Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen der Beiordnung eines Rechtsanwalts zur Vertretung vor dem BFH

 

Leitsatz (NV)

Die Beiordnung eines Prozeßvertreters nach § 78 b ZPO erfordert, daß die Rechtsverfolgung weder mutwillig noch aussichtslos erscheint.

 

Normenkette

ZPO § 78b; FGO § 155

 

Verfahrensgang

FG Baden-Württemberg

 

Tatbestand

Im Klageverfahren vor dem Finanzgericht (FG) wegen Lohnsteuer-Jahresausgleichs 1988 und 1989 begehrte der Antragsteller, Aufwendungen für Fahrten zwischen A und B -- dem Wohnort seiner Mutter -- als Werbungskosten zu berücksichtigen, sowie im Hinblick auf geleistete Unterhaltszahlungen an seine im Ausland lebende Tochter einen Haushaltsfreibetrag, einen Kinderfreibetrag, einen Besucherfreibetrag und höhere Unterhalts- und Ausbildungsfreibeträge zu gewähren. Die Klage hatte keinen Erfolg.

Nach Zustellung des klageabweisenden Urteils hat der Antragsteller beim Bundesfinanzhof (BFH) beantragt, ihm für die vorgesehene Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde einen Notanwalt gemäß § 155 der Finanzgerichtsordnung (FGO), § 78 b der Zivilprozeßordnung (ZPO) zuzuweisen.

Er trägt vor, ein bisher für ihn tätiger Rechtsanwalt habe nach Prüfung der Sach- und Rechtslage anhand einer von ihm -- dem Antragsteller -- entworfenen Nichtzulassungsbeschwerde eine Vertretung abgelehnt. Auch weitere, namentlich benannte Rechtsanwälte seien nicht bereit gewesen, seine Vertretung zu übernehmen. In dem vom Antragsteller beigefügten Entwurf einer Nichtzulassungsbeschwerde werden die grundsätzliche Bedeutung der Rechts sache und Verfahrensmängel geltend gemacht. Grundsätzlich bedeutsam seien bisher unbehandelte Verfassungsrechtsfragen hinsichtlich der unzureichenden steuerlichen Berücksichtigung von "Auslandskindern". Im Hinblick auf die nicht als Werbungskosten anerkannten Aufwendungen für Fahrten zwischen A und B seien Rechtsfragen einfachen Rechts grundsätzlich bedeutsam. Als Verfahrensfehler werden ein Verstoß des FG gegen Art. 6 Abs. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention sowie eine Verletzung der Pflicht zur Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gerügt.

 

Entscheidungsgründe

Der Antrag auf Beiordnung eines Notanwalts gemäß § 155 FGO, § 78 b ZPO ist zulässig. Der BFH ist das zuständige Prozeßgericht nach § 78 b ZPO, da bei ihm das Verfahren anhängig gemacht werden soll, für das der Vertretungszwang besteht (BFH-Beschluß vom 18. November 1977 III S 6/77, BFHE 123, 433, BStBl II 1978, 57; vgl. auch BFH-Beschluß vom 27. November 1989 IX S 15/89, BFH/NV 1990, 503). Der Antragsteller hat auch glaubhaft gemacht, daß er eine gewisse Anzahl von zu seiner Vertretung vor dem BFH befugten Personen vergeblich um die Übernahme des Mandats ersucht habe.

In der Sache hat der Antrag jedoch keinen Erfolg.

Die Beiordnung eines Prozeßvertreters nach § 78 b ZPO erfordert, daß die Rechtsverfolgung weder mutwillig noch aussichtslos erscheint. Es kann dahingestellt bleiben, ob die vorgesehene Anfechtung des FG-Urteils mit der Nichtzulassungsbeschwerde deshalb als mutwillig anzusehen ist, weil ein von dem Antragsteller beauftragter Rechtsanwalt es "nach sorgfältiger Überprüfung" als aussichtslos erachtet hat, die Zulassung der Revision mit der Beschwerde durchzusetzen. Denn jedenfalls erscheint die erstrebte Rechtsverfolgung aussichtslos. Für eine Nichtzulassungsbeschwerde mit der Begründung, wie sie in dem vom Antragsteller vorgelegten Entwurf enthalten ist, bestünde keine Erfolgsaussicht.

a) Soweit der Antragsteller die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend macht, wäre eine entsprechend begründete Nichtzulassungsbeschwerde unzulässig, da die grundsätzliche Bedeutung nicht i. S. von § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO dargelegt ist. Hierzu ist es zunächst erforderlich, eine konkrete Rechtsfrage klar zu bezeichnen, über die eine Entscheidung des Revisionsgerichts herbeigeführt werden soll. Es sind ferner substantiierte und konkrete Angaben darüber zu machen, aus welchen Gründen die erstrebte Revisionsentscheidung der Rechtsklarheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder der Rechtsentwicklung dienen kann, d. h. weshalb die Klärung der Rechtsfrage durch das Revisionsgericht im Interesse der Allgemeinheit liegt (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 115 Anm. 61, 62; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 15. Aufl., § 115 FGO Tz. 56). Dies gilt auch, wenn die grundsätzliche Bedeutung auf einen Verstoß gegen das Grundgesetz gestützt wird (BFH-Beschluß vom 14. Dezember 1987 V B 77/87, BFH/NV 1989, 27). Die Ausführungen des Antragstellers in seinem Beschwerdeentwurf entsprechen diesen Anforderungen nicht. Sie erschöpfen sich vielmehr -- trotz der Behauptung, es lägen grundsätzlich bedeutsame Verfassungsrechtsfragen vor -- hinsichtlich der Berücksichtigung von "Auslandskindern" in einer Kritik an der Rechtsauffassung des FG. Soweit der Antragsteller sich gegen die Nichtberücksichtigung seiner Aufwendungen für Fahrten zwischen A und B wendet, fehlt es bereits deshalb an einer Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung, weil er nicht substantiiert auf den entscheidungserheblichen Umstand eingeht, daß sich sein Wohnsitz nicht in B befand.

b) Die von dem Antragsteller erhobenen Verfahrensrügen betreffen erkennbar nicht das FG-Urteil, gegen welches eine Nichtzulassungsbeschwerde erhoben werden soll, sondern eine andere Entscheidung des FG.

Da das erstrebte Rechtsmittel offensichtlich unzulässig wäre, war die Beiordnung eines Prozeßvertreters abzulehnen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 420699

BFH/NV 1995, 913

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