Entscheidungsstichwort (Thema)

Akteneinsicht im Rechtsbehelfsverfahren

 

Leitsatz (redaktionell)

Es ist grundsätzlich nicht ermessensfehlerhaft, wenn das Finanzamt die Steuerakten nicht in die Kanzleiräume eines Rechtsanwaltes übersendet, sondern eine Akteneinsicht in den Räumen des Finanzamtes anbietet.

 

Normenkette

AO § 91

 

Streitjahr(e)

2004

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Frage, an welchem Ort ein bevollmächtigter Rechtsanwalt im außergerichtlichen Verfahren Einsicht in die Akten des Finanzamtes nehmen kann.

Der Bevollmächtigte der Kläger, Rechtsanwalt in A, beantragte beim Beklagten im Rahmen eines Verfahrens auf Erlass von Säumniszuschlägen am 20.02.2004 Akteneinsicht dergestalt, dass die Akten in seine Kanzleiräume, hilfsweise an das Amtsgericht A, übersandt werden. Mit Schreiben vom 26.02.2004 entsprach das Finanzamt dem Antrag insoweit, als es Akteneinsicht in den Räumen des Finanzamtes B nach vorheriger Terminabsprache anbot. Die Versendung der Akten in die Kanzleiräume des Bevollmächtigten bzw. an das Amtsgericht A wurde abgelehnt. Mit Schriftsatz vom 31.03.2004, den das Finanzamt als Einspruch gegen sein vorbezeichnetes Schreiben auffasste, teilte der Bevollmächtigte mit, dass eine Einsichtnahme in die Akten beim Finanzamt auch aus Termingründen nicht möglich sei. Das Akteneinsichtsrecht ergäbe sich aus Art. 103 Abs. 1 GG. Als weit überregional tätige Kanzlei könne man schon aus Zeitgründen nicht die einzelnen Finanzämter aufsuchen, um dort Akteneinsicht zu nehmen. Im Übrigen sei ein Kollege aus der Kanzlei ausgeschieden, was zu einer zusätzlichen Arbeitsbelastung geführt habe. Der Bevollmächtigte beantragte erneut Übersendung der Akten, hilfsweise die Versendung einer vollständigen Kopie der Akten.

Mit Einspruchsentscheidung vom 07.04.2004 wies das Finanzamt den Einspruch als unbegründet zurück. Grundsätzlich bestehe kein Recht auf Akteneinsicht im außergerichtlichen Besteuerungsverfahren. Im Rahmen eines Antrags auf Akteneinsicht stehe dem Steuerpflichtigen oder seinem Vertreter jedoch ein Anspruch auf eine pflichtgemäße Ermessensentscheidung der Behörde zu. Mit Schreiben vom 26.02.2004 sei dem Bevollmächtigten mitgeteilt worden, dass seinem Antrag auf Akteneinsicht entsprochen werde. Ein Anspruch auf Versendung der Akten bestehe nicht, dies ergebe sich aus dem fehlenden Rechtsanspruch auf Akteneinsicht. Es sei dem Bevollmächtigten zuzumuten, Akteneinsicht im Finanzamt zu nehmen.

Hiergegen haben die Kläger, vertreten durch ihren Bevollmächtigten, fristgemäß Klage erhoben, mit der sie ihr Ziel weiterverfolgen.

Nach Rechtsansicht der Kläger besteht für einen bevollmächtigten Rechtsanwalt ein Akteneinsichtsrecht in die Steuerakten. Zwar fehle in der Abgabenordnung eine dem § 29 Verwaltungsverfahrensgesetz -VwVfG- vergleichbare Regelung. Jedoch verbiete die Abgabenordnung auch nicht eine Akteneinsichtnahme. Dies ergebe sich bereits aus der Gesetzesbegründung zu § 91 AO. Im Übrigen folge die Verpflichtung des Finanzamtes zur Gewährung von Akteneinsicht aus Art. 103 Abs. 1 GG (Anspruch auf rechtliches Gehör). Dieses Grundrecht müsse bei der nach § 91 AO zu treffenden Ermessensentscheidung in die Abwägung mit einfließen. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes –BFH -stehe allein § 30 AO einem Akteneinsichtsrecht entgegen und nur dann, soweit Rechte Dritter betroffen seien. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Im Übrigen könnten Rechte Dritter - etwa durch Herausnehmen der entsprechenden Seiten in den Akten - gewahrt werden.

Auch eine Übersendung der Akten in die Kanzleiräume des Bevollmächtigten, hilfsweise an das nahe gelegene Amtsgericht A, sei rechtlich geboten. Zwar sei auch eine solche Übersendung nicht ausdrücklich in der Abgabenordnung vorgesehen. Im Rahmen der pflichtgemäßen Ermessensausübung sei jedoch auch eine beantragte Aktenübersendung zu berücksichtigen. Insoweit sei auch auf die Grundsätze zu § 78 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung - FGO - zurückzugreifen.

Die vorliegende Einspruchsentscheidung enthalte keine solche Ermessensentscheidung. Es liege vielmehr ein Ermessensnichtgebrauch vor. Im Übrigen sei das Argument eines Aktenverlustes nicht stichhaltig; denn in einem solchem Falle dürften auch die Akten nicht vom Finanzamt an ein Finanzgericht übersandt werden. Entsprechendes gelte auch für das Argument der ständigen Verfügbarkeit der Akten. Die Akten würden nach Einsichtnahme zurückgesandt werden. Im Übrigen sei ein Rechtsanwalt ein unabhängiges Organ der Rechtspflege und insoweit zur Verschwiegenheit verpflichtet.

Die Kläger beantragen,

1. der Verwaltungsakt vom 26.02.2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 07.04.2004 wird aufgehoben der Beklagte nachfolgend verpflichtet, die Steuerakten zwecks Akteneinsicht an die Büroräume des Prozessbevollmächtigten, hilfsweise an das Amtsgericht A zu übersenden;

2. die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt;

3. hilfsweise, die Revision wird zugelassen;

4. die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten wird auch für das Vorv...

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