Unterhaltsanspruch nach § 1570 BGB zu Grunde liegt, kann - im Gegensatz zur Rechtsauffassung des Berufungsgerichts - nur durch einen zur Höhe ausreichenden Unterhaltsanspruch der Mutter sichergestellt werden. Insbesondere wenn die Mutter - wie hier - in ohnehin beengten finanziellen Verhältnissen nicht einmal den für ihre Lebensführung zwingend notwendigen Bedarf erhielte, verbliebe ihr nicht die Möglichkeit, die Betreuung des Kindes zu Lasten des eigenen Unterhaltsbedarfs sicherzustellen. Die Mutter wäre dann entgegen dem ausdrücklichen Zweck der Unterhaltsvorschrift des § 1615l Abs. 2 BGB gehalten, zu Lasten der Betreuung des Kindes eine eigene Erwerbstätigkeit aufzunehmen. Insoweit unterscheidet sich der Unterhaltsanspruch nach § 1615l Abs. 2 BGB gerade nicht von dem Anspruch der geschiedenen Ehefrau wegen der Pflege oder Erziehung ehelicher Kinder gem. § 1570 BGB.
5. Nur in dieser Auslegung genügt der Unterhaltsanspruch nach § 1615l Abs. 2 BGB auch den Anforderungen des Art. 6 Abs. 4 und 5 GG, der einen Anspruch jeder Mutter "auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft" sicherstellt und es gebietet, den nicht ehelichen Kindern "die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern". Danach muss auch einer nicht verheirateten Mutter die Wahl bleiben, bis zum Beginn des Kindergartenalters selbst für die Pflege und Erziehung des Kindes zu sorgen, ohne für ihren Lebensunterhalt auf eine eigene Erwerbstätigkeit angewiesen zu sein. Auch von Verfassungs wegen ist deswegen hinsichtlich des dem Unterhaltsschuldner zu belassenden Selbstbehalts eine Gleichbehandlung von Ansprüchen aus § 1615l Abs. 2 BGB mit solchen nach § 1570 BGB geboten. Das hat das Berufungsgericht nicht berücksichtigt.
III.
Danach kann das Berufungsurteil nicht bestehen bleiben. Eine eigene Entscheidung in der Sache ist dem Senat indes verwehrt. Das OLG wird vielmehr in eigener tatrichterlicher Verantwortung als Selbstbehalt einen Betrag festzulegen haben, der nicht unter dem notwendigen aber auch nicht über dem angemessenen Selbstbehalt liegt. Dabei wird es nicht zu beanstanden sein, wenn der Tatrichter im Regelfall von einem etwa hälftig zwischen diesen beiden Beträgen liegenden Betrag ausgeht.
Im Rahmen der erneuten Verhandlung wird das OLG im Übrigen den Berufungsantrag der Klägerin ergänzend auszulegen haben. Während sie in der ersten Instanz Unterhalt "für die Zeit bis zum 31.7.2004", also für die ersten drei Jahre seit der Geburt des Kindes begehrt hatte, enthält der Berufungsantrag diese Einschränkung nicht mehr. Andererseits sind aber auch keine Umstände vorgetragen oder sonst ersichtlich, die unter besonderer Berücksichtigung der Belange des Kindes einen Wegfall der Unterhaltspflicht nach Ablauf von drei Jahren seit der Geburt als grob unbillig darstellen könnten (BGH, Urt. v. 17.5.2000 - XII ZR 88/98, MDR 2000, 1134 = FamRZ 2000, 1499 [1501]; v. 5.7.2000 - XII ZR 104/98, FamRZ 2001, 905 [906]).
Die Zurückverweisung des Rechtsstreits gibt dem Berufungsgericht auch Gelegenheit, den Unterhaltsanspruch für die Zeit bis Juli 2004 auf der Grundlage der nunmehr konkret feststehenden Einkünfte des Beklagten anstelle der bislang auf einer Prognose beruhenden anrechenbaren Einkünfte festzusetzen.
Fundstellen
Haufe-Index 1308345 |
NJW 2005, 500 |
NWB 2005, 163 |
BGHR 2005, 429 |
EBE/BGH 2005, 4 |
FamRZ 2005, 354 |
FamRZ 2007, 430 |
FuR 2005, 170 |
JurBüro 2005, 220 |
JurBüro 2005, 331 |
ZAP 2005, 445 |
FPR 2005, 219 |
FPR 2005, 528 |
MDR 2005, 576 |
FF 2005, 103 |
FF 2005, 28 |
FamRB 2005, 98 |
NJW-Spezial 2005, 106 |
ZFE 2005, 128 |
FK 2005, 63 |