Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Beachtlichkeit eines einseitigen Antrags auf getrennte Veranlagung

 

Leitsatz (NV)

Der Antrag nur eines (früheren) Ehegatten auf Durchführung einer getrennten Einkommensteuerveranlagung ist dann nicht willkürlich und damit unbeachtlich, wenn noch nicht verbrauchte Verluste bei ihm noch steuerliche Vorteile auslösen können.

Solche Vorteile können sich auch daraus ergeben, daß Verluste in frühere Veranlagungszeiträume rückgetragen werden; das gilt auch für den Fall, daß für diese Jahre eine getrennte Veranlagung nicht mehr erreicht werden könnte. Es kommt dann - bei einer Zusammenveranlagung - eine Aufteilung etwa noch vorhandener Steuerschulden nach §§ 268 ff AO 1977 oder aber eine Steuererstattung in Betracht.

 

Normenkette

EStG § 26 Abs. 2 S. 1, §§ 26a, 10d; AO 1977 § 37 Abs. 2 S. 1, § 268ff

 

Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches FG

 

Gründe

1. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hält u. a. die bisherige Rechtsprechung zur Einkommensteuerveranlagung von Ehegatten insoweit für ergänzungsbedürftig, als der Antrag nur eines Ehegatten auf Durchführung einer getrennten Veranlagung (§ 26 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 26 a des Einkommensteuergesetzes - EStG -) auch dann willkürlich und damit unbeachtlich sei, wenn sich nachträglich (spätestens im Zeitpunkt der Entscheidung des Finanzgerichts - FG -) herausstelle, daß diese Art der Veranlagung weder steuerlich noch wirtschaftlich sinnvoll sei.

Diese von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage könnte - ungeachtet ihrer Klärungsbedürftigkeit (s. zum Stand der bisherigen Rechtsprechung insbesondere das Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 28. August 1981 VI R 139/78, BFHE 134, 412, BStBl II 1982, 156) - in einem nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zugelassenen Revisionsverfahren nicht geklärt werden. Es fehlt bereits an dem Merkmal der Klärungsfähigkeit.

Aus dem vom FG festgestellten Sachverhalt ergibt sich nicht, daß der auf Grund der getrennten Veranlagung im Streitjahr (1986) noch nicht verbrauchte Verlust des ersten Ehemannes der Klägerin, (M), bereits endgültig keine steuerlichen Vorteile mehr auslösen könnte. Einen Sachverhalt, der diese Annahme rechtfertigte, hat die Klägerin auch jetzt nicht vorgetragen. Sie übersieht vielmehr u. a., worauf auch schon das FG hingewiesen hat, daß der Verlustvortrag ab dem Veranlagungszeitraum 1985 (für im Jahre 1985 und später entstandene Verluste) an keine zeitliche Begrenzung mehr gebunden ist. § 10 d EStG ist durch Art. 1 Nr. 16 und Nr. 73 Buchst. m des Steuerreformgesetzes vom 25. Juli 1988 (BGBl I 1988, 1093, BStBl I 1988, 224) rückwirkend entsprechend geändert worden (siehe auch § 52 Abs. 13 c EStG n. F.).

a) Bei dieser Rechts- und Sachlage besteht einmal die Möglichkeit, daß M den im Streitjahr entstandenen Verlust in die Veranlagungszeiträume 1984 und 1985 rückträgt. Kann er dabei nicht zugleich auch eine getrennte Veranlagung erreichen (siehe hierzu die BFH-Urteile vom 27. September 1988 VIII R 432/83, BFHE 155, 83, BStBl II 1989, 225, und VIII R 98/87, BFHE 155, 91, BStBl II 1989, 229), so ergeben sich für ihn gleichwohl - auch bei einer Zusammenveranlagung - steuerliche Vorteile.

Sollten noch Steuerschulden aus den Veranlagungen für die Jahre 1984 und 1985 bestehen, würden diese sich auf Grund neuerlicher, den Verlust des M berücksichtigender Veranlagungen verringern. M könnte sodann die Aufteilung dieser (geringeren) Schulden gemäß §§ 268 f. der Abgabenordnung (AO 1977) beantragen. Das würde bedeuten, daß er für die Steuerschulden nur in dem Verhältnis einstehen müßte, das sich bei (fiktiver) Durchführung einer getrennten Veranlagung ergäbe (§ 270 AO 1977).

Führten die Änderungsveranlagungen hingegen zu Steuererstattungen, so hätte M für beide Jahre jeweils einen Erstattungsanspruch in mindestens der Höhe, die seinem Anteil an der für beide Jahre bisher festgesetzten und getilgten Gesamtsteuerschuld entspricht (§ 37 Abs. 2 Satz 1 AO 1977; siehe auch die BFH-Urteile vom 19. Oktober 1982 VII R 55/80, BFHE 137, 146, BStBl II 1983, 162; vom 25. Juli 1989 VII R 118/87, BFHE 157, 326, BStBl II 1990, 41, und vom 1. März 1990 VII R 103/88, BFHE 160, 128, BStBl II 1990, 520).

b) Durch Rücktrag nicht ausgeglichene Verlustteile könnte M im Jahre 1987 und später im Wege des Verlustvortrags geltend machen (§ 10 d Abs. 2 EStG n. F.).

2. Im übrigen ergeht die Entscheidung gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs i. d. F. des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs vom 22. Dezember 1989 (BGBl I 1989, 2404) ohne Angabe von Gründen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 418011

BFH/NV 1992, 385

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