Entscheidungsstichwort (Thema)

Tarifliche Nahauslösung und Lohnfortzahlung

 

Orientierungssatz

1. Zur Frage ob die tarifliche Nahauslösung für Montagearbeiter bei der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall einzubeziehen ist.

2. Auslegung des § 8 Nr 8 des Manteltarifvertrages für die Arbeiter, Angestellten und Auszubildenden in der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie Nordrhein- Westfalen vom 30.4.1980 und des § 7 des Bundestarifvertrages für die besonderen Arbeitsbedingungen der Montagearbeiter in der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie einschließlich des Fahrleitungs-, Freileitungs-, Ortsnetz- und Kabelbaues vom 30.4.1980.

 

Normenkette

TVG § 1; LFZG § 2 Abs. 1, 3 S. 1

 

Verfahrensgang

LAG Hamm (Entscheidung vom 06.11.1984; Aktenzeichen 7 Sa 1057/84)

ArbG Herne (Entscheidung vom 15.05.1984; Aktenzeichen 3 Ca 435/84)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die tarifliche Nahauslösung für Montagearbeiter bei der Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle einzubeziehen ist.

Der 1941 geborene Kläger ist bei der Beklagten seit 1964 als Montageschlosser beschäftigt. Für das Arbeitsverhältnis gelten kraft beiderseitiger Verbandszugehörigkeit der Manteltarifvertrag für die Arbeiter, Angestellten und Auszubildenden in der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie Nordrhein-Westfalens vom 30. April 1980 (MTV-Metall NRW) sowie der Bundestarifvertrag für die besonderen Arbeitsbedingungen der Montagearbeiter in der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie einschließlich des Fahrleitungs-, Freileitungs-, Ortsnetz- und Kabelbaues mit Anmerkungen vom 30. April 1980 (BMTV).

§ 7 BMTV enthält unter anderem folgende Bestimmungen über die Nahmontage:

"§ 7.1.1 Begriff:

Nahmontage ist eine Montage, bei der dem Montage-

stammarbeiter die tägliche Rückkehr zum Ausgangs-

punkt zumutbar ist.

.....

§ 7.3.1 Die Nahauslöung ist eine Pauschaler-

stattung, die den Mehraufwand bei auswärtigen

Arbeiten abdecken soll.

(Hierzu heißt es in der Anmerkung 6:

Die Regelung über Nahauslösung trägt dem

Umstand Rechnung, daß die Beschäftigung

auf einer außerbetrieblichen Arbeitsstelle

eine längere Abwesenheit des Montagestamm-

arbeiters von zu Hause erfordert. Die längere

Abwesenheit bedingt Mehraufwendungen während

des Erreichens der Montagestelle und auf der

Montagestelle, die pauschal erstattet werden.

Eine Vergütung für den Zeitaufwand erfolgt

nicht.)

§ 7.3.11 Soweit und solange Auslösungen zu

versteuern sind, werden sie nach Maßgabe der

gesetzlichen und tariflichen Bestimmungen wie

Arbeitsentgelt behandelt."

Nach § 8 Nr. 8 MTV-Metall NRW ist dem Arbeiter in Fällen unverschuldeter mit Arbeitsunfähigkeit verbundener Krankheit der regelmäßige Arbeitsverdienst bis zur Dauer von sechs Wochen weiterzuzahlen. Für die Berechnung des regelmäßigen Arbeitsverdienstes soll nach § 15 Nr. 1 Buchst. a) (soweit hier von Bedeutung) folgendes maßgeblich sein:

"Hinsichtlich der Lohnhöhe der durchschnitt-

liche Stundenverdienst in den letzten drei

abgerechneten Monaten.....vor Beginn des

Fortzahlungszeitraums (Gesamtverdienst des

Arbeitnehmers in dem betreffenden Zeitraum

einschließlich aller Zuschläge, jedoch ohne

einmalige Zuwendungen sowie Leistungen, die

Aufwendungsersatz darstellen, zum Beispiel

Auslösungen, soweit sie nicht Arbeitsentgelt

sind, geteilt durch die Zahl der bezahlten

Arbeitsstunden)."

Der Kläger war vom 21. November bis zum 4. Dezember 1983 arbeitsunfähig krank. Die Beklagte gewährte ihm 1.786,88 DM brutto als Lohnfortzahlung, wobei sie die Nahauslösung nicht berücksichtigte. Unter Einbeziehung der Nahauslösung hätte der Kläger Lohnfortzahlung in Höhe von 2.057,39 DM brutto beanspruchen können. In der Vergangenheit hat die Beklagte die Nahauslösung bei der Berechnung der Krankenbezüge berücksichtigt. Der Kläger ist der Meinung, die Beklagte verweigere die Fortzahlung der Nahauslösung zu Unrecht. Er hat daher beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 270,51 DM

brutto nebst 4 % Zinsen seit dem 20. Februar

1984 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, der Kläger könne während der Zeit der Arbeitsunfähigkeit keine Nahauslösung beanspruchen, da diese ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung kein Arbeitsentgelt im Sinne des § 2 LohnFG in Verbindung mit § 15 Nr. 1 Buchst. a) MTV-Metall NRW sei. Ebenso wie mit der Fernauslösung werde auch mit der Nahauslösung der auswärtige Aufwand des Arbeitnehmers erstattet. Unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer im einzelnen Fall tatsächlich Auslagen gehabt habe, behalte die Auslösung ihren Charakter als Aufwandsentschädigung. Der Tarifvertrag unterstelle, daß der Arbeitnehmer auch bei Nahmontage erhöhte Aufwendungen habe und befreie mit der Pauschalregelung den Arbeitgeber nur von einer umständlichen Einzelabrechnung.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Dagegen richtet sich die Revision, mit welcher der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils verfolgt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Dem Kläger steht die beanspruchte Nahauslösung zu.

I. 1. Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß der Kläger von der Beklagten nach § 1 Abs. 1 Satz 1 LohnFG (in Verbindung mit § 8 Nr. 8 Abs. 1 Satz 1 MTV-Metall NRW) die Fortzahlung des regelmäßigen Arbeitsentgelts für die Dauer seiner mit Arbeitsunfähigkeit verbundenen Krankheit verlangen kann, daß die Höhe des zu gewährenden Entgelts aufgrund der Öffnungsklausel des § 2 Abs. 3 Satz 1 LohnFG durch Tarifvertrag abweichend von der gesetzlichen Vorschrift des § 2 Abs. 1 und Abs. 2 LohnFG geregelt werden kann und daß die Tarifvertragsparteien daher auch bestimmen können, welche Leistungen als Arbeitsentgelt im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 LohnFG anzusehen sind. Weiter hat das Landesarbeitsgericht ausgeführt, § 7 Abschnitt 3.11 BMTV enthalte keine abschließende Regelung der Frage, unter welchen Voraussetzungen Auslösungen Arbeitsentgelt im Sinne des § 2 Abs. 1 LohnFG seien; diese Frage werde vielmehr allein durch § 15 Nr. 1 Buchst. a) MTV-Metall NRW beantwortet. Der BMTV behandele ausschließlich die besonderen Arbeitsbedingungen der Montagearbeiter, dagegen nicht, wie im Falle der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit der fortzuzahlende Lohn zu berechnen sei. Auch dieser - auf der Entscheidung des Senats vom 15. Juni 1983 (BAG 43, 95, 100 = AP Nr. 13 zu § 2 LohnFG, zu 3 b der Gründe) beruhenden - weiteren Ausgangsüberlegung des Landesarbeitsgerichts ist beizupflichten. Dagegen kann dem Berufungsgericht bei der Auslegung des § 15 Nr. 1 Buchst. a) MTV-Metall NRW nicht gefolgt werden.

2. Das Landesarbeitsgericht hat bei der Auslegung der genannten Tarifbestimmung entscheidendes Gewicht darauf gelegt, daß die Tarifvertragsparteien die Nahauslösung in § 7 Abschnitt 3.1 BMTV ausdrücklich als Pauschalerstattung bezeichnet haben, "die den Mehraufwand bei auswärtigen Arbeiten abdecken soll". Weiter hat es angenommen, dem auf einer Montagestelle beschäftigten Arbeiter entstehe - gegenüber dem Betriebsarbeiter - auch dann ein erhöhter Aufwand, wenn er sich Essen und Trinken von zu Hause mitnehme. Hieraus hat es geschlossen, die Nahauslösung stelle stets Aufwendungsersatz dar und könne folglich nicht Arbeitsentgelt im Sinne der auszulegenden Tarifbestimmung sein. Bei diesen Überlegungen hat das Landesarbeitsgericht jedoch den zeitlichen und inhaltlichen Zusammenhang zwischen dem am 30. April 1980 geschlossenen Manteltarifvertrag-Metall NRW und der Entscheidung des Senats vom 2. Oktober 1974 - 5 AZR 555/73 - (AP Nr. 5 zu § 2 LohnFG) nicht hinreichend beachtet und damit einen wichtigen Gesichtspunkt für die Auslegung unberücksichtigt gelassen.

II. 1. § 15 Nr. 1 Buchst. a) MTV zählt bei der Regelung, welche Lohnbestandteile zum "regelmäßigen Arbeitsverdienst" und damit zum fortzuzahlenden Arbeitsentgelt im Krankheitsfall gehören sollen, neben dem durchschnittlichen Stundenverdienst auf: Alle Zuschläge, jedoch nicht die einmaligen Zuwendungen und Leistungen, die Aufwendungsersatz darstellen (wie zum Beispiel Auslösungen), "soweit sie nicht Arbeitsentgelt sind". Die Tarifbestimmung stellt kein Unterscheidungsmerkmal dafür auf, welche dieser Leistungen dem Aufwendungsersatz dienen und welche reines Arbeitsentgelt sind; auch aus dem tariflichen Gesamtzusammenhang ist dies nicht zu entnehmen. Ein sicheres und praktikables Unterscheidungsmerkmal ist aber für die schnelle und reibungslose Abwicklung der in der Praxis auftauchenden Zweifelsfälle erforderlich. Denn die zuverlässige Ermittlung, was im jeweiligen Einzelfall als Aufwendungsersatz zu gelten hat und was als Arbeitsentgelt anzuerkennen ist, müßte zu einem unangemessen hohen Büroaufwand mit überdies ungesichertem Ergebnis führen. Daraus, daß die Tarifbestimmung kein derartiges Kriterium festlegt, kann aber, wie die Revision zutreffend geltend macht, nicht geschlossen werden, die Tarifvertragsparteien hätten für einen in den einschlägigen Arbeitsbereichen ständig auftretenden Fall eine nicht anwendbare Regelung vereinbart (vgl. Wiedemann/Stumpf, Tarifvertragsgesetz, 5. Aufl., § 1 Rz 411 m.w.N.). Vor allem kann auch nicht angenommen werden, die Frage der Abgrenzung sei übersehen worden, denn sie hatte bereits zu Rechtsstreiten geführt, wie gerade die Entscheidung des Senats vom 2. Oktober 1974 zeigt. Es ist vielmehr davon auszugehen, daß den Tarifvertragsparteien bei den Verhandlungen über die Neufassung des Manteltarifvertrages, die Anfang 1980 begannen (Ziepke, Kommentar zum Manteltarifvertrag für die Arbeiter, Angestellten und Auszubildenden in der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie Nordrhein-Westfalens vom 30. April 1980, 2. Aufl., S. 5), die Entscheidung des Senats bekannt war und daß sie die Frage der Abgrenzung zwischen Aufwendungsersatz und Arbeitsentgelt deshalb nicht mehr aufgegriffen und besonders geregelt haben, weil diese nach ihrer Ansicht bereits durch die Rechtsprechung beantwortet war.

Dieses Ergebnis wird bestätigt durch die Erläuterung von Ziepke (aaO, § 15 Anm. 7, S. 381), die Nahauslösung sei in den regelmäßigen Arbeitsverdienst einzurechnen, soweit es sich um Lohnbestandteile handele. Ziepke hat auf das Urteil des Senats vom 2. Oktober 1974 hingewiesen und ausgeführt, hierdurch sei in einem Streitfall zum Lohnfortzahlungsgesetz entschieden, daß die versteuerte Nahauslösung als Arbeitsentgelt anzusehen und daher im Krankheitsfall fortzuzahlen sei. Derselbe Hinweis findet sich in der Vorauflage des genannten Kommentars, die den Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer in der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie Nordrhein-Westfalens vom 23. Januar 1975 erläuterte. Wären die Tarifvertragsparteien mit dem Ergebnis der Entscheidung vom 2. Oktober 1974 nicht einverstanden gewesen, hätte es nahegelegen, die Bestimmung des § 15 Nr. 1 Buchst. a) des Manteltarifvertrages in der Ursprungsfassung vom 23. Januar 1975 zu ändern, etwa dahin, daß Auslösungen nicht zum fortzuzahlenden Entgelt im Krankheitsfalle gehören sollen (wie es in anderen Manteltarifverträgen geregelt ist: § 12 MTV-Metall BW vom 12. Oktober 1979 und § 11 MTV-Metall Hessen vom 15. Januar 1982). Das ist jedoch nicht geschehen, vielmehr ist die Bestimmung wortgleich in den Manteltarifvertrag vom 30. April 1980 aufgenommen worden.

Ob auch Fernauslösungen bei der Berechnung des Krankenlohnes zu berücksichtigen sind, ist eine andere, hier nicht zu erörternde Frage. Erwähnt sei hierzu lediglich, daß Ziepke in beiden Auflagen seines Kommentars die Auffassung vertritt, bei Fernauslösungen dürfe - von der besonderen Regelung des § 6.10 BMTV über den Verbleib des erkrankten Arbeitnehmers am auswärtigen Montageort abgesehen - im Gegensatz zur Nahauslösung auch der versteuerte Teil nicht in die Berechnung des regelmäßigen Arbeitsverdienstes einbezogen werden (Anm. 7 jeweils aaO). Diese Ansicht ist - ausdrücklich beschränkt auf den Fall der Fernauslösung - später durch das Urteil des Sechsten Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 28. Januar 1982 - 6 AZR 911/78 - (AP Nr. 11 zu § 2 LohnFG, vgl. bes. zu II 5 der Gründe) mit eingehender Begründung bestätigt worden. Ihr hat sich der erkennende Senat mit Urteil vom 15. Juni 1983 - 5 AZR 598/80 - angeschlossen (BAG 43, 87 = AP Nr. 12 zu § 2 LohnFG).

2. In der Entscheidung des Senats vom 2. Oktober 1974 ist ausgeführt, § 7 Nr. 3 Abs. 13 BMTV in der Fassung vom 2. September 1970 (diese Vorschrift entspricht dem heutigen § 7 Abschnitt 3.11 BMTV) enthalte eine abschließende tarifliche Regelung darüber, unter welchen Voraussetzungen Auslösungen Arbeitsentgelt im Sinne des § 2 Abs. 1 LohnFG seien. Während der Gesetzgeber darauf abstelle, ob Auslösungen unabhängig von einem etwa entstandenen Mehraufwand gezahlt werden, knüpfe der Tarifvertrag an die Steuerpflicht dieser Einnahmen des Arbeitnehmers an. Die steuerrechtliche Bewertung dieser Einkünfte ermögliche auch eine sachgerechte Abgrenzung von echtem Aufwendungsersatz zu solchen Auslösungen, die dem reinen Arbeitsentgelt nahekommen, weil sie zu einer Verbesserung des Lebensstandards führen. Der gleiche Gedanke liege auch der gesetzlichen Regelung in § 2 Abs. 1 Satz 2 LohnFG zugrunde (vgl. AP aaO, zu II 1 a der Gründe).

Allerdings ist der Senat in seinem Urteil vom 15. Juni 1983 - 5 AZR 399/82 - (BAG 43, 95 = AP Nr. 13 zu § 2 LohnFG) zu dem Ergebnis gelangt, Nahauslösungen nach dem BMTV in der Fassung vom 30. April 1980 gehörten nicht zum fortzuzahlenden Arbeitsentgelt; dieser Entscheidung lag aber die Bestimmung des § 12 des Manteltarifvertrages für die Arbeiter und Angestellten in der Metallindustrie in Nordwürttemberg/Nordbaden vom 29. Oktober 1979 (MTV-Metall BW) zugrunde, die eine besondere Anspruchsgrundlage mit abschließender Regelung gerade auch der Auslösung enthält. In dieser Tarifvorschrift ist bei der Abgrenzung, was zum fortzuzahlenden Lohn gehört, ausdrücklich klargestellt: "...jedoch ohne Auslösungen, ...". Der Senat hat damals ferner auf § 11 Abschnitt II 2 b des Gemeinsamen Manteltarifvertrages für die Arbeitnehmer (Metall....) in Hessen vom 15. Januar 1982 verwiesen, wo ebenfalls gesagt ist, Auslösungen würden "bei der Berechnung des Arbeitsentgelts nicht berücksichtigt". Die im vorliegenden Streitfall maßgebliche Tarifnorm (§ 15 Nr. 1 Buchst. a) MTV-Metall NRW) schließt demgegenüber - worauf der Senat in dem erwähnten Urteil noch besonders hingewiesen hat - Auslösungen bei der Lohnberechnung im Krankheitsfalle nicht schlechthin aus, sondern insoweit, wie "sie nicht Arbeitsentgelt sind", und fordert damit eine Entscheidung darüber, ob und inwieweit Auslösungen zum weiterzuzahlenden Arbeitsentgelt rechnen (s. BAG 43, 95, 101 = AP aaO, zu 3 c der Gründe).

Bei Abschluß des MTV-Metall NRW am 30. April 1980 war den Tarifvertragsparteien das Urteil vom 2. Oktober 1974 mit seiner Abgrenzung von echtem Aufwendungsersatz und den Auslösungsteilen, die dem reinen Arbeitsentgelt nahekommen, bekannt. Daraus ist zu folgern, daß die Tarifvertragsparteien im Hinblick auf diese Entscheidung von der näheren Bestimmung eines Unterscheidungsmerkmals abgesehen haben. Dann ist aber bei der Auslegung des § 15 Nr. 1 Buchst. a) MTV von einem entsprechenden Willen der Tarifpartner auszugehen, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob die spätere Rechtsprechung die Überlegungen des Urteils vom 2. Oktober 1974 übernommen hat oder davon abgewichen ist (zur Entstehungsgeschichte des jeweiligen Tarifvertrages als Auslegungskriterium vgl. BAG Urteil vom 12. September 1984 - 4 AZR 336/82 - AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung, zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung bestimmt).

Die Unterscheidung zwischen dem Auslösungsteil, der nur Aufwendungsersatz ist, und demjenigen, der Arbeitsentgelt darstellt, ist in der Praxis aufgrund der steuerrechtlichen Regelung schnell und sicher möglich (vgl. Klein/Flockermann/Kühr, Kommentar zum Einkommenssteuergesetz - EStG 1979 - § 3 Rz 268, 272, 273, 274). Sie ist damit auch praktikabel und ermöglicht somit die Entscheidung darüber, "ob und wieweit Auslösungen zum fortzuzahlenden Arbeitsentgelt gehören" (s. Senatsurteil vom 15. Juni 1983, aaO, zu 3 c der Gründe).

III. Ist danach der zu versteuernde Teil der Nahauslösung zum Arbeitsentgelt zu zählen, so kommt es darauf an, wie hoch sich dieser Teil im Streitfall rein rechnerisch stellt. Das Landesarbeitsgericht hat die Klageforderung als Bruttoforderung bezeichnet; der Kläger hat sie ausdrücklich als Bruttoposten dargestellt. Die Beklagte hat dem nicht widersprochen, etwa in der Weise, daß sie behauptet hätte, der zu versteuernde Anteil sei geringer. Daher ist als unstreitig anzusehen, daß die Klageforderung den der Steuer unterliegenden Teil der Auslösung darstellt. Dieser Betrag steht dem Kläger zu.

Dr. Gehring Michels-Holl Schneider

Prof. Dr. Krems Wengeler

 

Fundstellen

Dokument-Index HI440059

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