Rz. 40

Die geschützten Daten müssen den zur Wahrung des Steuergeheimnisses verpflichteten Amtsträgern oder gleichgestellten Personen in einem der in Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a–c aufgeführten Verfahren bekannt geworden sein. Dabei ist auch die Kenntniserlangung aus sonstigem dienstlichen Anlass, etwa durch Mitteilung der Finanzbehörde oder die gesetzlich vorgeschriebene Vorlage eines Steuerbescheids oder einer steuerlichen Bescheinigung (Nr. 1 Buchst. c) als Verfahren i. d. S. angesehen worden, obwohl bei ihnen im Gegensatz zu den Fällen der Buchst. a und b das Wort "Verfahren" nicht im Wortlaut auftaucht. Eine abweichende Auslegung würde keinen vernünftigen Sinn ergeben. Der Amtsträger bzw. die gleichgestellte Person muss in dieser Eigenschaft an dem Verfahren teilgenommen haben. Dabei muss er in den Fällen des Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a und b selbst an dem genannten Verfahren mitgewirkt oder teilgenommen haben, während für die Fälle des Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c die Kenntniserlangung außerhalb eines solchen Verfahrens ausreicht. So sind z. B. die Bediensteten einer Behörde, die vom FA als Drittschuldner in Anspruch genommen werden, unter Abs. 2 Nr. 1 Buchst. c zu subsumieren. Die Kenntniserlangung kann im Übrigen auch durch die Sammlung geschützter Daten nach § 88a AO für die Sicherstellung einer gleichmäßigen Festsetzung und Erhebung von Steuern für Zwecke künftiger Verfahren i. S. d. Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a und b erfolgen. Wer Beteiligter des Verfahrens war, ist für die Anwendung des § 30 AO ohne Bedeutung, da generell die personenbezogenen Daten anderer geschützt werden.

Aber auch bei zulässiger Datenweitergabe aus einem Besteuerungsverfahren kann eine Kenntnisgewinnung außerhalb des Schutzbereichs des § 355 StGB erfolgen (s. Rz. 44a, 52b, 54b und 83a).

6.1 Kenntniserlangung im Verfahren

 

Rz. 41

Werden bei Gelegenheit eines Verfahrens Kenntnisse erlangt, die nicht eigentlich Gegenstand des Verfahrens sind, können auch diese dem Schutz des Steuergeheimnisses unterliegen. Der zwischen Kenntniserlangung und Durchführung des Steuerverfahrens bestehende unmittelbare Zusammenhang ist mit Rücksicht auf den hohen Rang des Steuergeheimnisses in einem sehr weiten Sinn zu verstehen.[1] Nicht dazu gehören aber solche Erkenntnisse, die jedermann sich auch ohne in den Steuerverfahren tätig zu sein, mit der gleichen Gewissheit und im gleichen Umfang jederzeit beschaffen könnte.[2] Dementsprechend unterfallen etwa steuerlich relevante Daten, die bei einfacher Suche bzw. Recherche im Internet frei von Barrieren von einer unbestimmten Personenzahl einsehbar sind, auch bei Verwendung im steuerlichen Verfahren für sich gesehen und ohne Verknüpfung mit geschützten Daten, nicht dem Steuergeheimnis.[3]

Alle geschützten Daten, die nicht bei rein privaten oder Freizeitveranstaltungen oder nur im zeitlichen Zusammenhang mit dem Dienst erlangt werden, unterliegen dem Schutz des Steuergeheimnisses, gleich ob sie zielgerichtet erhoben wurden oder Zufallsfunde darstellen.[4] Davon ist auszugehen, wenn die Kenntnisse in einem inneren objektiven oder subjektiven Zusammenhang mit dem Verfahren stehen[5], wie etwa durch freiwillige Auskünfte des Stpfl. zu anderen als den geprüften Jahren oder durch Zufallsfunde von Belegen, Zahlenwerken o. ä. Hingegen sind ohne einen solchen Zusammenhang bei Gelegenheit eines Verfahrens erlangte Kenntnisse nicht durch § 30 AO geschützt, z. B. der vom Prüfer während einer Außenprüfung beim Blick aus dem Fenster beobachtete Verkehrsunfall – anders aber wohl wiederum, soweit es um die Beobachtung unerlaubter Handlungen im Geschäftsbereich des geprüften Stpfl. geht (Unfall auf dem Firmengelände, Diebstahl durch einen Angestellten). Man wird darauf abstellen müssen, ob die Kenntniserlangung lediglich bei Gelegenheit einer Pause oder im Rahmen der Prüfung stattfindet[6], was sich auch daran orientieren muss, wie der Prüfer die Erkenntnis wahrnimmt bzw. einordnet.

Verschafft sich ein am Verfahren unbeteiligter Amtsträger heimlich Informationen aus den Steuerakten, so fällt diese Informationserlangung durch ihn nicht unter diesen Steuerfall.[7] Je nach Motiv und Umständen kann die "Beschaffung" aber im Rahmen eines "eigenen" Steuerfalls stattgefunden haben und damit unter das Steuergeheimnis nach § 30 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a AO fallen.[8]

 

Rz. 42

Außerdienstlich erlangte Kenntnisse über (ansonsten) geschützte Daten i. S. v. § 30 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 AO unterliegen grundsätzlich nicht dem Schutz des Steuergeheimnisses.[9] Die detaillierte Regelung des § 30 Abs. 2 AO beschränkt ihn auf Kenntnisse, die in einem der dort aufgeführten Verfahren erlangt sind. Kenntnisse, die ein Amtsträger im privaten Umfeld erwirbt (von Verwandten, Freunden, Bekannten, im Verein, am Stammtisch usw.), fallen nicht hierunter.

 

Rz. 42a

Erfährt ein Amtsträger aber erst nach schon erfolgter Kenntniserlangung im Besteuerungsverfahren später außerhalb dieses Verfahrens – etwa privat – die gleichen Sachverhalte, löscht dies die Kenntniserlangung in einem Verfahren nach § 30 Abs. 2 Nr. 1 AO nicht au...

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