Rz. 3

Der Erlass einer einstweiligen Anordnung bedarf eines Rechtsgrunds. Es muss ein Anordnungsanspruch bestehen, der durch die einstweilige Anordnung gesichert oder vorläufig geregelt werden soll. So kann ein Steuerbürger, dem Vollstreckungsmaßnahmen drohen, nicht mit der einstweiligen Anordnung diese Maßnahmen verhindern. Das kann er nur im Weg der Aussetzung der Vollziehung. Er kann aber einen Anspruch auf Vollstreckungsaufschub[1] geltend machen, der, wenn er hinreichend begründet und glaubhaft gemacht wird, Grund für eine einstweilige Anordnung sein kann.

Eine einstweilige Anordnung ist zulässig in der Form der Sicherungsanordnung und der Regelungsanordnung.

§ 114 Abs. 1 S. 1 FGO bestimmt, dass das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen kann, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Nach § 114 Abs. 1 S. 2 FGO ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden, drohende Gewalt zu verhindern oder andere Gründe dies erforderlich werden lassen (Regelungsanordnung). Die Grenze zwischen beiden Anordnungen ist fließend. Auch gibt es Überschneidungen. Wegen der gleichartigen Behandlung ist eine Unterscheidung im Ergebnis ohne Bedeutung. Sicherungsanordnung und Regelungsanordnung bedingen allerdings verfahrensmäßig unterschiedliche Anträge und Entscheidungsformen.[2]

[2] Loose, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 114 FGO Rz. 3; Koch, in Gräber, FGO, 8. Aufl. 2015, § 114 FGO Rz. 33.

3.1 Anordnungsanspruch

 

Rz. 4

§ 114 FGO gewährt einstweiligen Rechtsschutz in Fällen, in denen der Anspruch im Weg der Verpflichtungs-, Feststellungs- und schlichten Leistungsklage durchzusetzen ist. Bei Anfechtung eines Verwaltungsakts durch Einspruch bzw. Klage steht dagegen die Aussetzung der Vollziehung[1] zu Gebote.

Wird der Erlass eines Verwaltungsakts begehrt, der auf einer Ermessensentscheidung der Finanzbehörde beruht (z. B. Stundung), darf das Gericht nicht das eigene Ermessen anstelle der Behörde ausüben. Es kann die Behörde nur dann verpflichten, eine Entscheidung in bestimmter Weise zu treffen, wenn das behördliche Ermessen reduziert ist.[2] Ein Anordnungsanspruch ist deshalb nur gegeben, wenn der Antragsteller geltend macht, dass die Ablehnung der von ihm begehrten Maßnahme ermessensfehlerhaft sei und ermessensfehlerfrei nur eine Entscheidung in seinem Sinn ergehen könne.[3]

Ist das Ermessen der Behörde nicht reduziert, kann das Gericht nur durch Bescheidungsurteil entscheiden.[4] Gleichwohl kann ein Bedürfnis nach vorläufigem Rechtsschutz bestehen, den das Gericht auch gewähren kann, weil die Entscheidung in der Hauptsache nicht vorweggenommen wird.[5]

3.1.1 Sicherungsanordnung

 

Rz. 5

Die Sicherungsanordnung ist auf einen vorläufigen Erhalt des bisherigen Zustands gerichtet. Das Recht, das zu schützen ist, muss Gegenstand der – ggf. künftig zu erhebenden – Klage im Hauptsacheverfahren sein.

Ein Anordnungsgrund kann z. B. sein:

  • eine rufgefährdende, durch den Besteuerungszweck nicht mehr gedeckte Mitteilung eines FA an Dritte[1];
  • die Ankündigung von Vollstreckungsmaßnahmen durch das FA, solange noch nicht über einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung entschieden worden ist, oder der Beginn von Vollstreckungsmaßnahmen während des Aussetzungsverfahrens gegen den Grundlagenbescheid.[2] Der Anordnungsanspruch folgt hierbei aus § 258 AO. Es ist nicht zu überprüfen, ob die Vollstreckung rechtmäßig erfolgt; das ist allenfalls Gegenstand des Aussetzungsverfahrens bzw. der Anfechtungsklage gegen die Vollstreckungsmaßnahme[3];
  • die Vollstreckungsmaßnahme aus einem möglicherweise nichtigen Steuerbescheid vorläufig einzustellen, wenn der Antragsteller Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des Verwaltungsakts erhoben hat[4];
  • die Herausgabe von Steuerakten an einen Untersuchungsausschuss zu unterlassen[5];
  • der Anspruch einer Bank, anlässlich einer Außenprüfung gefertigte Notizen aus ihren Papieren nicht an andere FÄ weiterzuleiten[6];
  • die Vollstreckung aus einem ausländischen Titel im Weg der Amtshilfe, der unter Missachtung elementarer Rechtsgrundsätze zustande gekommen ist (ordre public) und dadurch dem Schuldner einen unangemessenen Nachteil bringen würde. Hierunter fallen jedoch nicht österreichische Vollstreckungstitel, zumal wenn es der Schuldner unterlassen hat, dagegen in Österreich Rechtsmittel einzulegen.[7]

Kein Anordnungsgrund soll hingegen zur Verhinderung einer Spontanauskunft an einen DBA-Staat gegeben sein, wenn die ...

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