Entscheidungsstichwort (Thema)

Umsatzsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Die zur Materialbeistellung durch die Rechtsprechung entwickelten Grundsätze (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs V 117/53 S vom 30. Oktober 1953, BStBl 1953 III S. 366, Slg. Bd. 58 S. 196) sind nicht nur bei Werklieferungen anzuwenden, sondern sie kommen auch bei Werkleistungen in Betracht, wenn der Unternehmer den zur Werkleistung benötigten Stoff beschafft hat und das Umsatzgeschäft als ein einheitlicher wirtschaftlicher Vorgang anzusehen ist.

 

Normenkette

UStG § § 2, 3/1, § 3/4, § 3; UStDB §§ 2-3; UStG § 3/3

 

Tatbestand

Der Bf., der als Handelsvertreter für Bergwerks- und Hüttenbedarf tätig ist, hatte in den Veranlagungszeiträumen 1953 bis 1956 außer seiner Provision auch Einnahmen aus Großhandel und aus Montagen. Streit besteht über die umsatzsteuerliche Behandlung folgender Geschäftsvorfälle:

Der Bf. hat im Auftrage von Zechen Instandsetzungsarbeiten an Förderbändern vorgenommen. über die dabei verwendeten Materialien hat er den Zechen einen Lieferschein, über den Arbeitslohn Rechnungen erteilt. Er hat nur den Arbeitslohn versteuert. Die Materialien stammten aus einem Auslieferungslager, das der Bf. für eine Firma unterhielt. Im Angebot des Bf. an die Zechen sind die benötigten Materialien mit Preisangabe enthalten. Die Zechen haben die von der Firma ausgestellten Rechnungen dieser unmittelbar bezahlt. Das Finanzamt hat infolge seiner Auffassung, daß der Bf. wesentlich an der Beschaffung der Materialien beteiligt gewesen sei, die Entgelte für die Materialien als Entgelt des Bf. für die von ihm übernommenen Reparaturarbeiten angesehen.

 

Entscheidungsgründe

Einspruch und Berufung blieben ohne Erfolg.

Die Rb. rügt unrichtige Anwendung des geltenden Rechts. Die Anwendung der Grundsätze der höchstrichterlichen Rechtsprechung (Urteil des Reichsfinanzhofs V 164/41 vom 30. November 1944, Slg. Bd. 54 S. 152, und Urteil des Bundesfinanzhofs V 117/53 S vom 30. Oktober 1953, BStBl 1953 III S. 366, Slg. Bd. 58 S. 196) auf den Streitfall berücksichtige nicht den anders gelagerten Sachverhalt. Der Bf. habe nicht Werklieferungen, sondern Werkleistungen ausgeführt. Die bei den Reparaturarbeiten benötigten Materialien, die als Nebensachen oder bloße Zutaten anzusehen seien, habe nicht er, sondern die Firma an die Zechen geliefert. Es liege auch kein einheitliches Rechtsgeschäft vor. Er sei seit Jahren als Agent der Firma tätig. Die wesentlichen Beweisanzeichen, die der Bundesfinanzhof in seiner Rechtsprechung zur Materialbeistellung für die Annahme eines einheitlichen Rechtsgeschäfts herausgestellt habe, träfen für den Streitfall nicht zu.

Die Rb. kann keinen Erfolg haben. Sie bezweifelt das Ergebnis der Vorentscheidung vor allem mit der Erwägung, daß die Grundsätze der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Materialbeistellung nur auf Werklieferungen, nicht auf Werkleistungen anzuwenden seien. Nun kann es im Streitfalle durchaus zweifelhaft sein, ob nicht überhaupt Werklieferungen vorliegen (vgl. z. B. Urteil des Bundesfinanzhofs V 160/58 U vom 19. Januar 1961, BStBl 1961 III S. 112, Slg. Bd. 72 S. 303). So hat der Betriebsprüfer darauf hingewiesen, daß die Materialien 70 v. H. der Montagelöhne ausmachten; er hat deshalb Werklieferungen angenommen (in einem bei den Akten befindlichen Angebot des Bf. sind der Materialbedarf mit 2.000,- DM, der Arbeitslohn mit 300,- DM angegeben). Doch braucht diese Frage nicht abschließend entschieden zu werden.

Sicherlich ist die Werklieferung der typische Anwendungsfall der Materialbeistellung. Für die Entscheidung des Streitfalls kommt jedoch dem Inhalt des Leistungsaustausches zwischen dem Bf. und den Zechen die maßgebliche Bedeutung zu. Es steht fest, daß der Bf. alle wesentlichen Beschaffungshandlungen hinsichtlich der bei den Reparaturen erforderlichen Materialien selbst vorgenommen hat. Er hat die benötigten Stoffe selbst ausgewählt, sie in sein Angebot an die Zechen spezifiziert aufgenommen und die Preise eingesetzt; er hat sie seinem Auslieferungslager entnommen und vereinbarungsgemäß bei den Arbeiten verwendet. Er hat schließlich den Zechen über die Materialien Lieferscheine erteilt und lediglich veranlaßt, daß die Rechnungen von der von ihm vertretenen Firma unmittelbar erteilt und an diese bezahlt wurden. Bei dieser Sachlage ist davon auszugehen, daß der Bf. Reparaturen mit von ihm selbst zu beschaffenden Materialien übernommen und auch ausgeführt hat. Der Inhalt des Leistungsaustausches umfaßt deshalb auch die verwendeten Werkstoffe. Das Umsatzgeschäft ist ein einheitlicher wirtschaftlicher Vorgang, der lediglich wegen der unmittelbaren Fakturierung der Firma nicht in eine reine Arbeitsleistung und in eine Lieferung des Stoffes aufgespaltet werden kann.

Daß diese Auffassung durchaus der bisherigen Rechtsprechung entspricht, zeigt folgende überlegung: Wenn es um die Großhandelsvergünstigung des Bestellers eines Werkes geht, so steht diesem die Großhandelsvergünstigung mangels Nämlichkeit zwischen erworbener und weitergelieferter Ware nicht zu, wenn er dem Unternehmer Werkstoffe beigestellt hat. Für die Beistellung des Bestellers ist die Unterscheidung in Hauptstoffe und bloße Zutaten oder Nebensachen nicht entscheidend (vgl. Urteil des erkennenden Senats V 29/59 U vom 18. Mai 1961, BStBl 1961 III S. 325, Slg. Bd. 73 S. 159). Nur wenn es sich, wovon im Streitfalle keine Rede sein kann, um ganz geringfügige Zutaten handelt, können die Voraussetzungen des § 7 Abs. 3 des Umsatzsteuergesetzes für den Besteller gegeben sein (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs V 11/60 vom 28. Juni 1962, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1962 S. 361 Nr. 342). Die Rechtslage kann aber in Beistellungsfällen sowohl für den Werkunternehmer als auch für den Besteller des Werkes nur einheitlich beurteilt werden. Hat deshalb im Streitfalle nicht der Besteller (Zeche), sondern der Werkunternehmer (Bf.) Stoffe beigestellt, so können diese Stoffe, gleichgültig, ob es sich um Hauptstoffe oder um Nebenstoffe handelt, dem Besteller nicht als steuerlich schädlich zugerechnet werden.

Der Senat vermag auch nicht die Auffassung der Rb. zu teilen, nach der die Reparaturleistung lediglich als Nebenleistung der Agententätigkeit aufzufassen sei. Denn in den allein streitigen Fällen hat der Bf. die Verarbeitung des von ihm tatsächlich selbst beschafften Materials der Zeche und nicht der Firma gegenüber übernommen. Es kann deshalb nicht darauf ankommen, daß seine Monteure außerdem auch für Materialeinführung und kostenlose Vorführungen im Interesse der Firma eingesetzt werden. Die Frage nach dem Umfang des Leistungsaustausches richtet sich allein nach dem tatsächlichen Vorgang, der die Leistung ausmacht und der allein im Streit befangen ist.

In der mündlichen Verhandlung ist besonders darauf hingewiesen worden, daß der Steuerpflichtige anderen Firmen, die ihren Sitz im Rechenrevier hätten, im Wettbewerb entscheidend unterlegen sei, weil diese Firmen die Instandsetzung der Förderbänder selbst durchführten und deshalb weniger Umsatzsteuer zu zahlen hätten. Dabei wird übersehen, daß die Firma, für die der Bf. ein Auslieferungslager unterhält und die ihren Sitz fern vom Revier hat, eben deshalb den Bf. eingeschaltet hat, um auch im Zechenrevier zum Zuge zu kommen. Die Einschaltung weiterer Unternehmer führt aber zwangsläufig auch zu weiteren Umsätzen.

Wenn sich der Steuerpflichtige dagegen wendet, daß er zu der Steuer auf die Materialien auch noch die Provisionen zu versteuern hat, so ist dem entgegenzuhalten, daß der Senat allein den Inhalt des Leistungsaustausches zwischen dem Steuerpflichtigen und den Zechen zu beurteilen hatte, und daß er die Provisionen für seine Tätigkeit gegenüber der von ihm vertretenen Firma erhalten hat; dieser Leistungsaustausch ist aber gar nicht Gegenstand des Rechtsstreits.

Nach allem war der Vorentscheidung im Ergebnis beizutreten.

Die Rb. war deshalb als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

BStBl III 1964, 325

BFHE 1964, 261

BFHE 79, 261

StRK, UStG:2/1 R 176

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