Entscheidungsstichwort (Thema)
Anwartschaftsberechnung bei vorzeitigem Ruhegeldanspruch
Leitsatz (amtlich)
- Der nach § 2 Abs. 2 BetrAVG gegen die Insolvenz des Arbeitgebers geschützte Teil der Versorgungsanwartschaft eines Arbeitenhmers wird nicht durch eine verschlechternde Betriebsvereinbarung geschmälert, wenn nachträglich ein Insolvenzfall eintritt (Bestätigung von BAGE 56, 138 = AP Nr. 1 BetrAVG Besitzstand).
- Scheidet ein Arbeitnehmer vorzeitig mit einer unverfallbaren Versorgungsanwartschaft aus dem Arbeitsverhältnis aus und macht der Versorgungsberechtigte später einen Anspruch auf vorzeitige Versorgungsleistungen geltend (wegen Bezugs des vorgezogenen oder flexiblen Altersruhegelds in der gesetzlichen Rentenversicherung, Invalidität oder Tod), so kann das im (vorzeitigen) Versorgungsfall erreichbare Ruhegeld im Verhältnis von erreichter zu der nach der Versorgungsordnung für die Vollrente vorausgesehenen erreichbaren Dienstzeit gekürzt werden (Unverfallbarkeitsfaktor). Maßgebliche Bezugsgröße für die zeitanteilige Kürzung ist damit die im vorzeitigen Versorgungsfall erreichbare Rente und nicht die mit Vollendung des 65. Lebensjahres erreichbare Rente (Bestätigung des Senatsurteils vom 13. März 1990 – 3 AZR 338/89 – zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen).
- Die vorstehend dargestellten Grundsätze gelten auch dann, wenn der Pensionssicherungsverein für eine im Insolvenzfall unverfallbare Versorgungsanwartschaft einstehen muß.
Normenkette
BetrAVG § 2 Abs. 1-2, § 7 Abs. 2, §§ 6, 1 Besitzstand
Verfahrensgang
LAG Köln (Urteil vom 17.01.1990; Aktenzeichen 5 (2) Sa 270/89) |
ArbG Köln (Urteil vom 25.04.1989; Aktenzeichen 17 Ca 396/89 u.a.) |
Tenor
- Die Revisionen der Kläger gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 17. Januar 1990 – 5 (2) Sa 270/89 – werden zurückgewiesen.
- Die Kläger haben die Kosten des Revisionsverfahrens zu je einem Drittel zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, wie der Rentenanteil zu berechnen ist, für den der beklagte PSV einzustehen hat, nachdem die A – … AG (A) zunächst ihre Versorgungsordnung durch eine Betriebsvereinbarung abgelöst hatte und später über ihr Vermögen das gerichtliche Vergleichsverfahren eröffnet wurde.
Die Klägerin K… ist am 15. Juli 1928 geboren. Sie war seit dem 1. Februar 1961 bei der A… beschäftigt. Am 31. Juli 1988 trat sie mit Vollendung des 60. Lebensjahres in den Ruhestand. Seither bezieht sie Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung sowie ein betriebliches Ruhegeld der A…, von dem der PSV einen Anteil von monatlich 237,49 DM zahlt. Die Klägerin ist der Auffassung, der PSV müsse monatlich 265,65 DM zahlen. Die Differenz von 28,15 DM monatlich hat sie mit der Klage für die Zeit ab 1. August 1988 geltend gemacht.
Der Kläger N… ist am 13. September 1926 geboren. Er war in der Zeit vom 18. Januar 1960 bis zum 31. März 1983 bei der A… beschäftigt. Er bezieht eine Sozialversicherungsrente wegen Erwerbsunfähigkeit und seit dem 1. Oktober 1984 eine Betriebsrente. Davon zahlt der PSV einen Anteil von monatlich 263,30 DM. Der Kläger verlangt für die Zeit ab 1. Oktober 1984 monatlich 279,59 DM, also 16,29 DM mehr.
Die Klägerin S… ist die Witwe eines früheren Mitarbeiters der A…. Dessen Arbeitsverhältnis bestand vom 1. April 1966 bis zum 31. März 1982. Der Arbeitnehmer wurde am 4. Mai 1984 erwerbsunfähig, er verstarb am 1. November 1984. Die Klägerin erhält seit dem 1. Dezember 1984 eine betriebliche Hinterbliebenenrente. Der PSV zahlt einen Anteil von 160,40 DM. Die Klägerin verlangt 215,32 DM, also 54,92 DM monatlich mehr, und zwar für die Zeit ab 1. Dezember 1984.
Die Meinungsverschiedenheiten über die Berechnung der vom Träger der Insolvenzsicherung zu übernehmenden Anteile beruhen auf folgendem:
Die betriebliche Altersversorgung der A… war seit 1951 in einer Betriebsvereinbarung geregelt (RGE). Vorgesehen waren endgehalts- und dienstzeitabhängige Leistungen. Die Arbeitnehmer erhielten je nach der Anzahl ihrer Dienstjahre ein Ruhegeld in Höhe von 15/120 bis zu 45/120, ausnahmsweise 50/120 des ruhegeldfähigen Einkommens. Altersrente war für die Zeit ab Vollendung des 65. Lebensjahres zugesagt. Außerdem waren Erwerbsunfähigkeits- und Hinterbliebenenrenten zugesagt. Die RGE wurde mit Wirkung vom 1. Juni 1981 durch eine neue Betriebsvereinbarung mit einer für die Arbeitnehmer ungünstigeren Regelung ersetzt (VB). Die neue Regelung enthält besitzstandswahrende Bestimmungen. Die RGE gilt fort, wenn der Versorgungsfall vor dem 31. Dezember 1985 eingetreten ist. Ferner wurde unter Hinweis auf § 2 Abs. 1 BetrAVG vorgesehen, daß den Arbeitnehmern mindestens der Teilbetrag erhalten blieb, den sie zur Zeit der Neuregelung am 1. Juni 1981 bereits zeitanteilig erdient hatten.
Da sich die wirtschaftliche Lage der A… weiter verschlechterte, wurde am 31. Oktober 1982 das gerichtliche Vergleichsverfahren eröffnet. Durch Beschluß des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 18. März 1983 wurde ein von den Gläubigern angenommener Vergleich bestätigt. Danach sind der A… Ansprüche auf laufende Renten und aus Versorgungsanwartschaften zu 60 % erlassen. Für die Ausfallquote tritt der beklagte PSV ein (§ 7 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2, Abs. 2 BetrAVG).
In der Folgezeit wurde streitig, auf welcher Grundlage die vom Beklagten zu zahlende Ausfallquote berechnet werden muß. Der PSV vertrat die Auffassung, für die Berechnung der unverfallbaren Anwartschaften sei der Zeitpunkt des Sicherungsfalls (31. Oktober 1982) und damit nur die nach den VB erreichbare geringere Vollrente maßgebend. Hierüber kam es zu Musterprozessen. Durch Urteil vom 22. September 1987 (BAGE 56, 138 = AP Nr. 5 zu § 1 BetrAVG Besitzstand) entschied der Senat, der PSV müsse die im Zeitpunkt der Ablösung (1. Juni 1981) erdienten unverfallbaren Anwartschaften sichern; der Insolvenzschutz werde im Falle einer verschlechternden Betriebsvereinbarung mit nachfolgender Insolvenz des Arbeitgebers nicht dadurch geschmälert, daß nach der Neuregelung nur eine geringere Vollrente erreicht werden könne.
Im vorliegenden Verfahren ist streitig, wie die Anwartschaften berechnet werden müssen, wenn die Betriebsrente schon vor Erreichen der in der RGE vorgehenen Altersgrenze von 65 Jahren zu zahlen ist. Da in den vom Senat am 22. September 1987 entschiedenen Fällen vier Kläger vor Vollendung des 65. Lebensjahres in den Ruhestand getreten waren und der PSV entsprechend den rechtskräftigen Feststellungsurteilen des Senats die Betriebsrenten so berechnet hatte, als seien diese Kläger erst mit der Vollendung des 65. Lebensjahres aus den Arbeitsverhältnissen ausgeschieden, machen die Kläger nunmehr geltend, sie seien ebenso zu behandeln wie diese vier Musterkläger. Der PSV müsse bei ihnen die gleiche Berechnungsmethode anwenden. Das ergebe sich aus der Musterprozeßvereinbarung in Verbindung mit den Urteilen des Senats vom 22. September 1987.
- “
In dieser Vereinbarung heißt es:
Zwischen den auf Seite 1 genannten Musterklägern, den diesen in vergleichbarer Lage befindlichen Versorgungsberechtigten der A… AG und dem PSVaG, besteht Streit über die Höhe der Zahlungspflicht der A… AG und über die Höhe der Einstandspflicht des PSVaG für laufende Versorgungsanwartschaften aus Anlaß des am 31.10.1982 eröffneten gerichtlichen Vergleichsverfahrens über das Vermögen der A – AG. Grund der Meinungsverschiedenheiten ist die Ablösung der “Ruhegeld-Einrichtung” (RGE) per 31.05.1981 durch Inkrafttreten der neuen “Versorgungsbestimmungen” (VB) am 01.06.1981 auf der Basis der ablösenden Betriebsvereinbarung vom 05.05.1981.
Um eine einheitliche und für alle Beteiligten verbindliche Feststellung der anzuwendenen Berechnungsmethode für die unverfallbaren Anwartschaften herbeizuführen, wird die nachfolgende Mustervereinbarung geschlossen …
Der PSVaG verpflichtet sich, die letztinstanzlichen Sachentscheidungen in den Musterverfahren als verbindlich für alle Mitarbeiter, Pensionäre und mit gesetzlich unverfallbaren Anwartschaften ausgeschiedene Mitarbeiter der A… – AG anzuerkennen, soweit eine Übertragung der Musterfälle im Hinblick auf die Auswirkungen der zum 01.06.1981 in Kraft getretenen ablösenden Betriebsvereinbarung sachlich möglich ist …”
Zudem entspreche allein diese Berechnungsmethode der gesetzlichen Regelung. Da die RGE aus dem Jahre 1951 keine Abschläge für den Fall des vorzeitigen Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis vorgesehen hätte, sei es auch dem PSV verwehrt, solche Abschläge vorzunehmen. Der in den VB aufrecht erhaltene nach der RGE erdiente Besitzstand sei ein Mindestbesitzstand; er sei nach festen, nicht nach variablen Bezugsgrößen zu berechnen.
Die Kläger haben beantragt,
den Beklagten zu verurteilen,
- an die Klägerin K… ab dem 1. August 1988 eine monatliche Rente in Höhe von 265,65 DM, also 28,15 DM mehr als bisher, nebst 4 % Zinsen beginnend ab dem 1. August 1988 mit dem ersten nachzuzahlenden Differenzbetrag und in den Folgemonaten jeweils mit einem weiteren monatlichen Differenzbetrag ab dem Monatsersten zu zahlen;
- an den Kläger N… über die ab dem 1. Oktober 1984 gezahlten 263,30 DM ab dem 1. Oktober 1984 weitere 16,29 DM monatlich zu zahlen;
- an die Klägerin S… ab dem 1. Dezember 1984 eine monatliche Rente in Höhe von 215,32 DM zu zahlen und die rückständigen Rentenzahlungen jeweils mit 4 % ab dem 8. Februar 1989 mit dem ersten nachzuzahlenden Differenzbetrag und den Folgemonaten jeweils mit einem weiteren monatlichen Differenzbetrag ab dem Monatsersten zu verzinsen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klagen abzuweisen. Er hat vorgetragen, in den vier Fällen der Musterprozesse sei versehentlich falsch gerechnet worden. Daran sei er nicht gebunden. In den Musterverfahren sei es nur darum gegangen, den für die Berechnung des Besitzstandes maßgeblichen Stichtag zu bestimmen, also zu klären, ob der Besitzstand auf der Grundlage der RGE oder der VB zu berechnen sei. Über eventuelle Rentenkürzungen infolge vorzeitigen Ausscheidens habe man nicht gestritten. Schließlich entspreche nur die auf den tatsächlichen Versorgungsfall der Arbeitnehmer abstellende Berechnung der gesetzlichen Regelung in § 7 Abs. 2 Satz 3 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 BetrAVG. Vereinbarungen der Betriebsparteien zu Lasten des gesetzlichen Insolvenzschutzes seien unzulässig.
Die Vorinstanzen haben die Klagen abgewiesen. Dagegen richten sich deren Revisionen.
Entscheidungsgründe
Die Revisionen haben keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat die Klagen zu Recht abgewiesen.
I. Die Parteien streiten allein darüber, wie ihre nach der RGE erreichbare Rente zu berechnen ist. Ob nach den VB eine höhere Rente erreicht wurde, kann der Senat nicht beurteilen; dazu fehlt jeglicher Sachvortrag der Parteien.
II. Die Berechnung der Versorgungsansprüche der Kläger bestimmt sich hinsichtlich des insolvenzgeschützten Teils nach § 7 Abs. 2 Satz 3, Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG. Die Kläger und der Ehemann der Klägerin S… hatten im Zeitpunkt des Sicherungsfalls am 31. Oktober 1982 unverfallbare Versorgungsanwartschaften erdient (§ 1 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG). Schließlich ist nach den Musterprozeßentscheidungen des Senats vom 22. September 1987 nicht mehr umstritten, daß für die Berechnung der vom PSV zu übernehmenden Betriebsrentenanteile der Zeitpunkt der Ablösung (1. Juni 1981) zugrundezulegen ist, sofern nicht durch weitere Betriebstreue nach den VB eine höhere Rente erreicht wurde. Da von keinem der Kläger eine höhere Rente nach den VB verlangt wird, ist der Anteil also nach der Rente zu berechnen, den die Kläger nach der RGE erreichen konnten.
Darüber hinaus sehen die Besitzstandsregeln der VB vor, daß die RGE weiter anwendbar bleibt, wenn der Versorgungsfall bis zum 31. Dezember 1985 eingetreten ist. Bei dem Kläger N… ist der Versorgungsfall (Erwerbsunfähigkeit) am 1. Oktober 1984 eingetreten, bei der Klägerin S… war der 1. Dezember 1984 (Tod) der Zeitpunkt des Versorgungsfalls. Die Klägerin K… wird erst am 15. Juli 1993 das 65. Lebensjahr vollenden und damit den in der RGE vorgesehenen Versorgungsfall der Altersrente erreichen. Es ist anzunehmen, daß die Klägerin K… seit dem 1. August 1988 die vorgezogene Altersrente mit Vollendung des 60. Lebensjahres aufgrund des § 6 BetrAVG in Anspruch nimmt.
1. § 7 Abs. 2 Satz 3 BetrAVG verweist wegen der Höhe der vom Träger der Insolvenzsicherung zu erbringenden Leistungen auf § 2 Abs. 1 BetrAVG. Der Arbeitnehmer wird so behandelt, als sei er bei Eintritt des Sicherungsfalles mit einer nach § 1 BetrAVG unverfallbaren Anwartschaft aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden. § 7 Abs. 2 Satz 4 BetrAVG stellt dies ausdrücklich klar. Damit hat der PSV einzutreten “in Höhe des Teils der ohne das vorherige Ausscheiden (die Insolvenz) zustehenden Leistung”, der dem Verhältnis der Dauer der Betriebszugehörigkeit zu der Zeit der Betriebszugehörigkeit bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres oder einer in der Versorgungsregelung vorgesehenen früheren “festen Altersgrenze” entspricht (“Unverfallbarkeitsfaktor”). Daß auch für den Insolvenzschutz Veränderungen der Versorgungsregelung und der Bemessungsgrundlage nach Eintritt des Sicherungsfalls unberücksichtigt bleiben, ergibt sich aus der Verweisung in § 7 Abs. 2 Satz 3 BetrAVG auf § 2 Abs. 5 BetrAVG.
2. Für die Kläger des vorliegenden Rechtsstreits ergibt sich hiernach folgende Berechnung:
a) Ausgehend von der Annahme, daß die Klägerin Kleinowski seit der Vollendung ihres 60. Lebensjahres Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezieht und gemäß § 6 BetrAVG berechtigt ist, das betriebliche Altersruhegeld vorzeitig, d.h. vor der in der RGE auch für Frauen vorgesehenen Altersgrenze von 65 Jahren in Anspruch zu nehmen, hätte der Arbeitgeber ihre Altersrente in entsprechender Anwendung der Grundsätze des § 2 BetrAVG ratierlich kürzen können (ständige Rechtsprechung des Senats, zuletzt Urteil vom 13. März 1990 – 3 AZR 338/89 –, zu II 2b der Gründe, m.w.N., zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen). Diese Klägerin hätte also, wenn sie mit der Vollendung des 60. Lebensjahres aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden wäre, nicht die volle, im Lebensalter 65 erreichbare Rente verlangen können. Die Klägerin müßte zwar keine zusätzlichen Abschläge wegen der längeren Laufzeit der Rente hinnehmen (BAG, aaO, zu II 2b der Gründe), wohl aber eine zeitanteilige Kürzung, weil sie die in der Versorgungszusage für die Vollrente vorausgesetzte Betriebstreue nicht voll erbracht hätte.
Die Klägerin K… hat jedoch keine Betriebstreue bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres erbracht. Sie ist für den Insolvenzschutz so zu behandeln, als sei sie am Ablösungstag ausgeschieden. Sie hat zwar ihre Versorgungsanwartschaft behalten (§ 1 Abs. 1 BetrAVG), bei Eintritt des Versorgungsfalles wegen Erreichens der Altersgrenze kann sie jedoch nur den Teil der Leistung verlangen, der dem Verhältnis von tatsächlicher Betriebszugehörigkeit bis zur möglichen Betriebszugehörigkeit, d.h. der Vollendung des 65. Lebensjahres, entspricht. Dieser Unverfallbarkeitsfaktor ist anzuwenden auf alle Versorgungsansprüche, die der Versorgungsberechtigte “wegen Erreichens der Altersgrenze, wegen Invalidität oder Tod” erwirbt (§ 2 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG). Die Ansprüche des Arbeitnehmers auf vorzeitige Altersleistungen betreffen Leistungen wegen Erreichens der Altersgrenze.
Hinsichtlich des Unverfallbarkeitsfaktors ist hier an die Stelle des 65. Lebensjahres kein früherer Zeitpunkt getreten. Die Ruhegeldzusage (RGE) stellt auf das 65. Lebensjahr ab. Die vorgezogene oder flexible Altersgrenze ist keine vorgezogene “feste” Altersgrenze im Sinne der §§ 2 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2, 7 Abs. 2 Satz 3 BetrAVG. Mit dem Merkmal “feste” Altersgrenze bezeichnet das Gesetz die erreichbare Höchstdauer des Arbeitsverhältnisses, die als Grundlage der Vollrente vorausgesetzt wird, also den Zeitpunkt, in dem die Vollrente ohne zeitanteilige Kürzung erreicht ist (ständige Rechtsprechung des Senats, statt aller BAGE 50, 130, 133 = AP Nr. 2 zu § 1 BetrAVG Gleichberechtigung, zu I 1 der Gründe, mit Anm. von Blomeyer). Nimmt der Arbeitnehmer das ihm kraft Gesetzes zustehende Recht wahr, die Betriebrente zu verlangen, bevor er die für die Vollrente vorausgesetzte Dienstzeit erbracht und das dafür vorgesehene Ruhestandsalter erreicht hat, so muß er für die dann erreichte Rente eine zeitanteilige Kürzung hinnehmen.
Hieraus folgt, daß die dem Versorgungsberechtigten ohne das vorherige Ausscheiden zustehende Leistung berechnet wird, indem zunächst die im Versorgungsfall tatsächlich erreichbare Rente zu ermitteln ist und anschließend hierauf bezogen der vom PSV zu tragende zeitanteilig gekürzte Anteil.
Zwar führt diese Berechnung im Ergebnis dazu, daß für die fehlende Dienstzeit vom 60. bis zum 65. Lebensjahr (bei Männern vom 63. bis zum 65. Lebensjahr) zweimal ratierlich gekürzt wird. Das hat jedoch seinen Grund darin, daß sich der Unverfallbarkeitsfaktor auf eine Bezugsgröße beziehen muß. Diese Bezugsgröße ist der Rentenanspruch, mit dem der Versorgungsberechtigte im Versorgungsfall ausscheidet. Da § 6 BetrAVG das Ausscheiden mit dem Anspruch auf vorgezogenes oder flexibles Altersruhegeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung als Versorgungsfall “Alter” ansieht, kann nur das vorgezogene oder flexible betriebliche Ruhegeld die maßgebliche Bezugsgröße für den Unverfallbarkeitsfaktor sein (so auch Bode, BetrAV 1988, 142, 145). Der Arbeitnehmer, der unter Inanspruchnahme der Regelung des § 6 BetrAVG wegen Alters aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet, kann Versorgungsleistungen verlangen, er scheidet also anders als im Fall des § 2 BetrAVG nicht mit einer unverfallbaren Versorgungsanwartschaft, sondern mit einem Versorgungsanspruch wegen Erreichens einer Altersgrenze aus.
Zudem würde eine andere Auslegung des § 2 BetrAVG zu einer nur schwer erklärbaren unterschiedlichen Behandlung der Fälle von Invalidität und Tod einerseits und vorgezogener oder flexibler Altersrente andererseits führen: Wer im Alter 60 erwerbsunfähig wird, muß sich in aller Regel die im Alter 65 erreichbare Rente kürzen lassen. Das gilt nach § 2 Abs. 1 BetrAVG auch für einen Arbeitnehmer, der vorzeitig ausgeschieden ist und später im Alter 60 erwerbsunfähig wird. Auch ein solcher Arbeitnehmer bezieht die Betriebsrente fünf Jahre länger als ein erst mit Vollendung des 65. Lebensjahres ausscheidender Arbeitnehmer. Es ist nicht einsichtig, daß ein vorzeitig nach § 6 BetrAVG ausgeschiedener Arbeitnehmer anders behandelt werden sollte.
b) Für die Versorgungsfälle der Erwerbsunfähigkeit (Kläger N…) und Tod (Klägerin S…) gilt im Ergebnis nichts anderes. Insoweit sieht § 2 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG sogar vor, daß das “vorherige Ausscheiden” als tatsächlicher Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses der maßgebliche Zeitpunkt ist. Für den Fall der Invalidenrente hat der Senat diese Berechnung durch Urteil vom 14. März 1989 (– 3 AZR 306/87 – nicht veröffentlicht) bereits ausdrücklich gebilligt (zu 2a der Gründe).
3. Nach dem Vortrag der Parteien und den Feststellungen der Vorinstanzen ist davon auszugehen, daß der beklagte PSV die von ihm zu tragenden Anteile der Betriebsrenten der Kläger in der vorstehend beschriebenen Weise rechnerisch richtig berechnet hat, also die jeweiligen Rentenbeträge zugrunde gelegt hat, die die Kläger bei Eintritt ihrer jeweiligen Versorgungsfälle erreicht hatten. Der Klägervortrag ergibt nicht, daß wesentliche Umstände unberücksichtigt geblieben sind.
III. Die Auffassung der Revision, der PSV sei aufgrund des Urteils des Senats vom 22. September 1987 und der Musterprozeßvereinbarung verpflichtet, eine für die Kläger günstigere Berechnungsweise anzuwenden und die mit der Vollendung des 65. Lebensjahres erreichbare Vollrente der ratierlichen Kürzung zugrunde zu legen, trifft nicht zu. Der PSV ist nicht verpflichtet, die Renten der Kläger so zu berechnen, als hätten sie bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Betriebstreue geleistet und die dann erreichbare Rente bezogen.
1. Es ist nicht richtig, daß der Senat im Urteil vom 22. September 1987 entschieden hätte, bei der Berechnung der Versorgungsbezüge der Rentner und Anwartschaftsinhaber sei nach der Insolvenz der A… stets von einer bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres erbrachten Betriebstreue auszugehen. Die Parteien haben in jenen Verfahren nicht darüber gestritten, ob Rentenkürzungen wegen vorzeitigen Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis vorzunehmen seien. Die von der Revision betonte “richtige Anwendung des § 2 Abs. 1 BetrAVG” betraf ausschließlich die Frage, ob der PSV die höheren, bei der Ablösung der RGE bereits erdienten Besitzstände zu sichern habe oder ob er bei der Berechnung der Anwartschaften auf den Zeitpunkt des Sicherungsfalls abstellen und den nach der ablösenden Betriebsvereinbarung erdienten geringeren Besitzstand zugrunde legen dürfe. Um eine Klärung dieser streitigen Rechtsfrage zu erreichen, haben die Parteien seinerzeit das Rechenwerk unstreitig gestellt; es wurden Feststellungsklagen erhoben; einige Kläger sind sogar von den ursprünglich erhobenen Zahlungsklagen auf Feststellungsklagen übergegangen. Der Senat hat daher, wie die Revision hervorhebt, die richtige Rechtsanwendung des § 2 Abs. 1 BetrVAG in Fällen des vorzeitigen Ausscheidens von Arbeitnehmern nicht als problematisch angesehen. Der Senat ist vielmehr davon ausgegangen, die Parteien seien an anderen als einem einzelnen umstrittenen Element des Zahlungsanspruches “nicht interessiert” (zu A 2 der Gründe). Deshalb hat der Senat zu der Rentenberechnung im Falle des Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis vor Vollendung des 65. Lebensjahres nicht sachlich Stellung genommen.
2. Der beklagte PSV hat sich in der Musterprozeßvereinbarung auch nicht zu einer großzügigeren Berechnungsweise verpflichtet.
Die “Auswirkungen der zum 1. Juni 1981 in kraft getretenen ablösenden Betriebsvereinbarung” (Abschnitt II Abs. 3 der Musterprozeßvereinbarung), die der PSV entsprechend den Entscheidungen des Senats vom 22. September 1987 hinzunehmen hat, betreffen ausschließlich den bei der Ablösung der RGE erdienten Besitzstand. Die Frage einer zeitanteiligen Kürzung der Rente infolge vorzeitigen Ausscheidens ist unabhängig von der Ablösung der früheren Versorgungsordnung zu beantworten; diese Frage stellt sich immer dann, wenn ein Arbeitnehmer mit einer unverfallbaren Versorgungsanwartschaft ausscheidet und später ein Versorgungsfall vor Erreichen der in der Versorgungsordnung vorausgesetzten Altersgrenze eintritt.
Unterschriften
Dr. Heither, Griebeling, Kremhelmer, Seyd, Falkenstein
Fundstellen