Entscheidungsstichwort (Thema)

Anrechnung ausländischer Erbschaftsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wird der Erwerb aus einem ausländischen Nachlaß im Inland wegen Abzugs von Nachlaßverbindlichkeiten mit einem niedrigeren Wert als im Ausland zur Erbschaftsteuer herangezogen, ist die anrechenbare ausländische Erbschaftsteuer nicht in dem Verhältnis zu kürzen, in dem das Auslandsvermögen durch die bei der ausländischen Erbschaftsteuer unberücksichtigt gebliebenen Nachlaßverbindlichkeiten gemindert worden ist, sondern in voller Höhe auf die deutsche Erbschaftsteuer anzurechnen.

2. Der ausländische Erwerb und die ausländische Erbschaftsteuer sind nach dem, für den Tag, an dem die deutsche Steuerschuld entstanden ist, als amtlich festgesetzter Devisenkurs im Bundesanzeiger veröffentlichten Kurs umzurechnen.

 

Normenkette

ErbStG 1959 § 9 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, §§ 14, 22

 

Tatbestand

Es ist streitig, ob die nach § 9 Abs. 1 ErbStG 1959 anrechenbare ausländische ErbSt dann, wenn der Erwerb aus einem ausländischen Nachlaß im Inland wegen Abzugs von Nachlaßverbindlichkeiten mit einem niedrigeren Wert als im Ausland zur ErbSt herangezogen wird, die ausländische ErbSt in voller Höhe auf die deutsche ErbSt anzurechnen oder in dem Verhältnis zu kürzen ist, in dem das Auslandsvermögen durch die Nachlaßverbindlichkeiten gemindert worden ist.

I.

Der Bg. mit Wohnsitz im Inland ist Miterbe nach dem am 2. Juli 1959 in den Vereinigten Staaten (USA) verstorbenen A. Sein steuerpflichtiger Erwerb besteht nur aus Auslandsvermögen im Sinne des § 9 Abs. 2 Nr. 2

ErbStG. Er beträgt brutto

$ 20.251,90

./. der Kosten des außergerichtlichen Vertretungsverfahrens (Regelungskosten) von

$ 6.769,20

netto

$ 13.482,70.

Die nach dem Bruttowert festgesetzte, gemäß § 24 Abs. 7 ErbStG nichtabzugsfähige amerikanische ErbSt beträgt

$ 1.024,48.

Auf die nach dem unstreitigen Wert von

$ 14.507,18

ermittelte deutsche ErbSt von 14.616 DM rechnete das FA die amerikanische ErbSt an, jedoch nicht – wie beantragt – mit dem vollen Betrag, sondern (nach der Formel Erwerb: Erwerb abzüglich Nachlaßverbindlichkeiten – ausländische ErbSt: anrechenbare ausländische ErbSt) nur mit dem Teilbetrag von $ 698,53 = 2.933,83 DM, da nur „insoweit” das Auslandsvermögen der deutschen ErbSt unterlegen habe.

Nach erfolglosem Einspruch setzte das FG auf die Berufung des Bg. die deutsche ErbSt auf 10.313,18 DM fest unter Anrechnung der vollen ausländischen ErbSt mit 4.302,82 DM.

Mit der form- und fristgerechten Rb. rügt der Vorsteher des FA unrichtige Anwendung des § 9 Abs. 1 ErbStG. Das deutsche ErbSt-Recht besteuere die Summe der steuergesetzlich vorgeschriebenen Werte der erworbenen Vermögensgegenstände nach Abzug der abzugsfähigen Verbindlichkeiten. Der deutschen ErbSt unterliege das Auslandsvermögen also nur insoweit, als ein Wert nach Abzug der Regelungskosten verbleibe. Nach dem Wortlaut des §9 Abs. 1 ErbStG könne nur der Teil der ausländischen ErbSt angerechnet werden, der anteilig auf den im Inland Steuer pflichtigen Erwerb entfalle. Nur insoweit liege auch eine echte Doppelbesteuerung vor, die allein vermieden werden solle.

Der Bg. dagegen meint, daß die volle Anrechnung der ausländischen ErbSt nur insoweit nicht in Betracht komme, als der Erbe durch den ausländischen Erbanfall um Vermögenswerte bereichert werde, die der deutschen ErbSt nicht unterlägen. Seien aber dieselben Vermögensgegenstände, die durch die ausländische Erbschaft auf den inländischen Erwerber übergingen, auch Gegenstand der Besteuerung im Inland, so sei wegen in vollem Umfange gegebener echter Doppelbesteuerung auch die volle ausländische ErbSt anzurechnen. Es dürfe also entgegen der Ansicht des FA nicht an den Wert des Auslandsvermögens angeknüpft werden, sondern allein daran, daß das Auslandsvermögen überhaupt der Doppelbesteuerung unterliege.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

1. § 9 ErbStG gewährt anstelle der Billigkeitsregelung nach dem Erlaß des ehemaligen RdF vom 4. Oktober 1933 S 3802 A – 32 III/S 3834 B – 190 III (siehe auch DB 1955 S. 278) einen – im allgemeinen zu einem günstigeren Ergebnis führenden – Rechtsanspruch auf Anrechnung der ausländischen ErbSt. § 9 ErbStG hat im Zuge der allgemeinen Entwicklungstendenz den Sinn und Zweck, Überschneidungen im internationalen Besteuerungsbereich möglichst zu vermeiden. Entscheidend für die Anrechnung der ausländischen ErbSt ist vor allem, daß derselbe Erwerb mit ausländischer und inländischer ErbSt zugleich belastet ist. Demgegenüber kann der Senat in Übereinstimmung mit dem FG und dem Bg. dem Wort „insoweit” in § 9 Abs. 1 Satz 1 ErbStG nicht die einschränkende Bedeutung beilegen, wie der Vorsteher des FA dies tut. Die Methode der Anrechnung ausländischer ErbSt ist nicht getrennt aus den einzelnen Sätzen des § 9 Abs. 1 ErbStG, sondern aus dessen Gesamtgefüge zu entnehmen. § 9 Abs. 1 Satz 1 ErbStG enthält zunächst den Grundsatz, daß die ausländische ErbSt nur dann auf die deutsche ErbSt anzurechnen ist, wenn dasselbe Auslandsvermögen sowohl der ausländischen als auch der deutschen ErbSt unterliegt. Wie sich aus dem Begriff „unterliegt” ergibt, wird insoweit zunächst nur gefordert, daß es sich um auch im Inland steuerbares, d.h. im Sinne des ErbSt-Rechts um nicht steuerbefreites Auslandsvermögen – ohne Rücksicht aber auf dessen innerdeutsche Behandlung in bezug auf Freibeträge, Freigrenzen, Schuldenabzug – handeln muß (vgl. auch den ergriff „nichtsteuerbar” in § 24 Abs. 5 ErbStG in der Bedeutung „steuerbefreit”; Troll, § 24 ErbStG, Tz. 17 I S. 459). Rechtserheblich ist also nur, daß – wie auch die Verweisung in § 9 Abs. 2 ErbStG zum Begriff „Auslandsvermögen” auf § 77 BewG zeigt – die in § 77 Abs. 2 BewG bezeichneten einzelnen Vermögensgegenstände überhaupt der deutschen ErbSt „unterliegen”. Für die Beantwortung der Frage, ob dem Grunde nach überhaupt eine Anrechnung der ausländischen ErbSt in Betracht kommt, ist demnach zunächst nur auf das Vorhandensein ausländischen steuerbaren Rohvermögens abzustellen. Dagegen ist es verfehlt, in diesem Zusammenhang bereits an den Wert des Auslandsvermögens anzuknüpfen. Zutreffend weist der Bg. darauf hin, daß bei einer solchen Betrachtungsweise folgerichtig die ausländische ErbSt auch dann anteilig gekürzt werden müßte, wenn allein wegen unterschiedlicher Bewertungsmethoden in den verschiedenen Staaten derselbe Vermögensgegenstand im Ausland mit einem niedrigeren Wert als im Inland besteuert würde. Diese Unterschiede bewirken – wie im Folgenden noch darzulegen ist – ebenso wie diejenigen bei der Gewährung von Freibeträgen, Freigrenzen und Schuldenabzug in den verschiedenen Staaten gleichwohl auf andere Weise eine Begrenzung in der Anrechnung der ausländischen ErbSt.

Unterliegt also das Auslandsvermögen auch der deutschen ErbSt, dann ist die auf das Auslandsvermögen entfallende volle ausländische ErbSt ggf. – d.h. bei Anfall auch inländischen Vermögens – die ausländische ErbSt in Höhe des ihr entsprechenden Teilbetrags der deutschen ErbSt anzurechnen (s. auch Troll § 9 ErbStG, Tz. 3). Die Methode der Aufteilung der Steuer ergibt sich erst aus § 9 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 ErbStG. Nach § 9 Abs. 1 Satz 2 ErbStG ist aber nicht die ausländische, sondern nur die deutsche ErbSt aufzuteilen, und zwar – wie gesagt – nur dann, wenn sich der Erwerb aus ausländischem und inländischem Vermögen zusammensetzt. Da die Ermittlung des auf das Auslandsvermögen entfallenden Teils der deutschen ErbSt sich aber nach dem Verhältnis des Werts des im Inland Steuer Pflichtigen (und nicht des im Ausland tatsächlich versteuerten, unter Umständen höheren) Auslandsvermögens zum Wert des gesamten steuerpflichtigen Erwerbs (vor Abzug des Freibetrags nach §§ 16 oder 17 ErbStG) richtet, ergibt sich also bei einem im Inland niedrigeren, um die Nachlaßverbindlichkeiten gekürzten steuerpflichtigen Auslandsvermögen auch ein kleinerer Bruchteil der anteilig auf das Auslandsvermögen entfallenden deutschen ErbSt, zu dem die ausländische ErbSt angerechnet werden kann.

Eine zweite Begrenzung der ausländischen ErbSt, wie sie das FA offenbar mit der Aufteilung der ausländischen ErbSt selbst rechtsirrig erstrebt, liegt darin, daß nach § 9 Abs. 1 Satz 3 ErbStG Höchstbetrag der anrechenbaren ausländischen ErbSt stets der Betrag der (wiederum) deutschen Steuer ist, der auf das Auslandsvermögen entfällt. Übersteigen z.B. die mit dem Auslandsvermögen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Schulden den Wert des Auslands-Rohvermögens, so „unterliegt” zwar auch dieses Auslandsvermögen der deutschen ErbSt; da aber auf letzteres eine (anteilige) inländische ErbSt nicht entfällt, kann auch die ausländische ErbSt nicht angerechnet werden.

Im Streitfall besteht der Gesamterwerb nur aus Auslandsvermögen; deshalb ist die ausländische ErbSt in voller Höhe auf die deutsche ErbSt anzurechnen.

2. Gleichwohl war die Vorentscheidung – wenn aus einem anderen als dem vom Bf. vorgetragenen Grund – aufzuheben.

FA und FG haben den ausländischen Erwerb und die ausländische ErbSt nach dem Kurs von 4,20 DM für den USA-Dollar umgerechnet. Der Erwerb und die darauf ruhende Steuerverbindlichkeit wären aber gemäß §§ 14, 22 ErbStG nach dem Kurs umzurechnen gewesen, der für den Tag, an dem die deutsche Steuerschuld für den Erwerb entstanden ist, also am 2.7.1959 als amtlich festgesetzter Devisenkurs im Bundesanzeiger veröffentlicht worden ist (siehe Bundesanzeiger vom 3.7.1959 Nr. 124 S. 8).

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1170727

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