Rz. 74

Die Rechtmäßigkeit eines Kontenabrufs nach § 93 Abs. 7 AO kann vom FG im Rahmen der Überprüfung des Steuerbescheids oder eines anderen Verwaltungsakts, zu dessen Vorbereitung der Kontenabruf vorgenommen wurde, überprüft werden. Der Kontenabruf entspricht einer elektronischen Einnahme des Augenscheins und stellt – anders als das nachfolgende allgemeine Auskunftsersuchen gem. § 93 Abs. 1 S. 1 AO – einen Realakt dar.[1] Damit ist gegen den Kontenabruf selbst weder ein Einspruchsverfahren nach der AO noch eine negative Verpflichtungsklage auf Unterlassung des Kontenabrufs statthaft.[2] Die Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Kontenabrufs wird im Regelfall vielmehr erst in einem gerichtlichen Verfahren gegen einen die Ergebnisse des Kontenabrufs berücksichtigenden Verwaltungsakt erfolgen. Hierbei wird es sich zumeist um eine Anfechtungsklage gegen den Steuerbescheid handeln, mit dem eine höhere Steuer festgesetzt wurde, als dies nach den Angaben in der Steuererklärung der Fall gewesen wäre.[3]

 

Rz. 75

Gegen einen von der Finanzbehörde beabsichtigten Kontenabruf kann sich der Stpfl., wenn er von den konkreten Absichten der Behörde durch eine vorherige[4] Information nach Maßgabe des § 93 Abs. 9 AO Kenntnis erlangt, isoliert mit einer allgemeinen Leistungsklage in Form der vorbeugenden Unterlassungsklage wenden. Das hierfür erforderliche Rechtsschutzbedürfnis dürfte regelm. gegeben sein, weil der Kontenabruf in den Schutzbereich des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung eingreift und später nicht mehr rückgängig gemacht werden kann.[5] Das Rechtsschutzbedürfnis entfällt auch nicht durch die dem Stpfl. gegebene Möglichkeit, den nachfolgenden Steuerbescheid, in dem das FA das Ergebnis des Kontenabrufs ausgewertet hat, anzufechten.[6] Denn mit der Anfechtung eines Steuerbescheids kann sich der Betroffene nur gegen die Höhe der festgesetzten Steuer wenden. Diese bleibt aber, und zwar auch aus Sicht des Stpfl., in zutreffender Höhe bestehen, wenn der Kontenabruf die Angaben in der Steuererklärung bestätigt.

Als Maßnahme des vorläufigen finanzgerichtlichen Rechtsschutzes kommt unter den engen Voraussetzungen des § 114 FGO der Erlass einer einstweiligen Anordnung in Betracht.

 

Rz. 76

Unterbleibt entgegen § 93 Abs. 9 S. 1 und 3 AO eine vorherige Information des Stpfl. über einen Kontenabruf und führt dieser zu keinen von der Steuererklärung abweichenden Erkenntnissen, so kann die Rechtswidrigkeit der Maßnahme nur im Rahmen einer Feststellungsklage nach § 41 FGO geltend gemacht werden. Das Interesse an einer nachträglichen Feststellung wird sich in diesen Fällen aus der Gefahr weiterer Kontenabrufe ergeben.[7]

 

Rz. 76a

Die Durchführung eines Kontenabrufs steht der Abgabe einer wirksamen strafbefreienden Selbstanzeige[8] nicht entgegen. Denn mit den aus einem Kontenabruf gewonnenen Erkenntnissen über die im Inland geführten Kontostammdaten ist eine Steuerstraftat noch nicht i. S. d. § 370 Abs. 2 Nr. 2 AO entdeckt.[9] Eine Selbstanzeige dürfte erst dann unwirksam sein, wenn die Finanzbehörde nach § 93 Abs. 1 S. 1 AO bereits weitere Ermittlungen eingeleitet und hierdurch die Erkenntnis gewonnen hat, dass im Rahmen der Steuererklärung nicht angegebene Kapitaleinkünfte vorliegen.[10]

 

Rz. 76b

Liegen die Voraussetzung für einen Kontenabruf nicht vor, kommt es ohne weiteres zu einer Datenschutzverletzung, die nach Maßgabe der Art. 77 und 78 DSGVO durch eine Beschwerde gerügt werden kann. Hierbei ist der gerichtliche Prüfungsmaßstab dergestalt eingeschränkt, dass eine gerichtliche Überprüfung, ob eine Beschwerdeentscheidung einer datenschutzrechtlichen Aufsichtsbehörde auch inhaltlich zutreffend sei, in der DSGVO nicht vorgesehen ist.[11] Äußert sich die datenschutzrechtliche Aufsichtsbehörde nicht zum tatbestandlichen Vorliegen des Kontenabrufs, rechtfertigt dies nicht eine Ersetzung der Entscheidung der Aufsichtsbehörde durch das angerufene Gericht. Vielmehr genüge die Aufsichtsbehörde der Überprüfungspflicht nach Art. 78 DSGVO bereits dann, wenn diese sich mit der Beschwerde befasst und hierzu eine Entscheidung trifft.[12]

 

Rz. 77

Die Rechtmäßigkeit eines Kontenabrufs nach § 93 Abs. 8 AO kann von den zuständigen Fachgerichten (Verwaltungsgericht oder Sozialgericht) im Rahmen der Überprüfung des Leistungsbescheids oder eines anderen Verwaltungsakts, zu dessen Vorbereitung der Kontenabruf vorgenommen wurde, oder isoliert im Weg der Leistungs- oder (Fortsetzungs-)Feststellungsklage überprüft werden.[13]

[1] Schuster, in HHSp, AO/FGO, § 93 AO Rz. 104; Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 93 AO Rz. 55; Wagner, in Kühn/v. Wedelstädt, AO/FGO, 22. Aufl. 2018, § 93 AO Rz. 37; Maidorn, NJW 2006, 3752; FG Düsseldorf v. 25.4.2007, 7 K 4756/06 AO, EFG 2007, 1536.
[2] Roser, in Gosch, AO/FGO, § 93 AO Rz. 64; Sell, DStR 2005, 717.
[3] Vgl. aber auch v. Wedelstädt, AO-StB 2006, 118, der in diesen Fällen zusätzlich eine Anfechtung des sich an den Kontenabruf anschließenden Auskunftsersuchens nach § 93 Abs. 1 S. 1 oder 3 AO für erforderlich hält.
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