Rz. 139

Die Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung der Angaben erfolgt durch eine Erklärung im Besteuerungsverfahren (Rz. 14). Eine rechtliche Bindung an diese Angaben besteht für den Selbstanzeigenden im Besteuerungsverfahren nicht. Er kann die Angaben insoweit sowohl vor der auf seine Angaben hin erfolgenden "Berichtigungsveranlagung" als auch in einem nachfolgenden Einspruchsverfahren bzw. finanzgerichtlichen Klageverfahren wieder korrigieren, da das Besteuerungsverfahren nach § 85 AO nur dem Zweck dient, das materiell-rechtlich richtige Ergebnis zu erreichen.[1] Diese Korrektur, die insbesondere bei einer überhöhten Schätzung (Rz. 133ff.) in Betracht kommt, hat auf die strafrechtliche Situation keinen Einfluss. Insbesondere ist der Selbstanzeigende nicht an die rechtliche Wertung der Finanzbehörde gebunden[2], sondern kann auch das Vorliegen einer Steuerhinterziehung bestreiten,[3] was für die Festsetzungsverjährung und die Zinspflicht von Bedeutung sein kann.

Eine faktische Bindung an die vom Selbstanzeigenden in der Selbstanzeige gemachten Angaben kann sich nur daraus ergeben, dass das richtige steuerliche Ergebnis von der Finanzbehörde nicht ermittelt werden kann und das Schätzungsergebnis des Selbstanzeigenden zu seinen Lasten im Besteuerungsverfahren Bestand hat, wenn auch er dessen Unrichtigkeit nicht schlüssig darlegen kann.

 

Rz. 140

Strittig ist hingegen, wie sich eine Korrektur bzw. ein Widerruf der Selbstanzeige im Rahmen des Strafverfahrens auf deren strafbefreiende Wirkung auswirkt. Franzen[4] vertrat unter Berufung auf ältere Rspr. des RG die Ansicht, dass mit der Korrektur bzw. dem Widerruf die strafbefreiende Wirkung entfalle.[5] Dieser Ansicht kann jedoch nicht pauschal gefolgt werden, sondern es bedarf einer angemessenen Differenzierung:

 

Rz. 141

War die zunächst abgegebene Selbstanzeige zutreffend und vollständig, so handelt es sich i. S. d. allein auf objektive Gesichtspunkte abstellenden § 371 Abs. 1 AO (Rz. 5) um eine Berichtigung, die auch im Falle eines späteren Widerrufs oder einer "Korrektur" objektiv eine Berichtigung bleibt. Sind auch die weiteren Voraussetzungen des § 371 Abs. 1 AO erfüllt – insbesondere Nachzahlungsfrist und fristgerechte Nachzahlung – tritt Straffreiheit ein, die durch später abweichende Erklärungen nicht wieder beseitigt wird.[6] Der Widerruf oder die "Korrektur" kann in diesem Fall jedoch eine erneute (versuchte) Steuerhinterziehung darstellen.[7]

 

Rz. 142

Etwas anderes gilt hingegen, wenn die zunächst abgegebene Selbstanzeige nicht zutreffend bzw. nicht vollständig ist. Korrigiert der Stpfl. in einer zweiten Erklärung unzutreffende Angaben seiner ersten Erklärung, so offenbart gerade der (berichtigende) Widerruf, dass die erste Erklärung fehlerhaft war und somit nicht strafbefreiend wirkt. Auch die zweite Erklärung dürfte i. d. R. als "Selbstanzeige nach der Selbstanzeige" nicht mehr zur Straffreiheit führen (Rz. 146ff.). Die Ansicht von Beckemper[8] und Schauf[9], dass beide Erklärungen nicht isoliert, sondern in der Gesamtschau zu sehen bzw. als Einheit zu werten seien, vermag vor dem Hintergrund des sich aus § 371 Abs. 1 AO auf jede einzelne Erklärung beziehenden Vollständigkeitsgebotes (Rz. 102ff.) nicht zu überzeugen.

Stehen die in der zweiten Erklärung mitgeteilten (neuen) Tatsachen jedoch nicht im Widerspruch zum ersten Tatsachenvortrag in der Selbstanzeige oder sind nur steuerlich nicht erhebliche Tatsachen betroffen, so ist dies im Hinblick auf die Straffreiheit durch die erste Erklärung unschädlich. Dasselbe gilt, wenn die Korrektur – z. B. wegen einer zu hohen Schätzung in der ersten Erklärung (vgl. Rz. 133ff.) – steuermindernd wirkt oder die steuererhöhende Auswirkung max. 5 % (vgl. dazu Rz. 116f.) beträgt.[10]

 
Praxis-Beispiel

H erklärt gegenüber seinem VeranlagungsFA, dass er in den Jahren 2012 bis 2014 jeweils 100.000 EUR Einnahmen pro Jahr nicht versteuert habe. Die für die Strafverfolgung zuständige Finanzbehörde betrachtet diese Erklärung als Selbstanzeige und setzt ihm eine angemessene Zahlungsfrist nach § 371 Abs. 3 AO. H erklärt daraufhin, dass nach seinen Recherchen die nicht erklärten Einnahmen in allen Jahren nur jeweils 40.000 EUR betragen hätten, wobei auch hiervon ein Teil nur fahrlässig nicht erklärt worden sei. Er zahlt nur die auf die Mehreinnahmen von 40.000 EUR pro Jahr entfallende ESt, GewSt und USt.

Sofern die Korrektur durch H inhaltlich zutreffend ist, steht sie dem Eintritt der Straffreiheit nicht entgegen.

Nach allgemeiner Ansicht hat es jedoch keinen Einfluss auf die Wirksamkeit der Selbstanzeige, wenn in der Folge in einer zweiten Erklärung Rechtsausführungen abgeändert werden.[11]

[1] Ebenso Beckemper, in HHSp, AO/FGO, 245. Lfg. 11/17, § 371 AO Rz. 82 und Kohler, in MüKo StGB Bd. 7, 2. Aufl., § 371 AO Rz. 130; a. A. FG Baden-Württemberg v. 11.12.2006, 6 K 214/05, EFG 2007, 330, wonach eine Selbstanzeige nicht nur eine Willens-, sondern in erster Linie eine Wissenserklärung über Tatsachen sei, die weder angefochten noch widerru...

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