Entscheidungsstichwort (Thema)

Zollwert bei Einschaltung eines Einkaufskommissionärs

 

Leitsatz (NV)

1. Der Begriff ,,Einkaufsprovision" (Art. 8 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i, Abs. 4 ZWVO) umfaßt nicht Beträge, die der Käufer dem Verkäufer zahlt.

2. Ist bei der Einschaltung eines Einkaufskommissionärs als ,,Kaufgeschäft" i. S. des Art. 3 ZWVO der Vertrag zwischen Hersteller und Kommissionär oder jener zwischen dem Kommissionär und dem Einführer oder die Transaktion zwischen Hersteller und Einführer anzusehen? Besteht ein Wahlrecht des Einführers bezüglich der Grundlage für die Zollwertermittlung (Vorlage an den EuGH)?

 

Normenkette

EWGV 1224/80 (ZWVO) Art. 3, 8 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i, Abs. 4

 

Tatbestand

Der BFH hat dem EuGH folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Welcher Vertrag ist im Falle der Einschaltung eines Einkaufsagenten, der im eigenen Namen, aber für fremde Rechnung handelt, als Kaufgeschäft i. S. des Art. 3 der VO Nr. 1224/80 anzusehen?

2. Falls die Antwort auf Frage 1 lautet, daß sowohl der Vertrag Hersteller / Agent als auch der Vertrag Agent / Einführer den Anforderungen des Art. 3 VO Nr. 1224/80 entspricht, und der Einführer den Preis aus seinem Vertrag mit dem Agenten als Grundlage für die Zollwertermittlung bestimmt hat: Ist die Einkaufsprovision zum gezahlten Preis hinzuzurechnen?

3. Falls die Antwort auf Frage 1 lautet, daß nur ein einziges Kaufgeschäft Hersteller / Einführer vorliegt: Muß die Einkaufsprovision in den Zollwert einbezogen werden, wenn der Einführer in der Rubrik ,,Verkäufer" der Zollwertanmeldung den Agenten und außerdem dessen Rechnungspreis (ohne Provision) angemeldet hat?

4. Falls die Antwort auf Frage 1 lautet, daß zwar der Vertrag Hersteller / Agent ein Kaufgeschäft ist, nicht aber der Vertrag Agent / Einführer: Wie ist nach dem gemeinschaftlichen Zollwertrecht der Zollwert zu ermitteln, wenn der Einführer den Zollwert wie in Frage 3 beschrieben angemeldet hat?

Die Klägerin führte in der Zeit vom 1. August 1983 bis 31. Mai 1986 Bestecke und Serviergeräte aus Fernost ein. Hersteller der Waren war die Firma Y (im folgenden: Y). Die Klägerin bediente sich beim Einkauf der Dienste der Firma Z (im folgenden: Z). Mit dieser Firma hatte sie 1982 eine entsprechende Vereinbarung abgeschlossen. Z wurde beim Einkauf als Einkaufskommissionär schweizerischen Rechts (Art. 425 ff. des schweizerischen Obligationenrechts) tätig, d. h. sie kaufte die Waren von Y im eigenen Namen, aber für Rechnung der Klägerin und lieferte sie nicht als Verkäufer, sondern im Rahmen des abgeschlossenen Kommissionsvertrages gegen Einkaufsprovision von 6 bzw. 7 v. H. und Auslagenersatz an die Klägerin weiter. Z erteilte der Klägerin jeweils ,,commercial invoices", in denen sie für die gelieferten Waren Preise in Rechnung stellte, die den Rechnungspreisen Z/Y voll entsprachen. Die Provisionen stellte Z gesondert in Rechnung.

Die Klägerin meldete in Zollanmeldungen und Zollwertanmeldungen in der Rubrik ,,Verkäufer" jeweils Z an, legte die Rechnungen von Z an sie vor und erwähnte die vereinbarten Provisionen nicht. Der Beklagte und Revisionskläger (das Hauptzollamt - HZA -) ermittelte den Zollwert nach Art. 3 der Verordnung (EWG) Nr. 1224/80 (VO Nr. 1224/80) des Rates vom 28. Mai 1980 über den Zollwert der Waren (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft - ABlEG - L 134/1) unter Zugrundelegung der Rechnungspreise Z/Klägerin ohne Einkaufsprovision. Nach Durchführung einer Einfuhrhandelsprüfung bei der Klägerin bezog das HZA die bezahlten Einkaufsprovisionen in den Zollwert ein und erhob mit Steueränderungsbescheid . . . . . . DM Zoll nach. Diese Nacherhebung entsprach einer allgemeinen Weisung des BMF, die auch heute noch gilt und in der es heißt, Einkaufskommissionäre (auch Einkaufsagenten, -agenturen, -gesellschaften usw. bezeichnet), die im eigenen Namen, wenn auch für fremde Rechnung handelten, seien Käufer im Sinne von Art. 6 der Verordnung (EWG) Nr. 1495/80 (VO Nr. 1495/80) der Kommission vom 11. Juni 1980 zur Durchführung einiger Vorschriften der VO Nr. 1224/80 (ABlEG L 154/14).

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage im wesentlichen mit folgender Begründung statt: Zwischen Klägerin und Z sei kein Kaufgeschäft zustandegekommen. Die Waren seien aufgrund eines Geschäftsbesorgungsvertrages geliefert worden. Der Zollwert könne daher nicht nach Art. 3 VO Nr. 1224/80 ermittelt werden. Es komme nur eine Bewertung nach Art. 2 Abs. 3 VO Nr. 1224/80 in Betracht. In analoger Anwendung von Art. 3, Art. 8 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i VO Nr. 1224/80 sei der von der Klägerin angemeldete, ihr von Z in Rechnung gestellte Betrag ohne Einbeziehung der Einkaufsprovision als Zollwert festzustellen.

Mit seiner Revision trägt das HZA vor: Ob ein Kaufgeschäft im Sinne von Art. 3 VO Nr. 1224/80 vorliege, könne nicht aus einem nationalen Recht abgeleitet werden. Es könne nur ein zollwertspezifischer und für die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft einheitlicher Zollwertbegriff angewendet werden. Als Transaktion im Sinne von Art. 3 VO Nr. 1224/80 gelte diejenige Geld- und Warenbewegung, die zwischen dem Zollbeteiligten und demjenigen stattfinde, der diesem die Ware im eigenen Namen verschaffe, die Rechnung stelle und an den der Kaufpreis zu zahlen sei. Das Ziel, das die Klägerin anstrebe, nämlich die Nichtberücksichtigung des als ,,Provision" bezeichneten Teils des Kaufpreises, hätte sie nur erreichen können, wenn sie eine andere als die hier zu beurteilende Transaktion ihrer Zollwertanmeldung zugrunde gelegt hätte, nämlich diejenige zwischen Y und Z. Ihre in der Zollwertanmeldung einmal getroffene Entscheidung könne die Klägerin nicht nachträglich ändern.

Die Klägerin ist dagegen der Auffassung, daß ein Einkaufskommissionär wie die Z als Nichtkäufer anzusehen sei. Das sei auch die Auffassung des EWG-Ausschusses für den Zollwert nach Art. 17 ff. VO Nr. 1224/80 (Schlußfolgerung Nr. 14) und des Technischen Ausschusses für den Zollwert beim Brüsseler Zollrat (Verlautbarungen Teil C Abschn. III, Provisionen und Maklerlöhne).

 

Entscheidungsgründe

Es stellen sich Fragen nach der Auslegung des Gemeinschaftsrechts, insbesondere des Art. 3 VO Nr. 1224/80, so daß der Senat nach Art. 177 Abs. 3 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zur Einholung einer Vorabentscheidung des Gerichtshofs verpflichtet ist.

Die Frage, ob die von der Klägerin an die Z gezahlte Einkaufsprovision zum Zollwert gehört, wird durch Art. 8 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i und Abs. 4 VO Nr. 1224/80, wonach bei der Ermittlung des Zollwerts nach Art. 3 ,,Einkaufsprovisionen" nicht hinzuzurechnen sind, nicht entschieden; denn dieser Begriff erfaßt Beträge nicht, die der Käufer dem Verkäufer zahlt (Urteil des Gerichtshofs vom 6. Juni 1990 Rs C - 11/89, Absatz 24 der Gründe, HFR 1990, 462). Es geht im vorliegenden Verfahren also im Grunde um die Auslegung des Begriffs ,,Kaufgeschäft" im Sinne des Art. 3 VO Nr. 1224/80.

Der Vertrag Y/Z ist wohl als Kaufvertrag anzusehen, da Z gegenüber Y im eigenen Namen aufgetreten ist; daß das für fremde Rechnung geschehen ist, ändert daran nichts. Der Lieferung der Waren von Z an die Klägerin liegt dagegen jedenfalls nach schweizerischem Recht kein Kaufvertrag, sondern ein Geschäftsbesorgungsvertrag zugrunde; Z hat der Klägerin daher zivilrechtlich gesehen auch keinen Kaufpreis in Rechnung gestellt, sondern ihre Auslagen aus dem Kaufvertrag mit Y und - getrennt davon - ihre Provision als Einkaufskommissionär. Ginge man davon aus, daß nach Art. 3 VO Nr. 1224/80 die beiden Geschäfte in gleicher Weise zu beurteilen sind, so käme im vorliegenden Fall als Grundlage der Bewertung nur der Kaufvertrag Y/Z in Betracht. Daran könnte auch die Zollwertanmeldung der Klägerin mit dem Hinweis allein auf das Geschäft Z/Klägerin nichts ändern. Anders als in dem vom Gerichtshof durch das zitierte Urteil entschiedenen Fall hat die Klägerin - die genannte zivilrechtliche Auffassung als richtig unterstellt - kein Wahlrecht zwischen zwei möglichen Preisen im Sinne des Art. 3 VO Nr. 1224/80. Da aber jedenfalls ein Kaufgeschäft in dem Vertrag Y/Z liegt und daher der Zollwert - im Gegensatz zur Auffassung der Vorinstanz - nach der Methode des Art. 3 VO Nr. 1224/80 zu ermitteln ist (vgl. auch Art. 2 Abs. 1 VO Nr. 1224/80), könnte nur der Preis aus diesem Geschäft der Zollwertermittlung zugrunde gelegt werden. Eine Hinzurechnung der Provision käme dann nicht in Betracht.

Der Senat ist jedoch der Auffassung, daß der Begriff des Kaufgeschäfts im Sinne des Art. 3 VO Nr. 1224/80 unabhängig von den Festlegungen im bürgerlichen Recht einzelner Staaten auszulegen ist. Nur so kann die einheitliche Rechtsanwendung innerhalb der Gemeinschaft sichergestellt werden. Den wirtschaftlichen Gegebenheiten und den praktischen Erfordernissen am ehesten würde die Auffassung entsprechen, daß der Einkaufsagent wegen seines Handelns für fremde Rechnung stets - d. h. auch, wenn er nach außen im eigenen Namen gehandelt hat - im Sinne des gemeinschaftlichen Zollwertrechts als Nichtkäufer anzusehen ist, d. h. daß die Transaktion zwischen Hersteller und Einführer als Kaufgeschäft i. S. des Art. 3 VO Nr. 1224/80 anzusehen ist.

Dieser Auffassung sind offenbar auch der EWG-Ausschuß für den Zollwert und der Technische Ausschuß für den Zollwert beim Brüsseler Zollrat (vgl. die obigen Zitate). Aus Art. 6 VO Nr. 1495/80 ergibt sich nichts Gegenteiliges, weil diese Vorschrift keine Definition des Begriffs ,,Kaufgeschäft" enthält.

Folgt man dieser Auffassung, so ist die Bewertung nach Art. 3 VO Nr. 1224/80 durchzuführen. Als gezahlter oder zu zahlender Preis kommt nur ein Preis in Betracht, nämlich der vom Hersteller in Rechnung gestellte bzw. der damit identische vom Agenten dem Einführer in Rechnung gestellte Preis (ohne Provision). Da es im Gegensatz zu dem vom Gerichtshof im zitierten Urteil entschiedenen Fall keine verschiedenen Preise gibt, die alle den Anforderungen des Art. 3 VO Nr. 1224/80 entsprechen, gibt es kein Wahlrecht des Einführers. Es ist also gleichgültig, ob sich der Einführer in der Zollwertanmeldung auf den Preis des Agenten bezieht und ihn als Verkäufer bezeichnet. Die Provision ist jedenfalls nach Art. 8 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i VO Nr. 1224/80 nicht hinzuzurechnen.

Anderer Auffassung ist das HZA, das entsprechend der Anweisung des BMF davon ausgeht, daß zwei verschiedene ,,Kaufgeschäfte" im Sinne des Art. 3 VO Nr. 1224/80 vorliegen, deren Preise in Höhe der gezahlten Provision differieren. Trifft das zu, so liegt ein Parallelfall zu jenem vom Gerichtshof im zitierten Urteil entschiedenen Fall vor. Die Klägerin konnte dann den Preis bestimmen, der Grundlage für die Zollwertermittlung sein sollte, hat das in der Zollwertanmeldung getan und ist an die einmal getroffene Wahl gebunden. In diesem Fall gehört die Einkaufsprovision zum gezahlten Preis, da sich die Klägerin für den Preis aus dem Geschäft mit Z entschieden hatte. Anders wäre es dann, wenn die Klägerin in der Zollwertanmeldung den Preis von Y angemeldet hätte.

 

Fundstellen

Haufe-Index 417231

BFH/NV 1991, 711

BFHE 1991, 274

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