Rz. 369

Ausgehend vom strafrechtlichen Charakter der Nachentrichtungsfrist ist eine Überprüfung der Angemessenheit der Fristgewährung im Finanzrechtsweg[1] nicht zulässig.[2] Dies ergibt sich auch aus § 33 Abs. 2 S. 2 FGO, wonach die Vorschriften über den Finanzrechtsweg auf das Straf- und Bußgeldverfahren nicht anwendbar sind.

 

Rz. 370

Strittig ist allerdings, ob eine Überprüfung der Fristsetzung in einem gesonderten Verfahren vor den ordentlichen Gerichten, also insoweit den Strafgerichten, zulässig ist. Übereinstimmend wird der Rechtsweg nach § 23 EGGVG zum Strafsenat des OLG abgelehnt, da die Fristsetzung nach § 371 Abs. 3 AO nicht als Justizverwaltungsakt, sondern nur als strafprozessuale Verfahrenshandlung gewertet werden kann.[3]

 

Rz. 371

Ein Teil der Lit. will die Beschwerde entsprechend § 304 StPO zulassen.[4]

Für eine derartige entsprechende Anwendung besteht jedoch keine Notwendigkeit.[5] Sie ist auch durch Art. 19 Abs. 4 GG nicht geboten, da durch die Überprüfbarkeit in der Hauptverhandlung und die Möglichkeit der gerichtlichen Fristsetzung ausreichender Rechtsschutz gewährleistet ist.[6] Es ist nicht in einem gesonderten und verzögernden – damit dem Zweck der Frist widersprechenden – Verfahren über die Rechtmäßigkeit der Fristsetzung als Verfahrenshandlung der Strafverfolgungsorgane zu entscheiden, sondern von dem Gericht der Hauptsache inzidenter über die "Gewährung einer angemessenen Frist" als objektives Tatbestandsmerkmal der Strafbarkeit.

[2] BFH v. 17.12.1981, IV R 94/77, BStBl II 1982, 352; LG Hamburg v. 4.3.1987, (50) 187/86 Ns, wistra 1988, 317; LG Koblenz v. 13.12.1985, 105 Js (Wi) 17.301/83 10 Kls, DStR 1986, 511; AG Saarbrücken v. 21.6.1983, 9 As 86/83, wistra 1983, 269; Kohler, in MüKo StGB Bd. 7, 2. Aufl., § 371 AO Rz. 160; Schauf, in Kohlmann, Steuerstrafrecht, 59. Lfg. 11/17, § 371 AO Rz. 392; a. A. noch Rüping, in HHSp, AO/FGO, 230. Lfg. 11/14, § 371 AO Rz. 129 bei der Annahme einer steuerlichen Nachentrichtungspflicht.
[3] Großmann, DB 1979, 1201; Henneberg, BB 1973, 1301; Kramer, DB 1980, 853.
[4] AG Saarbrücken v. 21.6.1983, 9 As 86/83, wistra 1983, 269; Blesinger, in Kühn/v. Wedelstädt, AO/FGO, 22. Aufl. 2018, § 371 AO Rz. 30; Joecks, in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 8. Aufl. 2015, § 371 AO Rz. 165f.; Kemper, in Rolletschke/Kemper, Steuerstrafrecht, 109. Lfg. 10/17, § 371 AO Rz. 455; Schauf, in Kohlmann, Steuerstrafrecht, 59. Lfg. 11/17, § 371 AO Rz. 395; Großmann, DB 1979, 1201; Kramer, DB 1980, 853, jedenfalls für die gerichtliche Fristsetzung; Theil, BB 1983, 1274, 1279.
[5] Zutreffend FG München v. 15.2.1977, I 229/76 AO, EFG 1977, 384; Kramer, DB 1980, 853; Weinreuter, DStZ 200, 398, 407.
[6] Henneberg, BB 1973, 1301; vgl. auch FG München v. 15.2.1977, I 229/76 AO, EFG 1977, 384; Niedersächsisches FG v. 27.8.1963, V 30/62, DStZ/B 1963, 402; Scheurmann-Kettner, in Koch/Scholtz, AO, 5. Aufl. 1996, § 371 Rz. 41; Rolletschke, DStZ 1999, 290; Schuhmann, DStZ/A 1978, 48; Wrenger, DB 1987, 2328; a. A. Joecks, in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 8. Aufl. 2015, § 371 AO Rz. 165; Kemper, in Rolletschke/Kemper, Steuerstrafrecht, 109. Lfg. 10/17, § 371 AO Rz. 451.

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