Entscheidungsstichwort (Thema)

Wegfall der Anzeige nach § 30 III1 ErbStG. Aufhebung der Vollziehung von Erbschaftsteuer

 

Tenor

Unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids des Beklagten vom 18. Januar 1989 und des Beschwerdebescheids der Oberfinanzdirektion Hannover vom 23. November 1989 wird der Beklagte verpflichtet, die Vollziehung des Erbschaftsteuerbescheids vom 12. Dezember 1988 über 14.938 DM Erbschaftsteuer aufzuheben.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

Die Revision wird zugelassen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der an die Klägerin zu erstattenden Kosten abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit leistet.

 

Tatbestand

Gegenstand der Klage ist der die Aussetzung der Vollziehung ablehnende Bescheid des Beklagten, seinerzeit noch das für die Erbschaftsbesteuerung zuständige Finanzamt …, vom 18. Januar 1989, bestätigt durch Beschwerdebescheid der Oberfinanzdirektion Hannover ≪OFD≫ vom 23. November 1989.

Strittig ist, ob gegen die Klägerin Erbschaftsteuer durch das beklagte Finanzamt (FA) deshalb wegen Festsetzungsverjährung nicht mehr festgesetzt werden durfte, weil die Klägerin gemäß § 30 Abs. 3 Satz 1 Erbschaftsteuergesetz (ErbStG) für den Erwerb von Todes wegen nicht anzeigepflichtig war und demgemäß bei der Berechnung der Festsetzungsfrist eine Anlaufhemmung gemäß § 170 Abs. 2 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) nicht zu berücksichtigen war.

Am 23. Juli 1962 verstarb die Witwe P., geb. B. (Erblasserin). Das von der Erblasserin am 29. Mai 1951 errichtete Testament wurde am 21. August 1962 vom Amtsgericht … eröffnet. In dem Testament werden u.a. auch verschiedene Vermächtnisse, teilweise auch zugunsten der Klägerin, angeordnet. Die Klägerin wird als Nichte der Erblasserin bezeichnet. Außer sofort auszuführenden Sachvermächtnissen ist die Klägerin als Vermächtnisnehmerin – neben drei weiteren Vermächtnisnehmerinnen – in der weise bedacht, daß nach dem Ableben der Stiefmutter der Erblasserin, der Witwe A. B., der … Grundbesitz der Erblasserin veräußert und der Erlös auf die Klägerin und die übrigen drei vermächtnisnehmerinnen zu gleichen Teilen verteilt werden soll.

Das FA besteuerte den Erbfall – ausgenommen die vom Ableben der Stiefmutter der Erblasserin abhängigen Vermächtnisse – mit Steuerbescheid vom 18. Juni 1965. Die entsprechende Erbschaftsteuerakte ist beim Beklagten nicht mehr vorhanden.

Am 24. März 1981 verstarb die Stiefmutter der Erblasserin, die Witwe A. B.. Der Testamentsvollstrecker, der Ehemann der Klägerin, veräußerte in 1982/83 den Landwirtschaftlichen Grundbesitz der Erblasserin zu einem Preis von 283.695 DM und kehrte von diesem Erlös ein viertel (70.923 DM) an die Klägerin aus. Im Februar 1986 wurde das Erbschaftsteuerfinanzamt von der Landwirtschaftlichen Betriebsprüfungsstelle des Finanzamts H. auf diesen Vorgang aufmerksam gemacht. Dieses erließ daraufhin am 12. Dezember 1988 gegen die Klägerin einen Erbschaftsteuerbescheid, der unter Anwendung der Steuerklasse IV eine Erbschaftsteuer von 14.938 DM festsetzte. Hiergegen wandte sich die Klägerin mit dem Einspruch, über den bisher – im Einvernehmen der Beteiligten – nicht entschieden worden ist.

Zugleich beantragte die Klägerin, die Vollziehung des Erbschaftsteuerbescheides auszusetzen, da Festsetzungsverjährung eingetreten sei. Eine Anlaufhemmung nach § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO komme, nicht in Betracht, da gemäß § 30 Abs. 3 Satz 1 ErbStG sie keine Anzeigepflicht für den Erwerb treffe.

Mit den angefochtenen Bescheiden lehnte das FA und ihm folgend die OFD Hannover die Aussetzung der Vollziehung der Erbschaftsteuer ab.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Klage und trägt vor: Sie, die Klägerin, sei zwar nicht – wie im Testament angegeben – die Nichte der Erblasserin, sondern das Enkelkind des Bruders der Mutter der Erblasserin (Cousine bzw. Base), wenn insoweit im Testament das Verwandschaftsverhältnis zwischen ihr und der Erblasserin auch nicht korrekt beschrieben sei, so sei doch nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift des § 30 Abs. 3 ErbStG davon auszugehen, daß dessen rechtliche Folge, nämlich der Wegfall der Anlaufhemmung, eingetreten sei, da auch aufgrund des im Testament ungenau beschriebenen Verwandtschaftsverhältnisses das Finanzamt habe tätig werden müssen. Denn ihr Erwerb laut Testament als „Nichte” habe über dem Freibetrag der Steuerklasse III gelegen. Habe aber das Finanzamt erkennen können, daß ein steuerpflichtiger Erwerb gegeben sei, so hätte es sie oder den Testamentsvollstrecker zur Abgabe einer Steuererklärung bei Eintritt der für das Vermächtnis maßgebenden Bedingung, nämlich des Todes der Stiefmutter der Erblasserin, auffordern können. Das sei aber nicht geschehen. Im übrigen müsse dem Beklagten das zutreffende Verwandtschaftsverhältnis zwischen ihr und der Erblasserin bekannt gewesen sein, da dieses für die unmittelbar nach dem Tode der Erblasserin zu erfüllenden Vermächtnisse...

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