Rz. 14

Die Anspruchsberechtigten (s. Rz. 8-13) müssen nach § 107 S. 1 AO von der Finanzbehörde i. S. v. § 6 AO zu Beweiszwecken herangezogen worden sein. § 107 AO setzt diese förmliche Heranziehung der Auskunfts- und Vorlagepflichtigen sowie der Sachverständigen durch mündlichen oder schriftlichen, elektronischen, fernmündlich oder in anderer Form ergangenen Verwaltungsakt voraus.[1] Im steuerlichen Ermittlungsverfahren ist eine Willensentscheidung der Finanzbehörde über die Nutzung des Beweismittels und deren Bekanntgabe, also der Erlass eines Verwaltungsakts, erforderlich.[2]

 

Rz. 15

Die Heranziehung muss durch die Finanzbehörde erfolgt sein. Erstattet jemand auf Veranlassung des Beteiligten ein Gutachten oder wird auf Veranlassung des Beteiligten eine Auskunft von einer sonst entschädigungsberechtigten Person (s. Rz. 7) erteilt, so wird hierdurch gegenüber der Finanzbehörde kein Entschädigungsanspruch begründet.[3] Dies gilt selbst dann, wenn die Finanzbehörde im Rahmen der Beweiswürdigung[4] das Gutachten oder die Auskunft verwertet und hierauf die behördliche Entscheidung stützt.[5] Die Annahme einer konkludenten Heranziehung ist zu unbestimmt und daher abzulehnen.[6]

Es kann sich daher empfehlen, statt der freiwillig erteilten Auskunft die behördliche Heranziehung des Dritten anzuregen. Verweist er die Finanzbehörde (z. B. wegen fehlender Bankunterlagen) auf die Bank und erlässt diese gegenüber der Bank einen förmlichen VA, so ist die Bank gegenüber der FinBeh entschädigungsberechtigt.[7]

 

Rz. 16

Anspruchsbegründend ist allein der Umstand der Heranziehung durch die Finanzbehörde unabhängig davon, ob das Auskunftsersuchen oder die Gutachterbestellung rechtmäßig[8] oder die Auskunft oder das Gutachten verwertbar waren oder verwertet worden sind.[9] Verweigert eine Auskunftsperson i. S. d. §§ 101106 AO berechtigt die Auskunft oder ein Sachverständiger berechtigt die Gutachtenerstattung, so hindert dies die Entstehung des Entschädigungsanspruchs nicht.[10] Gleiches gilt, wenn die Finanzbehörde auf das Beweismittel verzichtet, z. B. die erschienene Auskunftsperson nicht vernimmt, es sei denn, der Verzicht ist durch das Verhalten der Auskunftsperson verursacht worden.[11] Die unberechtigte Auskunftsverweigerung begründet keinen Entschädigungs- oder Vergütungsanspruch.[12] Wegen des Verlusts des Vergütungsanspruchs bei Unvermögen des Gutachters zur Erstellung des Gutachtens nach dem früheren ZSEG s. z. B. BGH v. 15.12.1975, X ZR 52/73, NJW 1976, 1154.

[1] FG Münster v. 15.11.1986, VIII 4544/86 X, EFG 1987, 218; FG Nürnberg v. 22.2.1996, II (III) 165/95, EFG 1996, 598; Söhn, in HHSp, AO/FGO, § 107 AO Rz. 28; Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 107 AO Rz. 5.
[5] Vgl. AEAO, zu § 107 Nr. 1 S. 2; Hendricks, in Gosch, AO/FGO, § 107 AO Rz. 16; a. A. Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 107 AO Rz. 6, soweit die Finanzbehörde auf dieses Beweismittel notwendig angewiesen war und es demgemäß als konkludente Heranziehung selbst herangezogen hätte; so auch Söhn, in HHSp, AO/FGO, § 107 AO Rz. 32; s. hiergegen ausdrücklich FG Münster v. 25.11.1986, VIII 4544/86 X, EFG 1987, 218.
[6] So auch Koenig/Wünsch, AO, 3. Aufl. 2014, § 107 Rz. 9.
[7] Hendricks, in Gosch, AO/FGO, § 107 AO Rz. 16.
[8] Hendricks, in Gosch, AO/FGO, § 107 AO Rz. 18.
[9] Söhn, in HHSp, AO/FGO, § 107 AO Rz. 30.
[10] Hendricks, in Gosch, AO/FGO, § 107 AO Rz. 18.
[11] Verspätetes Erscheinen; vgl. Söhn, in HHSp, AO/FGO, § 107 AO Rz. 38.
[12] Hendricks, in Gosch, AO/FGO, § 107 AO Rz. 18.

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