1 Systematische Einordnung

Die fehlende Harmonisierung der Steuerregelungen innerhalb der EU und weltweit eröffnet international operierenden Unternehmensgruppen die Möglichkeit, durch Maßnahmen der legalen Steuerplanung Einkünfte in niedrig besteuernde Gebiete zu verlagern, unbesteuerte Einkünfte zu schaffen oder Betriebsausgaben in mehr als einem Staat abzuziehen. Die damit verbundene Erosion der Steuerbasis der Staaten hat zunehmend die Finanzierung der Staatsaufgaben behindert und in der Bevölkerung das Vertrauen in die Gerechtigkeit und Gleichmäßigkeit der Besteuerung unterminiert. Aggressive, wenn auch legale Steuerplanung kann auch zu Wettbewerbsverzerrungen führen, da international tätige Unternehmensgruppen die Steuerbelastung durch Maßnahmen reduzieren können, die kleinen und mittelständischen Unternehmen nicht oder nicht in gleichem Ausmaß zur Verfügung stehen.

Um insoweit gegenzusteuern, wurde auf Aufforderung der G 20-Staaten und der OECD im Jahr 2013 der Aktionsplan für das BEPS-Projekt entwickelt (BEPS = Base Erosion and Profit Shifting) und 15 Arbeitsgruppen zu den jeweils 15 Aktionspunkten eingerichtet. Am 5.10.2015 wurden die Empfehlungen der Arbeitsgruppen veröffentlicht, die in ihren Berichten konkrete und umsetzbare Maßnahmen vorgeschlagen haben. Im Anschluss daran haben OECD durch Anpassung des OECD-MA, des OECD-MK und der Verrechnungspreisrichtlinien und EU durch Ergänzung der Amtshilferichtlinie und Erlass von Richtlinien (Anti Tax Avoidance Directive – ATAD I und II) die Umsetzung dieser Maßnahmen in Angriff genommen.

2 Inhalt

Die 15 Aktionspunkte betreffen folgende Bereiche, wobei für Einzelheiten auf die einzelnen Stichworte verwiesen wird:

Aktionspunkt 1: Steuerliche Herausforderungen der Digitalisierung

Der Bericht über die steuerlichen Probleme der Digitalisierung stellt eine umfassende Materialsammlung dar, hat aber keine konkreten Lösungen aufgezeigt, sondern weitere Analysen vorgeschlagen. In der Weiterentwicklung entstand das 2-Säulen-Konzept (Pillar I und Pillar 2) dem die G 20 – Finanzminister am 9./10. Juli 2021 zugestimmt haben. Die Fortentwicklung zu Gesetzesvorschlägen ist gegenwärtig in Arbeit.

Aktionspunkt 2: Hybride Gestaltungen

Hybride Gestaltungen liegen vor, wenn Finanzinstrumente oder Gesellschaftsformen in verschiedenen Staaten unterschiedlich qualifiziert werden. Dadurch können Zahlungen entstehen, die in dem Staat des Zahlenden steuerlich abgezogen, im Staat des Empfängers aber nicht besteuert werden (deduction – non inclusion: D/NI) oder in beiden Staaten als Betriebsausgaben abgezogen werden können (deduction – deduction: D/D). Die EU hat in ATAD II Regelungen hiergegen entwickelt, die in Deutschland in § 4k EStG umgesetzt wurden.[1]

Aktionspunkt 3: Standards für die Hinzurechnungsbesteuerung

Die Maßnahme zielt auf die Entwicklung von Mindeststandards für ein effektives System der Hinzurechnungsbesteuerung. Die EU hat dies in ATAD I aufgenommen. Deutschland hat die §§ 7ff AStG durch das ATAD-Umsetzungsgesetz entsprechend angepasst.

Aktionspunkt 4: Verhinderung von Steuerverkürzungen durch Regelungen zur Versagung des Zinsabzugs

Verhindert werden soll eine übermäßige Gesellschafter-Fremdfinanzierung, weil dadurch Besteuerungspotenzial aus dem Quellenstaat in den Staat des Zinsempfängers, der häufig in einem niedrig besteuernden Gebiet ansässig ist, verlagert werden kann. In ATAD I wurde eine Regelung entsprechend der deutschen Zinsschranke aufgenommen. Da dies den §§ 4h EStG, 8a KStG entspricht, war keine Anpassung des deutschen Rechts erforderlich.

Aktionspunkt 5: Bekämpfung schädlicher Steuerpraktiken unter Berücksichtigung von Transparenz und Substanz

Der Aktionspunkt zielt insbesondere auf Steuerbegünstigungen für Einkünfte, der keine Wertschöpfung in dem besteuernden Staat entspricht, sowie auf Steueroasen. Betroffen sind in erster Linie Vorzugssysteme bei der Besteuerung von Patenteinnahmen (sog. Patentbox). Es wurde das Nexus-Prinzip eingeführt, wonach Aufwendungen für Rechteüberlassung nicht abziehbar sind, wenn sie im Empfängerland keiner effektiven Besteuerung unterliegen und in diesem Staat keine Wertschöpfung hinsichtlich der immateriellen Rechte erfolgt. Umgesetzt wurde dies in § 4j EStG.

Maßnahmen gegen Steueroasen zielen auf niedrig besteuernde Staaten oder Gebiete, die den OECD- und EU-Maßstäben an Transparenz dadurch nicht entsprechen, dass sie nicht an einem wirksamen Auskunftsverkehr teilnehmen. Umgesetzt wurde dies in dem Steueroasen-Abwehrgesetz.[2]

Aktionspunkt 6: Verhinderung von Abkommensmissbrauch

Die Maßnahmen richten sich gegen das Erschleichen von Abkommensvergünstigungen (Treaty Shopping). Entsprechende Klauseln sind in DBA enthalten, beispielsweise in der Limitation-of-Benefit-Klausel des Art. 29 OECD-MA 2017. Generelle Klauseln zur Vermeidung von Missbräuchen könnten, soweit sie noch nicht in DBA verankert sind, durch das Multilaterale Instrument (siehe Aktionspunkt 15) eingeführt werden. Daneben bestehen nationale Regeln, in Deutschland § 50d Abs. 9 EStG, aber auch § 42 AO.

Ak...

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