Rz. 186

Da die Einleitung des Steuerstrafverfahrens nicht erfordert, dass der Beschuldigte hiervon in Kenntnis gesetzt wird[1], ist die Einleitung allein für die Ausschlusswirkung nicht ausreichend. Vielmehr ist deshalb nach § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 1b AO ausdrücklich die Bekanntgabe der Einleitung für das Eingreifen der Ausschlusswirkung erforderlich.

Bei der Bekanntgabe handelt es sich um die offizielle Mitteilung durch die Finanzbehörde oder die Strafverfolgungsorgane, also die vom Willen des Amtsträgers getragene Erklärung[2], dass strafrechtliche Ermittlungen geführt werden.[3] Private Mitteilungen oder Indiskretionen lösen die Sperrwirkung nicht aus.[4]

 

Rz. 187

Die Mitteilung der Verfahrenseinleitung ist nach § 397 Abs. 3 AO spätestens erforderlich, wenn der Tatbeteiligte zur aktiven Mitwirkung bei der Ermittlung aufgefordert wird, damit dieser von seinem Mitwirkungsverweigerungsrecht Gebrauch machen kann.[5] Die Ausschlusswirkung der Einleitungsbekanntgabe tritt nur dann ein, wenn der Tatbeteiligte oder sein Vertreter durch den Inhalt der Bekanntgabe über die Tat, derer er verdächtigt wird, "ins Bild gesetzt"[6] und ihm mitgeteilt wird, welche Steuerart durch welches Tatverhalten verkürzt worden sein soll. Die Benennung des Besteuerungszeitraums ist hingegen nicht zwingend erforderlich.[7] Die Angabe des verletzten Strafgesetzes oder der Schuldform ist ebenso wenig erforderlich wie die Angabe der einzelnen Einkunftsart bei der Hinterziehung von Einkommensteuer.[8]

 

Rz. 188

Diesem Erfordernis, durch die Bekanntgabe "ins Bild zu setzen", muss auch die Bekanntgabe gegenüber dem Vertreter (vgl. Rz. 180) genügen. Folglich muss sich auch insoweit eindeutig ergeben, wer der Beschuldigte ist und was ihm konkret zur Last gelegt wird.[9]

 

Rz. 189

Die Form der Bekanntgabe schreibt § 397 AO nicht vor.[10] Sie kann schriftlich oder mündlich, z. B. bei Beginn der Vernehmung[11], erfolgen, aber sich auch schlüssig aus der Durchführung von eindeutigen Amtshandlungen wie Durchsuchungen oder Beschlagnahmen ergeben[12], da bei diesen Maßnahmen der Zweck anzugeben ist. Auch eine konkludente Bekanntgabe z. B. anlässlich einer Festnahme auf frischer Tat wegen Zigarettenschmuggels an der Grenze ist möglich.[13]

 

Rz. 190

Grundsätzlich kann die Bekanntgabe auch mittels förmlicher Zustellung gem. §§ 3ff. VwZG erfolgen. Es ist allerdings ein Zugangsnachweis erforderlich, der sich nur sicher führen lässt, wenn dem Betroffenen das Schriftstück, das über die Verfahrenseinleitung informiert, persönlich übergeben wurde. In der Praxis erfolgt die schriftliche Verfahrensbekanntgabe daher i. d. R. mittels Postzustellungsurkunde (PZU), schon um den tatsächlichen Zugang beweissicher zu dokumentieren.

Eine öffentliche Zustellung gem. § 10 VwZG wäre ohne Verstoß gegen das Steuergeheimnis möglich, da die Bekanntmachung i. S. d. § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO der Durchführung eines Steuerstrafverfahrens dient.[14] Da aber auch in diesem Fall die Kenntnisnahme durch den Tatbeteiligten oder seinen Vertreter nachzuweisen wäre, dürfte die praktische Tauglichkeit einer öffentlichen Zustellung der Verfahrenseinleitung gegen null gehen.

[2] Nikolaus, in Schwarz/Pahlke, AO/FGO, § 397 AO Rz. 46; OLG Bremen v. 31.1.1951, Ss 100/50, DStZ/B 1951, 212, 213; Joecks, in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 8. Aufl. 2015, § 371 AO Rz. 265; Schauf, in Kohlmann, Steuerstrafrecht, 59. Lfg. 11/17, § 371 AO Rz. 569.
[3] LG Stuttgart v. 21.8.1989, 10 KLs, 137/88, wistra 1990, 72; Beckemper, in HHSp, AO/FGO, 245. Lfg. 11/17, § 371 AO Rz. 142f.
[4] Beckemper, in HHSp, AO/FGO, 245. Lfg. 11/17, § 371 AO Rz. 143; Kohler, in MüKo StGB Bd. 7, 2. Aufl., § 371 AO Rz. 193; Schauf, in Kohlmann, Steuerstrafrecht, 59. Lfg. 11/17, § 371 AO Rz. 569 m. w. N.
[6] Nikolaus, in Schwarz/Pahlke, AO/FGO, § 397 AO Rz. 51; vgl. BGH v. 6.10.1981, 1 StR 356/81, NJW 1982, 119; OLG Hamburg v. 24.3.1987, 2 Ss 134/86, wistra 1987, 189; Klein/Jäger, AO, 15. Aufl. 2020, § 371 Rz. 150, 153; Schauf, in Kohlmann, Steuerstrafrecht, 59. Lfg. 11/17, § 371 AO Rz. 570ff.
[7] Joecks, in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 8. Aufl. 2015, § 371 AO Rz. 286ff., der aber zu Recht darauf hinweist, dass die bekanntgegebene Einleitungsverfügung die Tat so genau benennen muss, dass der Beschuldigte "ins Bild gesetzt" wird; vgl. auch BVerfG v. 4.7.2006, 2 BvR 950/05, BFH/NV Beilage 2006, 505 und Nr. 28 Abs. 2 S. 2 AStBV (St) 2017: "…nach Möglichkeit…"; zu eng Klein/Jäger, AO, 15. Aufl. 2020, § 371 Rz. 153.
[9] Kohler, in MüKo StGB Bd. 7, 2. Aufl., § 371 AO Rz. 204; Schauf, in Kohlmann, Steuerstrafrecht, 59. Lfg. 11/17, § 371 AO Rz. 576; Teske, wistra 1988, 292; Mösbauer, DStZ 1999, 358.
[12] Klein/Jäger, AO, 15. Aufl. 2020, § 371 Rz. 150; Joecks, in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, ...

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