Entscheidungsstichwort (Thema)

Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern Grundsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Garagen, die nach dem II. WoBauG steuerbegünstigt sind, weil sie sich auf demselben Grundstück wie die steuerbegünstigten Wohnungen befinden und für die Unterbringung von Personenkraftfahrzeugen der Wohnungsmieter bestimmt sind, verlieren ihre objektive Zweckbestimmung nicht allein deshalb, weil sie von den Mietern nicht benötigt werden und anderweitig vermietet werden müssen.

 

Normenkette

GrEStG § 1 Abs. 1 Nr. 1; GrESWGBY 1/1/a; GrESWGBY 4/1; 2-WoBauG 82; 2-WoBauG 83/1; 2-WoBauG 83/5; 2-WoBauG 93/2; 2-WoBauG 42/4/1; BGB § 97

 

Tatbestand

Die Revisionsklägerin (Klägerin) und ihr Ehemann hatten im März 1959 je zur Hälfte ein Ruinengrundstück gekauft, auf dem sie ein Wohnhaus mit 14 Wohnungen sowie drei Garagen errichteten. Die Stadt N, Amt für Wohnungsbau- und Siedlungsförderung, hatte am 9. Juli 1959 einen Bescheid über die Anerkennung von Wohnungen als steuerbegünstigte Wohnungen nach den §§ 82 und 83 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes (II. WoBauG) vom 27. Juni 1956 (BGBl I, 523) erteilt. Der Bescheid enthält folgende Sätze:

"Die Wohnungen werden voraussichtlich mit Wirkung ab Dezember 1959 als steuerbegünstigte Wohnungen nach den §§ 82 und 83 des II. WoBauG anerkannt. Der Anerkennungsbescheid wird widerrufen, wenn die Wohnungen nicht mehr den Vorschriften des § 82 des II. WoBauG über die zulässige Wohnfläche oder die zulässige Benutzung entsprechen. ... Die Größe des Baugrundstücks beträgt 290 qm. Davon sind 161,16 qm überbaute Fläche für Wohnhaus, 42,88 qm überbaute Fläche für drei Garagen."

Der Ehemann der Klägerin teilte dem FA am 14. August 1961 auf Anfrage mit, auf Grund der Reichsgaragenordnung sei ihm die Auflage gemacht worden, drei Garagen zu erstellen, die er für seine Mieter bereithalte. Da derzeit keiner derselben einen Wagen besitze, habe er die Garagen anderweitig vermietet. Sollte einer seiner Hausbewohner eine Garage brauchen, so stehe sie ihm sofort zur Verfügung. § 2 seines Garagenmietvertrages sehe eine monatliche Kündigung vor.

Das FA hat auf Grund § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG von der Klägerin 117,60 DM Grunderwerbsteuer für den Erwerb der anteilig auf die Garagen entfallenden Fläche verlangt. Einspruch und Berufung hatten keinen Erfolg. Nach Ansicht des Finanzgerichts (FG) ist der Erwerb des mit den Garagen bebauten Grundstücksteils nicht von der Grunderwerbsteuer befreit, weil die Garagen in einem Zeitraum von über drei Jahren nicht an Inhaber der steuerbegünstigten Wohnung vermietet worden sind. Das FG hat die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache zugelassen.

Mit der Revision rügt die Klägerin unrichtige Rechtsanwendung.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil, die Einspruchsentscheidung und der Steuerbescheid werden aufgehoben. Auch der Erwerb des mit den Garagen bebauten Grundstücksteiles ist grunderwerbsteuerfrei.

Nach Art. 1 Nr. 1 Buchst. a des bayerischen Gesetzes über die Grunderwerbsteuerbefreiung für den sozialen Wohnungsbau (GrESWG) in der Fassung des änderungsgesetzes vom 12. November 1958 (Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt - BayGVBl - S. 330) ist der Erwerb eines Ruinengrundstücks zur Errichtung eines Gebäudes durch den Erwerber, dessen Wohnungen und Wohnräume nach dem II. WoBauG grundsteuerbegünstigt sind, von der Besteuerung nach dem GrEStG ausgenommen. Zur grundsteuerbegünstigten Wohnung nach dem II. WoBauG gehören auch solche Räume wie Dachböden, Keller, Wirtschaftsräume usw. Das gleiche gilt für Garagen, wenn sie sich auf demselben Grundstück wie die Wohnung befinden (wirtschaftliche Einheit) und für die Unterbringung von Personenkraftfahrzeugen der Wohnungsbenutzer bestimmt sind (vgl. Abschn. 6 Abs. 3 der Verwaltungsanordnung des Bundesministers der Finanzen über die Anerkennung steuerbegünstigter Wohnungen nach dem II. WoBauG sowie über die Grundsteuervergünstigung nach dem I. und II. WoBauG des Bundes - VA-II. WoBauG - vom 20. April 1957, Bundesanzeiger Nr. 78 vom 24. April 1957).

Diese Voraussetzungen waren, wie die zuständige Behörde gemäß § 83 II. WoBauG bindend (§ 93 Abs. 2 II. WoBauG) anerkannt hat, im Zeitpunkt des Erwerbs erfüllt. Sie sind nicht deshalb entfallen, weil die Mieter der steuerbegünstigten Wohnungen die Garagen nicht in Anspruch genommen haben. Denn die Garagen haben dadurch noch nicht ihre Zweckbestimmung verloren, als Zubehörräume (§ 42 Abs. 4 Nr. 1 der Zweiten Berechnungsverordnung) der Unterbringung von Personenkraftwagen der Mieter zu dienen (vgl. den für bewegliche Sachen geltenden, hier nicht einschlägigen § 97 BGB). Der im Zeitpunkt der Errichtung vorhanden gewesene steuerbegünstigte objektive Zweck des Art. 1 Nr. 1 Buchst. a GrESWG ist damit nicht aufgegeben (Art. 4 Nr. 1 Satz 2 GrESWG); anders wäre es erst dann, wenn die Garagen endgültig innerhalb von fünf Jahren seit ihrer Errichtung einer anderen Zweckbestimmung zugeführt worden wären. Die zuständige Behörde (§ 83 Abs. 1 II. WoBauG) hat ihre Anerkennung nicht widerrufen (§ 83 Abs. 5 II. WoBauG).

 

Fundstellen

Haufe-Index 412626

BStBl III 1967, 765

BFHE 1968, 75

BFHE 90, 75

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