Entscheidungsstichwort (Thema)

Tarifliche Vergütungssicherung bei gesundheitlich bedingtem Ausscheiden aus dem Schichtdienst. Feststellung dauerhafter Schichtdienstuntauglichkeit nach Versetzung auf einen Arbeitsplatz ohne Schichtarbeit. Tarifauslegung. Zulage

 

Orientierungssatz

Wird bei einem Arbeitnehmer nach vorübergehender Schichtdienstuntauglichkeit iSv. § 31 Abs. 3 Unterabs. 3 MTV Nr. 14 Bodenpersonal durch den Betriebs- oder Facharzt dauernde Schichtdienstuntauglichkeit festgestellt, so hat der aus dem Schichtdienst ausgeschiedene Arbeitnehmer Anspruch auf die volle Verdienstsicherung gem. § 31 Abs. 3 Satz 1 MTV, auch wenn er inzwischen auf einen Arbeitsplatz ohne Schichtdienst versetzt wurde.

 

Normenkette

BGB §§ 133, 242; MTV Nr. 14 Bodenpersonal vom 31. August 1992 §§ 31, 8; MTV Nr. 14 Bodenpersonal vom 31. August 1992 § 22

 

Verfahrensgang

Hessisches LAG (Urteil vom 22.11.2002; Aktenzeichen 3 Sa 1021/01)

ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 15.03.2001; Aktenzeichen 16 Ca 9497/99)

 

Tenor

  • Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 22. November 2002 – 3 Sa 1021/01 – wird zurückgewiesen.
  • Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger nach ärztlich attestierter dauerhafter Schichtdienstuntauglichkeit Anspruch auf Fortzahlung der vollen Schichtzulage für den tariflich vorgesehenen Zeitraum hat.

Der am 5. Oktober 1963 geborene Kläger war bei der Beklagten als Flugzeugelektroniker im Drei-Schicht-Betrieb auf dem Flughafen Frankfurt am Main tätig. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden die bei der Beklagten geltenden Tarifverträge Anwendung. Dazu gehört der Manteltarifvertrag Nr. 14 Bodenpersonal vom 31. August 1992 (nachfolgend MTV) und der Vergütungstarifvertrag (nachfolgend VTV). Der Kläger erhielt eine Vergütung nach der Grundvergütungsgruppe 12 des VTV. In den hier interessierenden Teilen enthält der MTV folgende Regelungen:

“ § 8 Verteilung der täglichen Grundarbeitszeit

(2) Die Lage der täglichen Grundarbeitszeit wird durch Schichtpläne geregelt, wenn die betrieblichen Verhältnisse die Ableistung der Arbeit über einen bestimmten Zeitraum (Schichtperiode) in Schichten erfordern und der tägliche Arbeitsbeginn sich bei den Schichtabschnitten derselben Periode oder innerhalb des Schichtabschnittes regelmäßig ändert (Schichtdienst).

§ 22 Schicht- und Nachtzulage

(1) Die im Schichtdienst beschäftigten Mitarbeiter erhalten eine Schichtzulage gemäß Anlage 1 des Vergütungstarifvertrages.

§ 31 Sicherung der Vergütung bei Leistungsminderung

(1) Ist der Mitarbeiter nach mindestens einjähriger Beschäftigungszeit bei der DLH/LSG/CFG infolge eines Arbeitsunfalls im Sinne der RVO oder nach mindestens zweijähriger Beschäftigungszeit infolge einer Berufskrankheit im Sinne der RVO nicht mehr voll leistungsfähig, so behält er die jeweilige Grundvergütung seiner bisherigen Vergütungsgruppe, wenn ihm wegen seiner verminderten Leistungsfähigkeit eine geringer bewertete Arbeit zugewiesen wird. Eine Funktionszulage behält der Mitarbeiter in der zuletzt bezogenen Höhe, wenn er diese Zulage bei Eintritt der Leistungsminderung für dieselbe Tätigkeit mindestens 3 Jahre ununterbrochen bezogen hat. Zulagen für die zugewiesene Arbeit werden insoweit gezahlt, als sie über die Zulagen nach Unterabsatz (2) hinausgehen.

Sind solche Zulagen in Prozentsätzen der Grundvergütung vorgesehen, werden sie aus der Grundvergütung errechnet, die der zugewiesenen Arbeit entspricht.

Ist in einem Vergütungsabrechnungszeitraum die der zugewiesenen Arbeit entsprechende Vergütung höher als die nach den Unterabsätzen (1) und (2) garantierte Vergütung, finden die Vorschriften über die Sicherung der Vergütung keine Anwendung.

(3) Mitarbeiter, die Schicht- oder Nachtzulage erhalten und aus gesundheitlichen Gründen aus dem Schicht- oder Nachtdienst ausscheiden müssen, erhalten, wenn sie mindestens 5 volle Jahre Schicht- oder Nachtdienst geleistet haben, für jedes Jahr des geleisteten Schichtdienstes für einen Monat – höchstens für einen Zeitraum von 15 Monaten – einen Betrag weitergezahlt, der sich nach folgender Formel berechnet:

Gesamtbetrag der in den letzten 13 Wochen vor dem Ausscheiden, in denen der Mitarbeiter tatsächlich gearbeitet hat, ausgezahlten Nacht- und Sonntagszuschläge, geteilt durch 3. Dieser Betrag wird um die zuletzt gezahlte Schicht- oder Nachtzulage erhöht.

Hat der Mitarbeiter im Zeitraum der letzten 13 Wochen vor dem Ausscheiden nicht in vollem Umfang tatsächlich gearbeitet, so verlängert sich der Berechnungszeitraum um die zu 13 Wochen fehlende Zeit, in der er tatsächlich gearbeitet hat.

Scheidet der Mitarbeiter vorübergehend aus dem Schichtdienst aus, wird jeweils die Hälfte des nach der obigen Formel errechneten Betrages weitergezahlt. Diese Zahlungen werden bei einem dauernden Ausscheiden aus dem Schicht- oder Nachtdienst gemäß Satz 1 angerechnet.

b) Die Feststellung der Schichtdienstuntauglichkeit erfolgt durch den Betriebs- oder Facharzt.

(4) Leistungen nach den Abs. (1), (2) und (3) werden nur gewährt, sofern und soweit der Mitarbeiter keine gesetzlichen Ansprüche wegen des leistungsmindernden Umstandes hat.”

Durch betriebsärztliche Stellungnahme vom 13. Mai 1998 wurde festgestellt, daß der Kläger nur noch im Früh- und Tagesdienst einsatzfähig sei und eine Wiedervorstellung zur ärztlichen Untersuchung in einem Jahr erfolgen solle. Auf Grund dieses ärztlichen Attestes wurde der Kläger in der Zeit vom 26. Mai 1998 bis zum 30. Juni 1998 im Frühdienst eingesetzt. Eine Schichtzulage erhielt der Kläger ab diesem Zeitpunkt nicht mehr. Nach Kenntnisnahme der Schichtdienstuntauglichkeit des Klägers regte der Vorgesetzte des Klägers an, daß der Kläger die Möglichkeit einer Bewerbung auf eine andere Stelle in Betracht ziehen sollte. Am 16. Mai 1998 bewarb sich der Kläger auf eine bei der Beklagten intern ausgeschriebene Stelle als “Sachbearbeiter Berichtswesen” mit der Höchstbewertung nach Vergütungsgruppe 14 des VTV, die in gleitender Arbeitszeit ausgeübt wird. Mit Wirkung ab dem 1. Juli 1998 erfolgte die Versetzung des Klägers auf diesen Arbeitsplatz. Der Kläger wurde in dieser Funktion bis zum 31. Dezember 1998 nach Vergütungsgruppe 12, im Jahr 1999 nach Vergütungsgruppe 13 und seit dem 1. Januar 2000 nach Vergütungsgruppe 14 vergütet. Die monatliche Differenz zwischen den Vergütungsgruppen 12 und 14 betrug im Januar 2000 529,63 DM brutto. Die zuletzt vom Kläger bezogene Schichtzulage belief sich im April 1998 auf 1.776,03 DM brutto. Durch betriebsärztliches Attest vom 15. April 1999 wurde die dauernde Schichtdienstuntauglichkeit des Klägers festgestellt. Die Beklagte hat an den Kläger unter Berufung auf § 31 Abs. 3 MTV für die Zeit vom Mai 1998 bis Mai 1999 die hälftige tarifliche Schichtzulagenfortzahlung in Höhe von insgesamt 8.969,28 DM brutto gezahlt.

Der Kläger hat geltend gemacht, er habe Anspruch auf 100 % der Schichtzulagenfortzahlung gemäß § 31 Abs. 3 MTV. Er sei mit dem 26. Mai 1998 aus gesundheitlichen Gründen aus dem Schichtdienst ausgeschieden, gem. dem ärztlichen Attest vom 15. April 1999 dauerhaft. Die vor dieser ärztlichen Feststellung erfolgte Bewerbung und nachfolgende Versetzung auf einen Arbeitsplatz ohne Schichtdienst führe nicht zum Wegfall des Anspruchs auf Fortzahlung der vollen Schichtzulage.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 8.969,28 DM brutto (4585,92 Euro) zu zahlen.

Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag die Ansicht vertreten, Sinn und Zweck des § 31 MTV sei es nicht, einen Mitarbeiter mit voller Schichtzulagenfortzahlung zu belohnen, der sich freiwillig und sofort nach seiner zunächst nur vorübergehend festgestellten Schichtdienstuntauglichkeit auf eine zudem höher bewertete Stelle wegbewerbe. Der Anspruch auf Fortzahlung der Zulage setze vielmehr voraus, daß ein Anspruch auf Zahlung einer Schichtzulage auf diesem Arbeitsplatz bestehe und dieser Arbeitsplatz auch weiterhin beibehalten werde. Ein weiterer Einsatz auf dem alten Arbeitsplatz über den 30. Juni 1998 hinaus sei auch möglich gewesen. Die Geltendmachung des Anspruchs verstoße im Hinblick auf die Bewerbung des Klägers und seine Versetzung auf einen Arbeitsplatz ohne Schichtdienst gegen § 242 BGB. Er sei mit der Versetzung am 1. Juli 1998 dauerhaft aus dem Schichtdienst ausgeschieden, jedoch nicht aus gesundheitlichen Gründen. Eine Gewährung der vollen Zulage bedeute eine Ungleichbehandlung gegenüber Mitarbeitern, die sich auf einen anderen Arbeitsplatz ohne Schichtarbeit bewerben, ohne daß sie schichtdienstuntauglich seien, oder deren Schichtdienst gänzlich eingestellt werde.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten blieb erfolglos. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte weiterhin Klageabweisung.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Der Kläger hat Anspruch auf die volle Weiterzahlung der Schichtzulage gem. § 31 Abs. 3 MTV.

I. Das Landesarbeitsgericht hat die streitige Tarifnorm dahin ausgelegt, daß Anknüpfungspunkt für die Schichtzulagenfortzahlung allein der Umstand sei, daß der Mitarbeiter die bisher auf Grund seiner Schicht- bzw. Nachtarbeit verdiente Zulage aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr erzielen könne. Der Kläger sei am 26. Mai 1998 aus dem Schichtdienst ausgeschieden und habe ab diesem Zeitpunkt keine Zulage mehr erhalten. Anlaß dieses Ausscheidens sei die ärztliche Feststellung vom 13. Mai 1998 gewesen. Eine von diesem Anlaß losgelöste freiwillige Aufgabe des bisherigen Arbeitsplatzes liege nicht vor. Es seien auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, daß der Kläger für seine Bewerbung andere Gründe gehabt habe als die zuvor festgestellte Schichtdienstuntauglichkeit. Mit der Bewerbung habe der Kläger auf Anregung seines Vorgesetzten der Erkenntnis Rechnung getragen, daß er durch die gesundheitlich bedingte Schichtdienstuntauglichkeit betriebliche Abläufe erschwere. Unerheblich sei, daß die dauernde Schichtdienstuntauglichkeit erst am 15. April 1999 festgestellt worden sei. Die Tarifvorschrift differenziere nämlich nicht danach, ob der betreffende Arbeitnehmer im Zeitpunkt des Übergangs von der vorübergehenden zur dauernden Schichtdienstuntauglichkeit noch auf seinem früheren Arbeitsplatz tätig sei. Die von der Beklagten befürwortete Auslegung der Tarifnorm würde dazu führen, daß entgegen dem erkennbaren Ziel der Regelung ein Mitarbeiter im Anschluß an eine vorübergehende Schichtdienstuntauglichkeit nie in den Genuß der vollen Verdienstsicherung gelangen könne, weil er dann gerade nicht mehr im Schichtdienst arbeite. Auch das Argument der Beklagten, daß mit der Versetzung des Klägers ein “berufliches Fortkommen” verbunden gewesen sei, könne dem Klageanspruch nicht entgegen gehalten werden, weil der Kläger trotz höherer Grundvergütung durch den Wegfall der Schichtzulage Einkommensverluste hinnehmen müsse.

II. Dem folgt der Senat im Ergebnis und in der Begründung.

1. Die Auslegung des normativen Teils von Tarifverträgen folgt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Auszugehen ist vom Tarifwortlaut. Zu erforschen ist der maßgebliche Sinn der Erklärung, ohne am Wortlaut zu haften (§ 133 BGB). Der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und damit der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm ist mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang ist abzustellen. Verbleiben noch Zweifel, können weitere Kriterien wie Tarifgeschichte, praktische Tarifübung und Entstehungsgeschichte des jeweiligen Tarifvertrages ohne Bindung an eine bestimmte Reihenfolge berücksichtigt werden. Im Zweifel ist die Tarifauslegung zu wählen, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Lösung führt (BAG 31. Juli 2002 – 10 AZR 578/01 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Wohnungswirtschaft Nr. 3 = EzA BGB § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 167 mwN).

2. Zu Recht haben die Vorinstanzen dem Wortlaut des § 31 Abs. 3 MTV entnommen, daß einzige Anspruchsvoraussetzung für eine Weiterzahlung der Schichtzulage nach der in der Tarifvorschrift enthaltenen Formel ist, daß der Mitarbeiter aus gesundheitlichen Gründen aus dem Schichtdienst entweder vorübergehend oder auf Dauer ausscheidet. Dem Wortlaut der Bestimmung lassen sich andere Tatbestandsvoraussetzungen für den geltend gemachten Anspruch nicht entnehmen. Er ist damit auch die Grenze jeder Auslegung.

a) Der Kläger ist iSv. § 31 Abs. 3 MTV am 26. Mai 1998 endgültig aus dem Schichtdienst ausgeschieden. Daran ändert auch die Tatsache nichts, daß die dauernde Schichtdienstuntauglichkeit erst am 15. April 1999 festgestellt worden ist und der Kläger zu diesem Zeitpunkt auf einem Arbeitsplatz tätig war, der nicht im Schichtdienst ausgeübt wird. Nach den Bestimmungen des MTV liegt eine den Anspruch auf eine Schichtzulage auslösende Arbeit im Schichtdienst dann vor, wenn die Ableistung der Arbeit über einen bestimmten Zeitraum in Schichten erfolgt und der tägliche Arbeitsbeginn sich bei den Schichtabschnitten derselben Periode oder innerhalb des Schichtabschnitts regelmäßig ändert (§ 8 Abs. 2, § 22 Abs. 1 MTV). Seit dem 26. Mai 1998 hat der Kläger bei der Beklagten keine Schichtarbeit nach dieser Definition geleistet. Soweit die Schichtdienstuntauglichkeit auf Grund der ärztlichen Stellungnahme vom 13. Mai 1998 zunächst lediglich vorübergehend für ein Jahr angenommen worden ist, hat das Ausscheiden des Klägers aus dem Schichtdienst einen Anspruch nach § 31 Abs. 3 Unterabs. 3 MTV ausgelöst. Mit der Feststellung der dauernden Schichtdienstuntauglichkeit am 15. April 1999 hat der Kläger dann einen Anspruch auf die volle Schichtzulagenfortzahlung erworben.

Sinn und Zweck der Tarifvorschrift bestehen nach der Überschrift der Norm und des Regelungsinhalts darin, im Falle einer Lohn- bzw. Gehaltseinbuße auf Grund einer gesundheitlich begründeten Leistungsminderung den betreffenden Mitarbeitern die bisherige Vergütung zu sichern bzw. im Falle des Ausscheidens aus dem Schichtdienst für einen bestimmten Zeitraum die Fortzahlung der Schichtzulage zu gewährleisten. Die Gehaltseinbuße realisiert sich bei den Mitarbeitern und so auch beim Kläger mit dem Zeitpunkt des tatsächlichen Ausscheidens aus dem Schichtdienst und nicht mit dem Ausstellungstag der diesem Ausscheiden zugrunde liegenden ärztlichen Stellungnahme. Diesem Umstand haben die Tarifvertragsparteien Rechnung getragen, indem sie in § 31 Abs. 3 Unterabs. 3 Satz 3 MTV auch die Möglichkeit geregelt haben, daß das vorübergehende Ausscheiden aus dem Schichtdienst zu einem dauernden Ausscheiden wird. Für diesen Fall ist nämlich ausdrücklich bestimmt, daß die wegen eines vorübergehenden Ausscheidens aus dem Schichtdienst erfolgten Zahlungen bei einem dauernden Ausscheiden aus dem Schicht- oder Nachtdienst gemäß Satz 1 angerechnet werden. Mit der ausdrücklichen Bezugnahme auf Satz 1 des § 31 Abs. 3 MTV wird klargestellt, daß ein Mitarbeiter der zunächst vorübergehend und nachfolgend auf Dauer aus dem Schichtdienst ausscheidet, Anspruch auf Schichtzulagenfortzahlung in voller Höhe hat und zwar ab dem Zeitpunkt seines tatsächlichen Ausscheidens aus dem Schichtdienst. Entgegen der Auffassung der Beklagten findet somit die den Entscheidungen der Vorinstanzen zugrunde liegende retrospektive Betrachtungsweise ihre Grundlage im Wortlaut der streitigen Tarifnorm.

b) Der Kläger ist auch aus gesundheitlichen Gründen aus dem Schichtdienst ausgeschieden. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht auf Grund der getroffenen tatsächlichen Feststellungen darauf abgestellt, daß der Kläger aus Anlaß der ärztlichen Stellungnahme vom 13. Mai 1998 aus dem Schichtdienst ausgeschieden ist. Nach den vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen war allein die ärztliche Stellungnahme vom 13. Mai 1998 über die Schichtdienstuntauglichkeit der Anlaß für die vom Vorgesetzten des Klägers angeregte Bewerbung auf eine andere Stelle. Deshalb stellt das Begehren des Klägers weder eine unzulässige Rechtsausübung noch ein widersprüchliches Verhalten dar, welches gem. § 242 BGB zu beanstanden wäre. Die nach dem tatsächlichen Ausscheiden des Klägers aus dem Schichtdienst mit Wirkung zum 1. Juli 1998 wirksam gewordene Versetzung auf einen Arbeitsplatz außerhalb des Schichtdienstes führt nicht zum Verlust des Anspruchs aus § 31 Abs. 3 Satz 1 MTV. § 31 Abs. 3 MTV unterscheidet gerade nicht danach, ob der zunächst vorübergehend schichtdienstuntaugliche Mitarbeiter zum Zeitpunkt der ärztlichen Entscheidung über die dauernde Schichtdienstuntauglichkeit einen Arbeitsplatz innehat, der grundsätzlich im Schichtdienst ausgeübt wird oder nicht. Eine solche Unterscheidung ist bei Zugrundelegung von Sinn und Zweck der Tarifnorm auch nicht erforderlich. In beiden Fällen ist der betroffene Mitarbeiter nämlich wegen einer gesundheitlich begründeten Leistungsminderung nicht mehr in der Lage, den Schichtzuschlag zu verdienen.

c) Auch die Tatsache, daß mit der Versetzung des Klägers wegen des Erreichens einer höheren Grundvergütungsgruppe ein “berufliches Fortkommen” verbunden ist, führt nicht zum Verlust des geltend gemachten Anspruchs. Dies folgt aus der systematischen Stellung des Absatzes 3 im Normengefüge des § 31 MTV. Für die nach den Unterabsätzen 1 und 2 des § 31 Abs. 1 MTV garantierte Vergütung haben die Tarifvertragsparteien ausdrücklich geregelt, daß diese Vorschriften dann keine Anwendung finden, wenn die der zugewiesenen Arbeit entsprechende Vergütung höher ist, als die garantierte Vergütung. Eine entsprechende Regelung für die Ansprüche nach § 31 Abs. 3 MTV haben die Tarifvertragsparteien nicht getroffen. Nur beim Bestehen gesetzlicher Ansprüche sollen die Leistungen nach den Absätzen 1, 2 und 3 nicht gewährt werden (§ 31 Abs. 4 MTV). Dieser Umstand spricht für den Willen der Tarifvertragsparteien, den Anspruch auf Zahlung der Beträge gemäß § 31 Abs. 3 MTV einzig und allein an die Voraussetzung zu knüpfen, daß der betreffende Mitarbeiter aus gesundheitlichen Gründen seinen Anspruch auf eine Schichtzulage verliert. Die Abhängigkeit der Zeitdauer der Fortzahlung der Schichtzulage von der Dauer der geleisteten Schichtarbeit des betreffenden Mitarbeiters läßt den Schluß zu, daß die Tarifvertragsparteien mit der Fortzahlung der Zulage in diesen Fällen neben der Verdienstsicherung auch die in der Vergangenheit mit der Schichtarbeit verbundene Belastung honorieren wollten. Im übrigen verdient der Kläger trotz höherer Grundvergütung deutlich weniger, als er bei fortdauernder Schichtarbeit erhalten hätte.

d) Schließlich hat das Landesarbeitsgericht auch zutreffend erkannt, daß die Weitergewährung der vollen Zulage keine ungerechtfertigte Besserstellung gegenüber solchen Mitarbeitern darstellt, die sich auf einen anderen Arbeitsplatz ohne Schichtarbeit bewerben, ohne hierzu durch gesundheitliche Gründe veranlaßt worden zu sein, oder deren Schichtarbeit gänzlich eingestellt wird. Allein die Tatsache, daß diese Mitarbeiter nicht gesundheitsbedingt aus dem Schichtdienst ausscheiden, rechtfertigt die unterschiedliche Behandlung dieser Personengruppen.

III. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Dr. Freitag, Fischermeier, Marquardt, Ließ, Frese

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1097313

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