Leitsatz (amtlich)

Auch wenn der Bedarf der unterhaltsberechtigten Kindsmutter nach § 1610 Abs. 1 BGB bei entspr. Anwendung des Halbteilungsgrundsatzes wie beim Ehegattenunterhalt nicht gedeckt ist, muss sich der Kindsvater im Rahmen seiner Leistungsfähigkeit nicht auf den angemessenen Selbstbehalt verweisen lassen.

 

Normenkette

BGB § 1603 Abs. 1, § 1610 Abs. 1, § 1615 l Abs. 2, § Abs. 3 S. 1

 

Verfahrensgang

AG München (Aktenzeichen 534 F 625/02)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 15.12.2004; Aktenzeichen XII ZR 121/03)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Endurteil des AG München vom 29.11.2002 aufgehoben.

II. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin über das Teilanerkenntnisurteil des AG München vom 30.10.2002 hinaus an die Klägerin ab 1.1.2002 bis 4.8.2004 einen monatlichen Unterhalt von 157 Euro und für die Zeit vom 4.8.2001 bis 31.12.2001 einen Unterhaltsrückstand von 785 Euro zu bezahlen.

Im Übrigen werden die Berufung zurückgewiesen und die Klage abgewiesen.

III. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 3/5 und der Beklagte 2/5.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Vollstreckung der Hauptsache gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils vollstreckbaren Unterhaltsbetrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in entspr. Höhe erbringt.

Die Parteien können die Vollstreckung wegen der Kosten jeweils durch Sicherheitsleistung abwenden, und zwar der Beklagte gegen Sicherheitsleistung von 4.000 Euro und die Klägerin gegen Sicherheitsleistung von 2.500 Euro. Die Abwendungsbefugnis besteht nicht, wenn die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung entspr. Sicherheitsleistung erbringt.

V. Die Revision zum BGH wird zugelassen.

 

Gründe

Auf den Tatbestand des angefochtenen Endurteils des AG München vom 29.11.2002 sowie das Teilanerkenntnisurteil des AG München vom 30.10.2002 über einen monatlichen Unterhaltsbetrag von 300 Euro als Mutterunterhalt nach § 1615 l Abs. 2 S. 2 BGB ab 1.1.2002 zzgl. fünf Monate entspr. Rückstands wird Bezug genommen. Wegen der Berufungsanträge der Parteien wird auf die Niederschrift vom 14.4.2003 verwiesen.

Die Klägerin meint, der Beklagte müsse sich wegen ihres erhöhten Bedarfs auf einen angemessenen Eigenbedarf von 1.000 Euro verweisen lassen, auch wenn ihr dadurch mehr als ihm zur Verfügung stehe.

Aufgrund des unstreitigen Vorbringens der Parteien geht das Gericht davon aus, dass das monatliche Nettoeinkommen der Klägerin nach der Geburt des Kindes 1.381 Euro und das des Beklagten 2.321 Euro beträgt.

Die Ansicht der Klägerin aus einer späteren Gehaltsbescheinigung ergebe sich bei ihr ein niedrigeres Einkommen trifft nicht zu, wie in der mündlichen Verhandlung geklärt wurde.

Die Berufung der Klägerin hat teilweise Erfolg.

Der Unterhaltsbedarf der Klägerin bestimmt sich nach §§ 1615 l, 1610 BGB nach ihrer Lebensstellung, insb. nach ihrem Einkommen, das sie vor der Schwangerschaft erzielt hatte (Palandt/Diederichsen, BGB, 62. Aufl., § 1615 Abs. 1 Rz. 7). Nach einer verbreiteten Meinung, der sich das AG angeschlossen hatte, soll der für den Ehegattenunterhalt geltende Halbteilungsgrundsatz dazu führen, dass schon der Bedarf der Mutter entspr. gekürzt wird (vgl. z.B. Wever/Schilling, FamRZ 2002, 581 [585]), weil die nichteheliche Mutter nicht besser stehen könne als eine Ehefrau. Ob dieser Auffassung beizutreten wäre, kann letztlich dahinstehen. Eine entspr. Begrenzung der Unterhaltsverpflichtung ergibt sich nämlich gem. §§ 1615 Abs. 3 S. 1, 1603 Abs. 1 BGB auf der Ebene der Leistungsfähigkeit insoweit, als dem Pflichtigen sein angemessener Eigenbedarf verbleiben muss. Der angemessene Lebensbedarf des Pflichtigen bestimmt sich dabei aus seiner eigenen Lebensstellung, die aber nach den Umständen des Einzelfalls veränderlich ist (BGH v. 23.10.2002 – XII ZR 266/99, MDR 2003, 86 = BGHReport 2003, 11 = FamRZ 2002, 1698 [1700]).

Vor dem Entstehen der Unterhaltsverpflichtungen für Kind und Mutter ergab sich der entspr. Bedarf aus dem vorhandenen Einkommen des Pflichtigen. Dieses Einkommen wird nunmehr zunächst durch den Kindesunterhalt und anschließend durch die Unterhaltszahlung an die Kindsmutter gekürzt.

Nach Auffassung des Senats muss der Pflichtige nach Abzug des Kindesunterhalts im Sinne eines für das Unterhaltsrecht zu verallgemeinernden Gegenseitigkeitsprinzips durch seine Unterhaltszahlung an die Kindsmutter keine Kürzung seines Eigenbedarfs hinnehmen, die diesen soweit schmälern würde, dass ihm weniger bliebe, als die berechtigte Mutter mit der Unterhaltszahlung zur Verfügung hätte. Eine solche Verpflichtung kann nach Auffassung des Senats auch nicht deswegen angenommen werden, weil es hier regelmäßig um einen auf drei Jahre nach Geburt des Kindes befristeten, also meist um einen zeitlich absehbaren Unterhaltsanspruch geht.

In Abweichung von der Entscheidung des AG ist der Klägerin jedoch, weil sie das Kind neben ihrer Berufstätigkeit betreut, ein Betreuungsbonus anrechnungsfrei zu belassen, den der Senat auf 300 Euro schätz...

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