Entscheidungsstichwort (Thema)

Mitbestimmung bei Zahlung des Lohnes. Kontostunde

 

Leitsatz (redaktionell)

1. § 36 Abs 1 BAT schließt ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats über die Auszahlung des Arbeitsentgelts nur aus, wenn der Arbeitgeber hinsichtlich des BAT tarifgebunden ist.

2. Tritt der Arbeitgeber dem Arbeitgeberverband, der Tarifvertragspartei des BAT ist, rückwirkend bei, so beginnt die Tarifbindung an den BAT erst im Zeitpunkt des tatsächlichen Beitritts.

3. Ein Spruch der Einigungsstelle über die Auszahlung vom Arbeitsentgelt, der vor dem tatsächlichen Beitritt des Arbeitgebers zum Arbeitgeberverband ergangen ist, bleibt wirksam, da § 36 Abs 1 BAT bestehende betriebliche Regelungen unberührt läßt.

 

Normenkette

TVG § 3 Abs. 1; BAT § 36 Abs. 1; BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 4

 

Verfahrensgang

LAG Düsseldorf (Entscheidung vom 29.05.1987; Aktenzeichen 2 TaBV 29/87)

ArbG Essen (Entscheidung vom 22.01.1987; Aktenzeichen 3 BV 97/86)

 

Gründe

A. Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit eines Einigungsstellenbeschlusses über die Zahlung von Kontoführungsgebühren und die Gewährung einer sogenannten Kontostunde.

Der Arbeitgeber (Antragstellerin) ist eine Werkstatt für Behinderte, die in der Form einer gemeinnützigen Gesellschaft mit beschränkter Haftung betrieben wird. Im Betrieb des Arbeitgebers ist ein Betriebsrat (Antragsgegner) errichtet. Die Arbeitsverhältnisse der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer richten sich nach den Bestimmungen des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT).

Die monatlichen Bezüge werden den Arbeitnehmern bargeldlos auf ein Konto gezahlt, das sie bei einem Geldinstitut führen. Insoweit heißt es in § 36 Abs. 1 BAT, der durch den 45. Tarifvertrag zur Änderung und Ergänzung des BAT am 1. Januar 1980 in Kraft getreten ist, unter der Überschrift:

"Berechnung und Auszahlung der Bezüge, Vorschüsse

(1) Die Bezüge sind für den Kalendermonat zu be-

rechnen und am 15. eines jeden Monats (Zahltag)

für den laufenden Monat auf ein von dem Angestell-

ten errichtetes Giro- oder Postscheckkonto zu zah-

len. Sie sind so rechtzeitig zu überweisen, daß

der Angestellte am Zahltag über sie verfügen kann.

Fällt der Zahltag auf einen Samstag oder auf einen

Wochenfeiertag, gilt der vorhergehende Werktag,

fällt er auf einen Sonntag, gilt der zweite vor-

hergehende Werktag als Zahltag."

In einer Niederschrift der Tarifvertragsparteien vom 30./31. Oktober 1979 über die Redaktionsverhandlungen zur Änderung des BAT und des BMT-G II heißt es dazu weiter:

"1. Zu § 36 BAT und zu § 26 a BMT-G besteht Einver-

nehmen, daß dem Arbeitnehmer, soweit erforder-

lich, ausreichende Arbeitsbefreiung unter Fort-

zahlung der Vergütung/des Lohnes zum Abheben der

Bezüge bei dem Geldinstitut gewährt wird; dabei

sind die dienstlichen bzw. betrieblichen Belange

zu berücksichtigen.

2. Zu § 36 BAT und zu § 26 a BMT-G besteht zwischen

der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbän-

de und der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Trans-

port und Verkehr Einvernehmen, daß durch das In-

krafttreten dieses Tarifvertrages - vorbehaltlich

zwingender gesetzlicher Vorschriften - bestehende

betriebliche, örtliche oder bezirkliche Regelun-

gen nicht unmittelbar berührt werden."

Der Betriebsrat verlangte 1986 den Abschluß einer Betriebsvereinbarung über die Zahlung von Kontoführungsgebühren und die Einrichtung einer sogenannten Kontostunde, für die den Arbeitnehmern unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts Arbeitsbefreiung zum Abheben der Bezüge vom Konto gewährt werden sollte. Da die Beteiligten sich nicht einigen konnten, rief der Betriebsrat die Einigungsstelle an. Diese beschloß am 24. Oktober 1986 eine Regelung, die folgenden Wortlaut hat:

"Den Arbeitnehmern der Firma C Werk-

stätten für Behinderte gem. GmbH wird pro Monat

eine Stunde Arbeitszeit zwecks Erledigung von Tä-

tigkeiten eingeräumt, die durch die Führung eines

Kontos bedingt sind, auf das die monatlichen Be-

züge der Arbeitnehmer überwiesen werden.

Die Einführung einer Kontoführungsgebühr wird ab-

gelehnt."

Am 5. November 1986 trat der Arbeitgeber dem Kommunalen Arbeitgeberverband Nordrhein-Westfalen bei. Der Beschluß der Einigungsstelle wurde ihm am 11. November 1986 zugeleitet.

Mit dem vorliegenden, am 25. November 1986 anhängig gewordenen Beschlußverfahren macht der Arbeitgeber die Unwirksamkeit des Spruchs der Einigungsstelle geltend. Er hält die Zuständigkeit der Einigungsstelle nicht für gegeben, weil der Komplex der bargeldlosen Gehaltszahlung bereits tariflich geregelt und deshalb für das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gesperrt sei. Durch den 45. Änderungstarifvertrag zum BAT sei die Frage der bargeldlosen Lohnzahlung in § 36 Abs. 1 BAT erschöpfend geregelt worden. Dies folge zusätzlich noch aus den Sitzungsniederschriften der Tarifvertragsparteien. Für seinen Betrieb bestehe im übrigen kein Regelungsbedarf. Die von den Tarifvertragsparteien angesprochene Freistellung zum Zwecke der Erledigung von Bankgeschäften werde im Betrieb schon seit längerer Zeit praktiziert.

Der Arbeitgeber hat beantragt

festzustellen, daß der Beschluß der Einigungs-

stelle vom 24. Oktober 1986, soweit er die Ein-

richtung einer Kontostunde regelt, unwirksam

ist.

Der Betriebsrat hat beantragt, den Antrag abzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, sein Mitbestimmungsrecht folge aus § 87 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG. § 36 Abs. 1 BAT entfalte keine Sperrwirkung für eine Betriebsvereinbarung über die Einrichtung einer Kontostunde.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag des Arbeitgebers abgewiesen. Auf die Beschwerde des Arbeitgebers hat das Landesarbeitsgericht dem Antrag stattgegeben. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt der Betriebsrat die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung, während der Arbeitgeber um Zurückweisung der Rechtsbeschwerde bittet.

B. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats ist begründet. Der Spruch der Einigungsstelle vom 24. Oktober 1986 ist entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts wirksam.

I. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats ist zulässig.

Es ist unerheblich, daß der Betriebsrat in der Rechtsbeschwerdebegründung seinen Sachantrag nicht wiederholt, sondern lediglich die Aufhebung der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts beantragt hat. Seinem gesamten Vorbringen ist eindeutig zu entnehmen, daß er seinen Sachantrag, den Antrag des Arbeitgebers auf Feststellung der Unwirksamkeit des Einigungsstellenbeschlusses abzuweisen und demgemäß die erstinstanzliche Entscheidung wiederherzustellen, weiterverfolgt. Es bedarf nicht unbedingt bestimmt gefaßter Anträge, wenn nur die innerhalb der Frist eingegangenen Schriftsätze ein bestimmtes Begehren eindeutig aufzeigen (Beschluß des Senats vom 22. Oktober 1985 - 1 ABR 81/83 - AP Nr. 24 zu § 99 BetrVG 1972, zu B I der Gründe; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZP0, 46. Aufl., § 519 Anm. 3 B, mit weiteren Nachweisen).

II. Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß der Spruch der Einigungsstelle nur wirksam ist, wenn dem Betriebsrat hinsichtlich der im Spruch geregelten Angelegenheiten auch ein Mitbestimmungsrecht zusteht. Es hat weiter zutreffend gesehen, daß der Betriebsrat über Zeit, Ort und Art der Auszahlung des Arbeitsentgelts nach § 87 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG nur dann mitzubestimmen hat, wenn diese Fragen nicht tariflich geregelt sind. Es hat in der Regelung des § 36 Abs. 1 BAT schließlich zu Recht eine tarifliche Regelung gesehen, die das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG ausschließt.

Der durch den Eingangssatz von § 87 Abs. 1 BetrVG begründete Vorrang einer tariflichen vor einer mitbestimmten betrieblichen Regelung greift dann ein, wenn die tarifliche Regelung die mitbestimmungspflichtige Angelegenheit selbst abschließend und zwingend regelt und damit schon selbst dem Schutzzweck des sonst gegebenen Mitbestimmungsrechts Genüge tut (BAGE 50, 313, 317 = AP Nr. 5 zu § 87 BetrVG 1972 Tarifvorrang, zu B II 3 der Gründe; BAGE 54, 191, 200 = AP Nr. 21 zu § 77 BetrVG 1972, zu B II 4 b aa der Gründe; Wiese, Zum Gesetzes- und Tarifvorbehalt nach § 87 Abs. 1 BetrVG, in 25 Jahre BAG, 1979, S. 661, 669).

Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats wird nur dann nicht verdrängt, wenn die tariflichen Normierungen insgesamt oder in einzelnen Punkten lediglich ergänzungsbedürftige Rahmenvorschriften geben. Ob die Tarifvertragsparteien Raum für ergänzende Regelungen lassen wollten, muß, wenn es im Tarifvertrag an einem ausdrücklichen Hinweis fehlt, aus den einschlägigen tariflichen Bestimmungen zu entnehmen sein. Nach der Rechtsprechung des Senats entfaltet mit Rücksicht auf den vom Gesetzgeber gewollten Vorrang des Tarifvertrages jede tarifliche Regelung, die nicht ohne weiteres als nur unvollständig gemeint erkennbar ist, für die Betriebspartner eine Sperrwirkung; jede auch nur einigermaßen vollständige, aus sich heraus zu handhabende Regelung in einem Tarifvertrag schließt eine entsprechende betriebliche Regelung aus (BAGE 36, 148, 156 = AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Tarifvorrang, zu B III 2 der Gründe, mit weiteren Nachweisen). In der Entscheidung vom 31. August 1982 hat der Senat deshalb ausgesprochen, daß eine tarifliche Regelung über die Einführung der bargeldlosen Lohn- und Gehaltszahlung nicht allein deswegen unvollständig und daher für eine ergänzende Regelung durch die Betriebspartner offen ist, weil sie die Tragung der Kontoführungskosten nicht besonders regelt; auch ohne eine solche besondere Regelung entfaltet sie eine Sperre für das sonst gegebene Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats hinsichtlich der Frage, wer die durch die bargeldlose Lohnzahlung anfallenden Kontoführungskosten tragen soll (BAGE 39, 351 = AP Nr. 2 zu § 87 BetrVG 1972 Auszahlung).

Mit der Begründung, jeder tariflichen Regelung sei eine Sperrwirkung einzuräumen, die "nicht ohne weiteres als nur unvollständig gemeint erkennbar" ist, haben der Sechste Senat des Bundesverwaltungsgerichts (Beschluß vom 25. Januar 1985 - 6 P 7.84 - Buchholz 238.36 § 72 NdsPersVG Nr. 3) und der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 5. Mai 1988 - 6 AZR 521/85 -, zur Veröffentlichung vorgesehen) angenommen, daß die Regelung der Lohnzahlungsmodalitäten in § 26 a BMT-G II, der mit dem 26. Ergänzungstarifvertrag zum BMT-G II ebenfalls am 1. Januar 1980 in Kraft getreten ist, abschließend ist. Für die inhaltsgleiche Regelung des § 36 Abs. 1 BAT kann nichts anderes gelten. Für ein Mitbestimmungsrecht des Personal- bzw. Betriebsrats ist daher nach § 36 Abs. 1 BAT und § 26 a BMT-G II kein Raum (Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, BAT, Stand April 1988, § 36 Erl. 1 a; Scheuring/Lang, BMT-G II, Stand 1. Januar 1988, § 26 a Erl. 1; Uttlinger/Breier/Kiefer, BAT, Stand 1. Februar 1988, § 36 Erl. 5 d).

Dem schließt sich der Senat an.

III. Gleichwohl kann die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts keinen Bestand haben.

1. Das Landesarbeitsgericht ist ohne nähere Prüfung davon ausgegangen, daß § 36 Abs. 1 BAT das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG auch des antragstellenden Betriebsrats ausschließt. Das ist jedoch nicht der Fall.

Eine das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 BetrVG ausschließende tarifliche Regelung besteht - von dem Fall, daß der Tarifvertrag für allgemeinverbindlich erklärt worden ist, abgesehen - nur dann, wenn der Arbeitgeber hinsichtlich der Regelung auch tarifgebunden ist. Nur dann vermag die tarifliche Regelung für die Arbeitnehmer einen zwingenden und unabdingbaren Schutz zu begründen, der das Eingreifen von Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats entbehrlich macht. Dabei ist nicht erforderlich, daß die Arbeitnehmer selbst tarifgebunden sind. Mit ihrem Beitritt zur Tarifvertragspartei können sie diesen Schutz erwerben. Das hat der Senat in seiner Entscheidung vom 24. Februar 1987 (BAGE 54, 191, 206 ff. = AP Nr. 21 zu § 77 BetrVG 1972, zu B II 6 c der Gründe) im einzelnen näher begründet.

2. Am 24. Oktober 1986, dem Tag des Beschlusses der Einigungsstelle, war der Arbeitgeber an den BAT nicht tarifgebunden. Nach dem übereinstimmenden Vortrag beider Beteiligten ist der Arbeitgeber erst am 5. November 1986 dem Kommunalen Arbeitgeberverband Nordrhein-Westfalen beigetreten, der seinerseits Mitglied der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände ist, die Tarifvertragspartei des BAT ist. Daß dieser Beitritt, wie der Arbeitgeber vorgetragen hat, "mit Wirkung zum 15. Oktober 1986" erfolgt ist, ist ohne Bedeutung. Selbst wenn ein solcher rückwirkender Beitritt vereinsrechtlich zulässig ist, ist dies für den Beginn der Tarifbindung an die vom Arbeitgeberverband abgeschlossenen Tarifverträge ohne Bedeutung. Diese tritt erst mit dem tatsächlichen Beitritt zum Arbeitgeberverband ein. Die nach § 3 Abs. 1 TVG kraft Gesetzes mit dem Erwerb der Mitgliedschaft eintretende Tarifbindung kann durch Vereinbarung zwischen dem Mitglied und dem Arbeitgeberverband nicht vor- oder rückdatiert werden (Wiedemann/Stumpf, TVG, 5. Aufl., § 3 Rz 46).

Damit bestand am 24. Oktober 1986 keine tarifliche Regelung im Sinne des Eingangssatzes von § 87 Abs. 1 BetrVG, die das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG ausschließen konnte. Die Einigungsstelle war daher auch befugt, in ihrem Spruch Zeit, Ort und Art der Auszahlung des Arbeitsentgeltes zu regeln. Vom Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats wird auch eine Regelung erfaßt, die die Zahlung von Kontoführungsgebühren oder die Einführung einer Kontostunde zum Inhalt hat. Insoweit handelt es sich um notwendige Annexregelungen, auf die sich das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats erstreckt (BAGE 29, 40 = AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Auszahlung).

3. Der damit wirksame Beschluß der Einigungsstelle vom 24. Oktober 1986 ist mit dem Beitritt des Arbeitgebers zum Kommunalen Arbeitgeberverband Nordrhein-Westfalen am 5. November 1986 und der damit eingetretenen Tarifbindung an den BAT nicht unwirksam geworden. § 36 Abs. 1 BAT läßt bereits bestehende und wirksam zustande gekommene betriebliche Regelungen unberührt.

Der 45. Änderungstarifvertrag zum BAT und der 26. Ergänzungstarifvertrag zum BMT-G II haben eine jahrzehntealte tarifliche Tradition aufgegeben. Nach dem Wortlaut von § 36 BAT bzw. § 26 a BMT-G II wird die bargeldlose Lohnzahlung eingeführt und damit eine Sperre für zukünftige betriebliche Regelungen geschaffen. Nach dem Wortlaut der Tarifvorschrift ist nicht eindeutig, in welchem Umfang der gewachsene Rechtszustand geändert werden sollte. Diese Frage ist jedoch von den Tarifvertragsparteien gesehen worden. Aus der Protokollnotiz ergibt sich mit hinreichender Klarheit, daß bereits bestehende Regelungen aufrechterhalten werden sollten (BAG Urteil vom 11. Januar 1983 - 3 AZR 433/80 - AP Nr. 5 zu § 36 BAT; Urteil vom 31. Juli 1984 - 3 AZR 246/82 - AP Nr. 1 zu § 26 a BMT-G II; BVerwG Beschluß vom 25. Januar 1985 - 6 P 7.84, aa0).

Sollte aber die tarifliche Neuregelung bei ihrem Inkrafttreten die bestehenden Regelungen nicht sofort hinfällig werden lassen, so besteht auch kein Grund zu der Annahme, die Tarifvertragsparteien hätten bestehende betriebliche Regelungen für den Fall nicht fortgelten lassen wollen, daß die tarifliche Regelung in Betrieben oder Dienststellen erst zu einem späteren Zeitpunkt erstmalig Anwendung findet.

Der Spruch der Einigungsstelle vom 24. Oktober 1986 ist daher durch den Eintritt der Tarifbindung des Arbeitgebers an den BAT in seiner Wirksamkeit nicht berührt worden. Daß er zwischenzeitlich auf andere Weise, etwa infolge einer Kündigung durch einen der Betriebspartner, sein Ende gefunden hat, ist dem Vorbringen der Beteiligten nicht zu entnehmen.

4. Der Spruch der Einigungsstelle ist schließlich nicht deswegen unwirksam, weil die Einigungsstelle mit der getroffenen Regelung die Grenzen ihres Ermessens überschritten hätte. Das Landesarbeitsgericht hat diese Frage von seinem Standpunkt aus zu Recht nicht geprüft. Der Senat kann jedoch darüber selbst entscheiden, da die zur Beurteilung erforderlichen Tatsachen feststehen.

Der Arbeitgeber hat selbst vorgetragen, daß den Arbeitnehmern in ausreichendem Umfange bezahlte Freistellung zum Aufsuchen des Geldinstitutes gewährt wird, wobei der Zeitpunkt jeweils mit dem betrieblichen Vorgesetzten abzustimmen ist. Von der betrieblichen Gewährung einer erforderlichen bezahlten Freistellung der Arbeitnehmer für diesen Zweck gehen auch die Tarifvertragsparteien aus. Von daher führt der Spruch der Einigungsstelle zu keinen neuen und überraschenden Leistungspflichten des Arbeitgebers. Auch wenn die Pauschalierung des erforderlichen Zeitaufwandes auf eine Stunde im Monat zu einer Erhöhung des ohne Arbeitsleistung fortzuzahlenden Arbeitsentgelts führen sollte, kann diese nicht so erheblich sein, daß sie dem Arbeitgeber nicht zuzumuten wäre. So hat auch der Arbeitgeber die von ihm gerügte Ermessensentscheidung der Einigungsstelle nicht mit untragbaren finanziellen Mehraufwendungen, sondern allein damit begründet, daß überhaupt kein Regelungsbedürfnis bestehe.

Auf der anderen Seite hat die Einigungsstelle bei ihrem Spruch berücksichtigt, daß sich kein Geldinstitut in unmittelbarer Nähe des Betriebes des Arbeitgebers befindet, so daß ein gewisser Zeitaufwand für den Gang zum Geldinstitut auf jeden Fall erforderlich ist. Wenn die Einigungsstelle daher für alle Arbeitnehmer gleichmäßig eine bezahlte Kontostunde für erforderlich aber auch ausreichend ansah, so liegt darin keine unangemessene Berücksichtigung der Interessen der Arbeitnehmer. Die beschlossene Regelung ist darüber hinaus geeignet, für alle Beteiligten Rechtsklarheit zu schaffen und Streitigkeiten über den im Einzelfall erforderlichen Zeitaufwand zum Aufsuchen des Geldinstitutes zu vermeiden. Daß die Einigungsstelle mit ihrer Regelung die Grenzen ihres Ermessens überschritten hat, läßt sich damit nicht feststellen.

Der Spruch der Einigungsstelle vom 24. Oktober 1986 ist daher wirksam. Das machte die Abänderung der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts und die Zurückweisung der Beschwerde des Arbeitgebers gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts erforderlich.

Dr. Kissel Matthes Dr. Weller

Bayer H. Paschen

 

Fundstellen

Haufe-Index 436978

BAGE 60, 323-330 (LT1-3)

BAGE, 323

BB 1989, 1056-1057 (LT1-3)

DB 1989, 1340 (LT1-3)

BetrVG EnnR BetrVG § 87 Abs 1, Nr 4 (1) (LT1-3)

ASP 1989, 264 (K)

NZA 1989, 564-565 (LT1-3)

RdA 1989, 135

ZTR 1989, 244-245 (LT1-3)

AP § 87 BetrVG 1972 Auszahlung (LT1-3), Nr 9

AR-Blattei, Öffentlicher Dienst Entsch 354 (LT1-3)

AR-Blattei, Betriebsverfassung XIVB Entsch 112 (LT1-3)

AR-Blattei, ES 530.14.2 Nr 112 (LT1-3)

AR-Blattei, ES 630 Nr 37 (LT1-3)

AR-Blattei, Einigungsstelle Entsch 37 (LT1-3)

EzA § 87 BetrVG 1972, Nr 12 (LT1-3)

EzBAT § 36 BAT, Nr 11 (LT1-3)

PersR 1990, 85-86 (L1-3)

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