Rz. 27

Nach § 95 StPO sind Gegenstände, die als Beweismittel von Bedeutung sein können, auf Anforderung herauszugeben. Verpflichtet zur Herausgabe ist jeder Gewahrsams­inhaber; bei einer unberechtigten Weigerung können Ordnungs- und Zwangsmittel festgesetzt werden, § 95 Abs. 2 StPO. Der Beschuldigte braucht allerdings zu seiner Überführung nichts beizutragen und ist daher nicht herausgabepflichtig.[1] Eine Herausgabepflicht besteht jedoch für den Insolvenzverwalter des Beschuldigten.[2] Auch kann die Herausgabe eines Gegenstands, der nach § 97 StPO beschlagnahmefrei ist, nicht erzwungen werden. Praktisch bedeutsam ist die Herausgabe von Geschäftsunterlagen, etwa von Banken. Das Bankgeheimnis steht dem spätestens seit seiner Aufhebung[3] nicht entgegen.[4] Umstritten ist aber, ob neben dem Richter die Staatsanwaltschaft oder die Finanzbehörde (Bußgeld- und Strafsachenstelle) das Herausgabeverlangen stellen kann, auch wenn keine Gefahr im Verzug besteht.[5] Teilweise wird dieses Recht verneint.[6] Das Herausgabeverlangen nach § 95 StPO steht jedoch zur Beweismittelgewinnung eigenständig neben der Durchsuchung und Beschlagnahme und knüpft an die Zeugenpflicht an (§ 95 Abs. 2 StPO). Da Zeugen nach § 161a Abs. 1 StPO verpflichtet sind, vor der Staatsanwaltschaft oder der Finanzbehörde (Bußgeld- und Strafsachenstelle) zu erscheinen und auszusagen, können Letztere auch das Herausgabeverlangen nach § 95 StPO wirksam stellen.[7] Bei der Durchsuchung bei einem unbeteiligten Dritten (z. B. Insolvenzverwalter) ist stets als milderes Mittel zur Durchsuchung nach § 103 StPO das Herausgabeverlangen nach § 95 StPO in Erwägung zu ziehen.[8]

[1] Köhler, in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63. Aufl. 2020, § 95 StPO Rz. 5; Greven, in KK-StPO, 8. Aufl. 2019, § 95 StPO Rz. 2.
[2] Greven, in KK-StPO, 8. Aufl. 2019, § 95 StPO Rz. 2 m. w. N.
[3] Gesetz zur Bekämpfung der Steuerumgehung und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz) v. 23.6.2017, BGBl I 2017, 1682 mit Wirkung ab dem 25.6.2017.
[4] LG Hamburg v. 10.1.1978, (86a) Qs 68/77, NJW 1978, 958; Bittmann, wistra 1990, 325.
[5] Burhoff, PStR 2000, 124.
[6] LG Bonn v. 11.11.1982, 37 Qs 116/82, NStZ 1983, 327; Braczyk, wistra 1993, 57; Reiß, StV 1988, 33, 35; Hilgers-Klautzsch, in Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 385 AO Rz. 314.
[7] Joecks, in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 8. Aufl. 2015, § 399 AO Rz. 42; Köhler, in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63. Aufl. 2020, § 95 StPO Rz. 2; Bittmann, wistra 1990, 327; Klinger, wistra 1991, 17; LG Lübeck v. 3.2.2000, 6 Qs 3/00, NJW 2000, 3148; LG Koblenz v. 31.10.2001, 4 Qs 167/01, wistra 2002, 359; Vogelberg, PStR 2004, 191.
[8] A. A. LG Ulm v. 15.1.2007, 2 Qs 2002/07 Wik m. abl. Anm. Menz, ZInsO 2007, 827.

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