Entscheidungsstichwort (Thema)

Rücknahme eines Rechtsmittels durch einen von mehreren Prozeßbevollmächtigten

 

Leitsatz (NV)

Haben zwei Prozeßbevollmächtigte unabhängig voneinander Nichtzulassungsbeschwerden in derselben Angelegenheit erhoben, ist nur ein Beschwerdeverfahren anhängig geworden. Dieses Verfahren wird durch die Rücknahme der Beschwerde eines Prozeßbevollmächtigten beendet.

 

Normenkette

FGO §§ 72, 125, 155; ZPO § 84

 

Tatbestand

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) wurde vor dem Finanzgericht (FG) von den Prozeßbevollmächtigten zu 1 vertreten. Die Prozeßvollmacht vom 2. November 1982 berechtigte auch zur Einlegung und zur Rücknahme von Rechtsmitteln. In dem klageabweisenden Urteil des FG war die Revision nicht zugelassen worden. Die Prozeßbevollmächtigten zu 1 erhoben mit Schriftsatz vom 12. Januar 1987 für den Kläger Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision. Schon vorher hatten die Prozeßbevollmächtigten zu 2 mit Schriftsatz vom 9. Januar 1987 für den Kläger Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision erhoben. Sie legten eine Prozeßvollmacht des Klägers vom 27. Februar 1987 vor. Die Prozeßbevollmächtigten zu 1 nahmen ,,ihre" Beschwerde mit Schriftsatz vom 15. Juni 1987 zurück.

 

Entscheidungsgründe

Das Beschwerdeverfahren war nach Zurücknahme der Beschwerde einzustellen.

Gemäß § 125 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann eine Revision zurückgenommen werden. Diese Vorschrift findet auf die Zurücknahme einer Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision entsprechende Anwendung; die Einstellung des Verfahrens (s. § 72 Abs. 2 Satz 2 FGO) kann im Interesse der Klarheit ausgesprochen werden (Gräber / Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 125 Anm. 9). Eine solche Klarstellung ist im Streitfall im Hinblick auf das unabgestimmte Verhalten der Prozeßbevollmächtigten angebracht.

Die Beschwerde des Klägers war mit dem Eingang des Schriftsatzes der Prozeßbevollmächtigten zu 2 anhängig geworden. Die weitere mit Schriftsatz der Prozeßbevollmächtigten zu 1 vom 12. Januar 1987 erhobene Beschwerde leitete nicht ein zweites Beschwerdeverfahren ein. Es wurde lediglich die vorangegangene Beschwerdeeinlegung durch die Prozeßbevollmächtigten zu 2 wiederholt, ohne daß das bereits anhängige Verfahren berührt worden wäre. Mehrere Bevollmächtigte sind gemäß § 84 der Zivilprozeßordnung (ZPO), § 155 FGO berechtigt, sowohl einzeln wie gemeinschaftlich die Partei (den Beteiligten) zu vertreten. Hier sind die Prozeßbevollmächtigten zu 1 und 2 einzeln aufgetreten. Das Anhängigwerden der Beschwerde durch die Prozeßbevollmächtigten zu 2 wirkte danach für den Kläger, unabhängig davon, daß sich die Prozeßbevollmächtigten zu 1 zunächst nicht äußerten. Die von diesen für den Kläger eingelegte Beschwerde entfaltete keine zusätzliche Wirkung.

Das eine anhängige Beschwerdeverfahren des Klägers wurde durch die Rücknahmeerklärung seiner Prozeßbevollmächtigten zu 1 beendet. Die Erklärung hatte den Verlust des Rechtsmittels zur Folge (s. § 125 Abs. 2 FGO). Hieran ändert nichts, daß die Prozeßbevollmächtigten zu 1 erklärten, sie nähmen ,,ihre" Beschwerde zurück. Es war, wie dargelegt, nur ein Beschwerdeverfahren anhängig, das jeder Prozeßbevollmächtigte (einzeln) durch Rücknahme beenden konnte. Hiervon machten die Prozeßbevollmächtigten zu 1 Gebrauch. Ihre Rücknahmeerklärung beschränkte sich nicht auf ihre eigenen Prozeßerklärungen. Sie betraf vielmehr das gesamte Prozeßrechtsverhältnis, auch soweit dieses durch Erklärungen der anderen Prozeßbevollmächtigten begründet worden war. Unbeachtlich wäre, wenn sich die Prozeßbevollmächtigten zu 1 über die Tragweite ihrer Erklärung geirrt haben sollten. Prozeßerklärungen sind nach ihrem objektiven Inhalt auszulegen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 423948

BFH/NV 1988, 453

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