Rz. 132

Eine schuldhafte Steuerhinterziehung liegt nur dann vor, wenn der Tatbeteiligte bei der Begehung der Tat die Einsicht besitzt, dass sein Vorhaben rechtlich verboten ist. Fehlt die Einsicht, Unrecht zu tun, nimmt z. B. der Tatbeteiligte irrtümlich an, sein Verhalten sei nicht rechtswidrig, entfällt nach § 17 S. 1 StGB die Schuld, wenn dieser "Verbotsirrtum" unvermeidbar war[1]. Ein Verbotsirrtum liegt nicht vor, wenn der Tatbeteiligte zwar die Strittigkeit einer steuerlichen Rechtsfrage kennt, aber zur Tatzeit die von ihm vorgenommene steuerliche Behandlung als wahrscheinlich unzulässig angesehen hat[2]. Ein Verbotsirrtum ist dann vermeidbar, wenn der Täter nach den Umständen und einer ihm nach seinem Lebens- und Berufskreis zuzumutenden Anspannung des Gewissens die Einsicht in das Unrechtmäßige seiner Handlung zu gewinnen vermag[3]. Ein Verbotsirrtum lässt die Schuld nur entfallen, wenn der Täter bei Anspannung seines Gewissens und bei Ausschöpfung der ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel nicht in der Lage ist, das Unrecht seiner Tat einzusehen. Beruht der Irrtum dagegen nur auf einer unzureichenden Sorgfaltspflicht, so handelt es sich um einen verschuldeten Verbotsirrtum mit der Folge, dass die Strafbarkeit wegen einer vorsätzlichen Steuerhinterziehung erhalten bleibt, aber eine Strafmilderung nach § 49 StGB in Betracht kommen kann[4]. Die gebotene Sorgfalt erfordert, dass sich der Tatbeteiligte nach der Rechtslage im Zeitpunkt der Tathandlung bei einem Angehörigen der rechts- und steuerberatenden Berufe über die steuerrechtliche Behandlung des Sachverhalts erkundigt. Die Schuld entfällt nicht dadurch, dass zu einem späteren Zeitpunkt die Rspr. das Verhalten für nicht mehr strafbar hält[5].

 

Rz. 133

Unerheblich ist die Kenntnis von der Strafbarkeit der Steuerhinterziehung, abzustellen ist ausschließlich auf die grundsätzliche Kenntnis, Unrecht zu tun[6]. Weiß oder hält der Tatbeteiligte es für möglich, dass sein Verhalten pflichtwidrig und damit rechtswidrig ist, so handelt er mit vollem Unrechtsbewusstsein, auch wenn er die Hinterziehung nicht für strafbar hält[7].

[1] S. § 369 AO Rz. 58; Backes, StuW 1982, 253; Reiß, wistra 1987, 16; vgl. BGH v. 21.2.2001, 5 StR 368/00, wistra 2001, 263 für die vermeintliche Billigung der Beteiligung eines "V-Manns" an Schmuggelfahrten durch die Ermittlungsbehörden; zweifelhaft jedoch das obiter dictum zum Verbotsirrtum in BGH v. 8.9.2011, 1 StR 38/11, wistra 2011, 465.
[2] BGH v. 16.5.1984, 2 StR 525/83, HFR 1984, 439, 441 für eine rückwirkende Gewinn- oder Verlustbeteiligungsabrede.
[4] BGH v. 19.4.1984, 1 StR 737/83, wistra 1984, 178.
[5] FG Köln v. 30.1.1985, I VI 589–593/80 U, E, G, H, EFG 1985, 524.
[6] BGH v. 23.4.1986, 3 StR 8/86, wistra 1986, 218.
[7] Hellmann, in HHSp, AO/FGO, § 370 AO Rz. 255.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Steuer Office Kanzlei-Edition. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge