Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufrechnung auch ohne Erlass eines Haftungsbescheids

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Zu den Voraussetzungen einer Aufrechnung durch das FA nach § 226 AO i.V.m. § 387ff. BGB.
  2. Eine tatsächliche Verständigung hindert das FA nicht, neben einer privatrechtlichen Verpflichtung auch eine Inanspruchnahme als Haftungsschuldner zu prüfen.
  3. Ein Haftungsbescheid ist indes keine Voraussetzung für die Inanspruchnahme, da mit einer aufgrund einer tatsächlichen Verständigung entstandenen Forderung eine Aufrechnung auch ohne Erlass eines Haftungsbescheides zulässig sein kann.
 

Normenkette

AO § 48 Abs. 2, §§ 192, 218; BGB § 387

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob das Finanzamt einen Anspruch aufgrund einer tatsächlichen Verständigung gegenüber dem Kläger hat und ob es hiermit wirksam gegen eine an den Kläger abgetretene Forderung aufgerechnet hat.

Der Kläger war Gesellschafter und alleiniger Geschäftsführer mehrerer Gesellschaften, nämlich der Z-Gesellschaft mbH, der S-GmbH und der I-GmbH, jetzt I2-GmbH. Gegenstand des Unternehmens der Z-GmbH war der Verleih von Arbeitnehmern.

Im Anschluss an eine vom Beklagten bei den oben genannten Gesellschaften seit dem Jahre 1996 durchgeführte Betriebsprüfung sowie strafrechtliche Ermittlungen gegen den Kläger ergingen gegenüber den Gesellschaften geänderte Bescheide, u.a. wegen Umsatzsteuer und Körperschaftsteuer.

Aufgrund der Änderungen der Bescheide ergaben sich für die einzelnen Gesellschaften erhebliche Nachzahlungen, deren Vollstreckung in das Vermögen der Gesellschaften er-folglos verlief.

Der Beklagte (das Finanzamt -FA-) vereinbarte am 17.05.2002 mit dem Kläger, der im eigenen Namen sowie im Namen der Z-GmbH, der S-GmbH und der I-GmbH handelte, in der Justizvollzugsanstalt G in einer „abschließenden steuerlichen Besprechung” eine tatsächliche Verständigung, über die er eine Niederschrift erstellte. In der Verständigung kamen die Beteiligten überein, dass Vorsteuern der Z-GmbH in Höhe von insgesamt 2.327.094 DM nicht zum Abzug zuzulassen seien. Unter Ziffer 4 der Vereinbarung verpflichtete sich der Kläger, diese Vorsteuern aus seinem Privatvermögen zu zahlen. Wörtlich heißt es u.a.:

„Herr K verpflichtet sich, die unter 2.) genannten Vorsteuern aus seinem Privatvermögen zu zahlen. Über die zu leistenden Zahlungen und Sicherheiten ist heute ein ergänzende Vereinbarung getroffen worden …”.

Unter Ziff. 2.) der Vereinbarung wird u.a. aufgeführt, dass für die Z-GmbH Vorsteuern i.H.v. 2.327.094 DM nicht zum Abzug zugelassen werden. Wegen der weiteren Einzelheiten der tatsächlichen Verständigung wird auf die Anlage 1 der Klagebegründung (...) Bezug genommen.

Ebenfalls am 17.05.2002 traf der Beklagte mit dem Kläger eine Vereinbarung „zur Sicherstellung der sich … ergebenden Steueransprüche”. Darin nahmen sie Bezug auf die tatsächliche Verständigung im „Besteuerungsverfahren” vom 17.05.2002, die zu Steuernachforderungen in Höhe von rd. 2.700.000 DM führe. Danach habe der Kläger eine Zahlung per Verrechnungsscheck über 500.000 DM, Grundschuldbriefe über insgesamt 1.500.000 DM, eine Bankbürgschaft über 350.000 DM und noch zu beschaffende Sicherheiten über 350.000 DM aus einem unwiderruflichen Auftrag auf Eintragung der Motoryacht…in das…Schiffsregister und die anschließende Beleihung bzw. Verwertung des Schiffes beizubringen. In Ziffer 3 der Vereinbarung heißt es wörtlich:

„Die Zusage der Sparkasse N, eine Bankbürgschaft zu stellen, ist dieser Vereinbarung als Anlage aus Zeitgründen noch nicht beigefügt. Sie ist bis zum 5. Juni 2002 beizubringen. Die Bürgschaft soll auf zwei Jahre begrenzt sein und wird zurückgegeben, wenn in zwei Jahren die verbürgten 350.000 DM Steuern gezahlt sind.

Die 350.000 DM sind in monatlichen Raten, beginnend ab 1. Juli 2002, zu tilgen.

Bis zur Vorlage der Bankbürgschaft dient ein von der O ausgestellter und sicherungshalber übereigneter Scheck über 178.952,16 € als Sicherheit. Dieser Scheck wird Zug um Zug gegen die vorgelegte Bankbürgschaft zurückgegeben.”

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Vereinbarung vom 17.05.2002…Bezug genommen.

Der Kläger wurde durch Strafurteil des Amtsgerichts G vom .... 2002 wegen Steuerhinterziehung in 9 Fällen, dabei in 5 besonders schweren Fällen, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von .... verurteilt. Wegen der Einzelheiten wird auf das Urteil sowie die dortigen Strafakten Bezug genommen.

Der Beklagte stimmte dem Vorschlag des Klägers „auf Änderung der Sicherheitenge-währung zu Textziffer 3 der Vereinbarung vom 17.05.2002 über 350.000 DM unter folgenden Bedingungen” am 10. Juni 2002 zu:

„Die Grundschuldbriefe des…K über 153.387 € werden an das FA G ausgehändigt und dort als Sicherheit hinterlegt. Nach erfolgter Tilgung der 350.000 DM werden die Briefe zurückgegeben.

Die Ratenzahlungen in Höhe von jeweils 7.500 € werden jeweils zum Ersten eines Monats erfolgen, beginnend mit dem 1. Juli 2002. Die ersten vier Raten werden durch Herrn JK geleistet, danach erfolgen die Ratenzahlungen durch Herrn K.

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