Rz. 21

Nach § 183 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ist Einzelbekanntgabe erforderlich, wenn die Personenvereinigung vollbeendet ist und daher zivilrechtlich nicht mehr besteht. Eine nicht mehr bestehende Personenvereinigung kann nicht fikiver Empfangsbevollmächtigter sein. Vollbeendet ist die Personenvereinigung nicht schon am Beginn oder im Laufe des Liquidationsverfahren, sondern erst mit dessen Beendigung.[1] Während des Liquidationsverfahrens kann daher Bekanntgabe an die Personenvereinigung als Empfangsbevollmächtigten nach Abs. 1 erfolgen.

Der Tatbestand der Vollbeendigung ist auch dann erfüllt, wenn die Personenvereinigung in eine Körperschaft umgewandelt wird. Da dann die Personenvereinigung nicht mehr besteht, kann sie auch nicht mehr als Empfangsbevollmächtigter handeln. Es gelten die allgemeinen Regeln.[2]

Das gilt jedoch nicht, wenn die rechtsfähige Personenvereinigung formwechselnd in eine rechtsfähige Personenvereinigung anderer Rechtsform umgewandelt wird, z. B. von einer OHG in eine KG. Die bekanntgabe ist wirksam, die falsche Bezeichnung der Rechtsform kann dann berichtigt werden.

Die Personenvereinigung besteht auch dann nicht mehr, wenn bei einer zweigliedrigen Personenvereinigung ein Beteiligter ausgeschieden ist. Die Personenvereinigung endet dann durch Anwachsung.

Die Bekanntgabe an eine vollbeendete Personenvereinigung ist auch dann nicht mehr möglich, wenn der Finanzbehörde die Vollbeendigung nicht kennt. Dabei kommt es nicht darauf an, ob sie die Vollbeendigung kennen muss. Bei Personenhandelsgesellschaften wird die Vollbeendigung in das Handelsregister eingetragen, sodass die Finanzbehörde sich darüber informieren kann. Im Übrigen dürfte das FA zeitnah davon Kenntnis erlangen, wenn die Bekanntgabe infolge der Vollbeendigung des Bekanntgabeempfängers fehlschlägt. Die Bekanntgabe ist auch in diesem Fall wirksam, wenn und soweit ein Beteiligter das Schriftstücks tatsächlich erhält (Rz. 17).

 

Rz. 22

Die fiktive Bekanntgabevollmacht nach § 183 Abs. 1 AO ermöglicht die Bekanntgabe auch dann nicht mehr, wenn die Personenvereinigung zwar weiter besteht, aber ihre Rechtsfähigkeit verloren hat. Das kann insbesondere bei einer BGB-Gesellschaft der Fall sein, da bei ihr die Rechtsfähigkeit von dem Umfang ihrer Tätigkeit abhängig ist (Rz. 4). Durch den Ausdruck, dass die Personenvereinigung "nicht mehr" rechtsfähig ist, ist ausgedrückt, dass sie rechtsfähig gewesen sein muss, also nicht der Fall behandelt wird, dass die Personenvereinigung von Anfang an nicht rechtsfähig war. in diesem Fall ist die Bekanntgabe nach § 183 AO unwirksam, vielmehr muss nach § 183a AO bekannt gegeben werden.

§ 183 Abs. 1 AO ist nur dann nicht mehr anwendbar, wenn der Finanzbehörde bekannt ist, dass die Personenvereinigung nicht mehr rechtsfähig ist. Die Finanzbehörde muss positive Kenntnis davon haben, dass die Personenvereinigung nicht mehr rechtsfähig ist. Kennenmüssen genügt nicht. Die Feststellungsbeteiligten und die Personenvereinigung haben es in der Hand, die Finanzbehörde über den Verlust der Rechtsfähigkeit der Personenvereinigung zu informieren. Tun sie dies nicht, ist die Bekanntgabe nach § 183 Abs. 1 AO zulässig, bis die Finanzbehörde von dem Erwerb der Rechtsfähigkeit positiv Kenntnis erhält. Im Zweifel muss die Finanzbehörde darlegen, zu welchem Zeitpunkt sie Kenntnis erlangt hat. Dies kann nur die Finanzbehörde tun; die Feststellungsbeteiligten können hierüber i. d. R. keine Kenntnis haben.

[1] FG Bremen v. 12.10.1978, I 140/78 As, EFG 1979, 7; BFH v. 21.1.1982, IV R 146/78, BStBl II 1982, 506; a. A. Brandis, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 183 AO Rz. 23.

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