Rz. 50

Die Finanzbehörden sind gem. § 85 Abs. 1 AO verpflichtet, die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben. Hauptanwendungsfall hierbei ist aber wohl die Ermittlung von Vollstreckungsmöglichkeiten im Verfahren nach §§ 249ff. AO. Der steuererhebliche Sachverhalt ist nach § 88 Abs. 1 AO von Amts wegen zu ermitteln. Der Grundsatz der Besteuerungsgerechtigkeit gebietet, dass alle Stpfl. nach Maßgabe der Steuergesetze gleichmäßig an den allgemeinen Lasten zu beteiligen sind. Nach der Rspr. des BVerfG[1] verlangt der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG für das Steuerrecht, dass alle Stpfl. durch ein Steuergesetz nicht nur rechtlich, sondern auch tatsächlich gleich belastet werden. Hängt die Festsetzung einer Steuer maßgeblich von der Erklärung des Stpfl. ab, werden an dessen Steuerehrlichkeit erhöhte Anforderungen gestellt. Der Gesetzgeber muss deshalb die Steuerehrlichkeit durch hinreichende, die Steuerbelastungsgleichheit gewährleistende Kontrollmöglichkeiten abstützen (sog. Verifikationsgebot). Die Finanzbehörden müssen also in die Lage versetzt werden, die Angaben des Stpfl. mit angemessenem Aufwand und zielgerichtet zu überprüfen. Anderenfalls ergäbe sich eine Steuerbelastung, die nahezu allein auf der Erklärungsbereitschaft und Ehrlichkeit des einzelnen Beteiligten beruht und damit das Ziel einer Lastengleichheit verfehlt. Scheitert aber die gleichheitsgerechte Durchsetzung des Steueranspruchs an strukturellen Erhebungsdefiziten[2], so kann dies die Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Besteuerungsgrundlage nach sich ziehen.

 

Rz. 51

Eine vollständige Erfassung der Einkünfte aus Kapitalvermögen scheiterte vor Einführung des Kontenabrufes nach § 93 Abs. 7 und 8 AO daran, dass die Steuerverwaltung die Existenz von inländischen Konten und Depots nur durch freiwillige Angaben des Stpfl., durch Anzeigen Dritter oder durch Zufallsfunde erfahren konnte. Auch der durch das Zweite Gesetz zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Steueränderungsgesetz 2003 – StÄndG 2003) v. 15.12.2003, BGBl I 2003, 2645 eingefügte – und durch das Unternehmensteuerreformgesetz 2008 wieder gestrichene – § 24c EStG verpflichtet den Stpfl. nicht, die von den Kredit- und Finanzdienstleistungsinstituten auszustellende Jahresbescheinigung mit der Steuererklärung oder auf gesonderte Anforderung dem FA vorzulegen. Denn den Steuererklärungen müssen nach § 150 Abs. 4 AO nur die Unterlagen beigefügt werden, die nach den Steuergesetzen vorzulegen sind. § 24c EStG sah eine solche Verpflichtung nicht vor, sodass die FÄ das Beifügen der Jahresbescheinigung lediglich erbitten, nicht aber erzwingen konnten.[3]

 

Rz. 52

Die Finanzbehörden durften zwar nach §§ 93 Abs. 1 S. 1, 30a Abs. 5 S. 1 AO Kreditinstitute im Einzelfall um Auskunft ersuchen, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch den Stpfl. nicht zum Ziel geführt oder keinen Erfolg versprochen hat.[4] Ein solches Ersuchen konnte allerdings nur gestellt werden, wenn die Finanzbehörde überhaupt davon wusste, dass der betroffene Stpfl. ein Konto oder Depot bei dem um eine Auskunft ersuchten Kreditinstitut hat.[5] Hier stießen die bislang bestehenden Ermittlungsmöglichkeiten rechtlich und faktisch an ihre Grenzen. Denn Auskunftsersuchen an Kreditinstitute zur Feststellung etwaiger Konten oder Depots sind unzulässig, sofern es sich um Ermittlungen "ins Blaue hinein" handelt.[6] Es fehlte den Finanzbehörden also immer die entscheidende, aber kaum zu erlangende Vorinformation darüber, mit welchem Kreditinstitut der Stpfl. Geschäftsbeziehungen unterhält.

 

Rz. 53

Der Gesetzgeber hat sich angesichts dieser Schwierigkeiten und vor dem Hintergrund der Rspr. des BVerfG dazu entschlossen, die Durchsetzung des steuerlichen Normprogramms in zwei sachlich und zeitlich eng miteinander verzahnten Schritten zu optimieren. Zunächst wurde durch das StraBEG ein Anreiz gesetzt, freiwillig die "goldene Brücke" in die Steuerehrlichkeit zu nehmen und durch die Abgabe einer strafbefreienden Erklärung zu attraktiven Bedingungen für die Vergangenheit Rechtsfrieden zu erlangen. Direkt nach Ablauf dieser zeitlich begrenzten Maßnahme wurde dann der Steuerverwaltung mit dem Kontenabrufverfahren ein erweitertes Überprüfungsinstrumentarium an die Hand gegeben, durch das zukünftig die unentdeckte Hinterziehung von Steuern auf Einkünfte aus Kapitalvermögen wesentlich erschwert wird. Das mit dem Kontenabrufverfahren einhergehende erhöhte Entdeckungsrisiko soll die Stpfl. zu einer vollständigen Steuererklärungspraxis anhalten. Die generalpräventive Wirkung des Verfahrens dürfte jedenfalls erheblich sein.

 

Rz. 54

Nach der Abschaffung des Bankgeheimnisses[7] durch das Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz[8] sind die Diskussionen[9], inwieweit die Bereitstellungspflicht der Kontendaten in § 93b AO dem besonderen Vertrauensverhältnis zwischen Bank und Kunden widerspricht, hinfällig. Eine Reihe von Veröffentlichungen in den Medien deuten zudem darauf hin, dass dieses vermeintliche Bankgeheimnis bewusst und gezielt genutzt wu...

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