Entscheidungsstichwort (Thema)

Geschäftsführerhaftung (§ 69 AO 1977)

 

Leitsatz (NV)

1. Die für die Bewilligung einer Prozeßkostenhilfe erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht bezieht sich auf das mit der Klage in der Sache selbst verfolgte Begehren, nicht aber auf die zu erwartende Entscheidung im Kostenpunkt.

2. Zur Haftung des Geschäftsführers einer Baufirma (GmbH) wegen Umsatzsteuerschulden für erbrachte, vom Leistungsempfänger aber nicht mehr abgerechnete Bauleistungen.

 

Normenkette

FGO § 142 Abs. 1; ZPO § 114; AO 1977 §§ 34, 69

 

Tatbestand

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hat beim FG beantragt, ihm zur Durchführung des Klageverfahrens gegen den Haftungsbescheid vom Mai 1981 wegen Haftung für Umsatzsteuer 1977 Prozeßkostenhilfe zu gewähren.

Der Kläger war im Jahr 1977 alleiniger Geschäftsführer der GmbH, eines Bauunternehmens, das - nachdem die Eröffnung des Konkursverfahrens vom Amtsgericht im März 1978 mangels Masse abgelehnt worden war - im Juli 1978 wegen Vermögenslosigkeit von Amts wegen im Handelsregister gelöscht worden ist. Die GmbH, die ihre Tätigkeit Ende des Jahres 1977 eingestellt hat, hatte in diesem Jahr - zufolge den Feststellungen einer im Mai 1979 stattgefundenen Betriebsprüfung - noch Baumaßnahmen durchgeführt, die damit bewirkten Leistungen jedoch nicht in den Umsatzsteuervoranmeldungen angegeben. Dies führte bei der aufgrund des Ergebnisses der Betriebsprüfung vorgenommenen Umsatzsteuer-Jahresveranlagung 1977 zu einer Steuernachforderung von 120 000 DM.

Da von der - inzwischen gelöschten - GmbH keine Zahlung mehr zu verlangen war, hat das FA den Kläger in seiner Eigenschaft als ehemaliger Geschäftsführer wegen des genannten Betrages mit Bescheid vom Mai 1981 als Haftungsschuldner in Anspruch genommen (§§ 69, 34 AO 1977).

Mit der Klage begehrt der Kläger die Aufhebung des Haftungsbescheids. Er macht im wesentlichen geltend, mit der Nichtangabe der bewirkten Umsätze in den Umsatzsteuervoranmeldungen der - im Jahr 1977 bereits weitgehend zahlungsunfähig gewordenen - GmbH nicht schuldhaft gehandelt zu haben. Er habe nicht gewußt - aufgrund seiner mangelhaften Ausbildung in kaufmännischen Dingen auch nicht wissen können -, daß Bauleistungen auch dann umsatzsteuerpflichtig seien, wenn sie, wie im Streitfall geschehen, vom Unternehmer zwar erbracht, aber gegenüber dem Auftraggeber noch nicht abgerechnet gewesen seien, so daß auf sie im streitigen Zeitraum auch keine Zahlungen eingegangen seien. In Unkenntnis der Rechtslage habe er es unterlassen, solche Bauleistungen seinem Steuerberater zu melden. Die Nichtangabe in den von diesem gefertigten Umsatzsteuervoranmeldungen sei daher auch dem Steuerberater nicht anzulasten. Fehle es aber, wie vorstehend beschrieben, an einem Verschulden seinerseits (wie auch des Steuerberaters), so komme schon deshalb eine Inanspruchnahme als Haftungsschuldner nicht in Betracht. Im übrigen sei ein Teil der nachträglich festgestellten Umsätze im Jahr 1977 tatsächlich nicht bewirkt worden, weil die betreffenden Bauleistungen nicht mehr hätten abgeschlossen werden können.

Das FG hat den Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe abgelehnt. Es hat ausgeführt, hinreichende Erfolgsaussichten des Klägers seien nicht gegeben, weil dieser die Einwendungen gegen den Haftungsbescheid erstmals im Klageverfahren geltend gemacht habe und daher - selbst im Fall eines Obsiegens - die Kosten des Klageverfahrens zu tragen habe (§ 137 FGO).

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde hat Erfolg.

Der Auffassung des FG, derzufolge dem Kläger wegen verspäteter Geltendmachung seiner Einwendungen keine Erfolgsaussicht zuzusprechen sei, schließt sich der erkennende Senat nicht an. Die hinreichende Erfolgsaussicht i. S. von § 114 ZPO bezieht sich auf das mit der Klage in der Sache selbst verfolgte Begehren, nicht aber auf die zu erwartende Entscheidung im Kostenpunkt.

Nachdem der Kläger die persönlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe nachgewiesen hat, ist nur noch zu prüfen, ob die Klage gegen den Haftungsbescheid vom Mai 1981 hinreichende Aussicht auf Erfolg verspricht. Dies ist der Fall.

Das FG ist zwar zutreffend davon ausgegangen, daß die Steuerschuld bei der Umsatzsteuer mit der Ausführung der erbrachten Leistung, hier also der von der GmbH erbrachten Bauleistungen, entsteht (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a UStG 1967), ohne Rücksicht darauf, wann das hierfür vom Abnehmer geschuldete Entgelt (§ 10 UStG 1967) bei dem leistenden Unternehmer - der GmbH - eingegangen ist. Der Kläger haftet als Geschäftsführer der GmbH jedoch nach § 69 AO 1977 nur insoweit persönlich für die Steuerschulden dieser Gesellschaft, als durch schuldhafte Verletzung der ihm nach § 34 Abs. 1 AO 1977 obliegenden Pflichten Steueransprüche verkürzt worden sind. Dies wäre nach der genannten Vorschrift dann der Fall, wenn Steueransprüche aus den vom Kläger verwalteten Mitteln der GmbH nicht rechtzeitig erfüllt worden wären. Für das Vorliegen einer solchen schuldhaften Pflichtverletzung, die in der Nichtverwendung vorhandener Mittel der GmbH zur mindestens anteiligen - d. h. im Verhältnis zu anderen Gläubigern in etwa gleichmäßigen - Befriedigung des FA gelegen haben könnte, trägt das FA die objektive Beweislast (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 8. Juli 1982 V R 7/76, BFHE 137, 1, BStBl II 1983, 249). Eine Inanspruchnahme als Haftungsschuldner käme daher nur in Betracht, wenn dem Kläger die in der Nichterfüllung der Steuerschulden liegende Benachteiligung des Steuergläubigers nachgewiesen wäre. Daran fehlt es nach dem bisherigen Sach- und Verfahrensstand.

In diesem Zusammenhang ist von Bedeutung, daß der Kläger von Anfang an - und zwar durchgängig - vorgetragen hat, die GmbH sei im Jahr 1977 wegen Zahlungsunfähigkeit oder mindestens erheblicher Zahlungsschwierigkeiten zur Tilgung von Steuerschulden nicht mehr in der Lage gewesen. Die Zahlungsschwierigkeiten hatten zufolge der Einlassung des Klägers in dem gegen ihn eingeleiteten - später eingestellten - Steuerstrafverfahren ihre Ursache auch darin, daß im Jahr 1977 fertiggestellte Baumaßnahmen gegenüber den Abnehmern weitgehend - aus welchen Gründen auch immer - nicht abgerechnet waren und daher von diesen keine Zahlungen eingegangen waren. Nachdem die GmbH bereits Ende 1977 ihre Tätigkeit eingestellt und die AOK bereits im März 1978 den Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der GmbH beim zuständigen Amtsgericht gestellt hatte, welches Verfahren jedoch mangels Masse nicht eröffnet worden ist, hätte das FA diesem Einwand nachgehen müssen. Das ist nicht geschehen. Daraus ergeben sich Unklarheiten in der Beurteilung einer Tatfrage mit der Folge, daß ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheids bestehen. Es fehlt an der für eine - volle oder teilweise - Haftung des Klägers als Geschäftsführer unentbehrlichen tatsächlichen Feststellung, daß die GmbH bei Fälligkeit der Steuerschulden zu deren - mindestens anteiligen - Tilgung in der Lage gewesen wäre. Solange diese Feststellung nicht getroffen ist, bietet aber die gegen den Haftungsbescheid erhobene Klage hinreichende Aussicht auf Erfolg (vgl. das genannte Urteil in BFHE 137, 1, BStBl II 1983, 249).

 

Fundstellen

Haufe-Index 414033

BFH/NV 1986, 387

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