Rz. 1

§ 96 AO regelt als Ausführungsvorschrift zu § 92 S. 2 Nr. 2 AO die Einzelheiten der Hinzuziehung eines Sachverständigen durch die Finanzbehörde im Beweisverfahren. Als allgemeine Verfahrensvorschrift gilt die Norm gleichermaßen in allen Sachaufklärungsverfahren der Steuerfestsetzung, -erhebung und -vollstreckung. Keine Anwendung findet § 96 AO im Straf- und Bußgeldverfahren.[1]

 

Rz. 2

Die Norm stimmt in ihren wesentlichen Grundzügen mit den im allgemeinen Verwaltungsverfahren[2] und in den Prozessordnungen[3] geltenden Bestimmungen überein, enthält wegen der Besonderheiten des steuerlichen Verfahrens allerdings einige ergänzende Regelungen. Im VwVfG und SGB X ist die Mitwirkung eines Sachverständigen nur im förmlichen Verfahren vorgesehen.

 

Rz. 3

§ 96 Abs. 1 AO trifft Regelungen zur Bestimmung eines Sachverständigen durch die Finanzbehörde (vgl. Rz. 14ff.), Abs. 2 zur Ablehnung eines Sachverständigen durch die Beteiligten (vgl. Rz. 25ff.), Abs. 3 zum Kreis der pflichtigen Personen (vgl. Rz. 9ff.) und Abs. 4 zum Selbstablehnungsrecht des Ernannten (vgl. Rz. 35). § 96 Abs. 5 AO sieht eine Besonderheit für die Sachverständigentätigkeit von Angehörigen des öffentlichen Dienstes (vgl. Rz. 12) und Abs. 6 eine Pflicht zum Hinweis auf die Wahrung des Steuergeheimnisses (vgl. Rz. 41) vor. § 96 Abs. 7 AO regelt schließlich, wie das Sachverständigengutachten zu erstellen ist (vgl. Rz. 36ff.) und unter welchen Voraussetzungen die Beeidigung eines Sachverständigen in Betracht kommt (vgl. Rz. 42).

 

Rz. 4

Im Besteuerungsverfahren wird von der Hinzuziehung eines Sachverständigen nur selten Gebrauch gemacht. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass die Finanzbehörden in vielen Bereichen selbst über Spezialisten mit dem erforderlichen Fach- und Erfahrungswissen verfügen.[4] Insbesondere die Bediensteten in den Betriebsprüfungsstellen können aufgrund ihrer eigenen Sachkunde und ihrer oftmals sehr detaillierten Branchenkenntnissen auf die Hinzuziehung von Sachverständigen verzichten.[5] In der Praxis werden Sachverständige deshalb in erster Linie nur noch für die Beantwortung medizinischer, chemischer, physikalischer und technischer Fragen sowie für Stellungnahmen zum Vorliegen einer künstlerischen Tätigkeit herangezogen. Aufgrund der nur sporadischen Inanspruchnahme durch die Finanzbehörden befasst sich die hier zitierte Rspr. vornehmlich mit dem Sachverständigen im finanzgerichtlichen Verfahren.

[1] Koenig/Haselmann, AO, 4. Aufl. 2021, § 96 Rz. 1; Roser, in Gosch, AO/FGO, § 96 AO Rz. 3.
[4] Schuster, in HHSp, AO/FGO, § 96 AO Rz. 12; Helsper, in Koch/Scholtz, AO, 5. Aufl. 1996, § 96 Rz. 2; Roser, in Gosch, AO/FGO, § 96 AO Rz. 3; Wagner, in Kühn/v. Wedelstädt, AO/FGO, 22. Aufl. 2018, § 96 AO Rz. 2.
[5] Kritisch hierzu Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 96 AO Rz. 1.

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