Rz. 12

In der Diskussion um eine Regelung für die Gesellschafter-Fremdfinanzierung ist auch die Frage der Rechtsgültigkeit einer Umqualifikation von Vergütungen für Fremdkapital aufgeworfen worden. Bedenken wurden insbesondere aus dem Gesichtspunkt des Verstoßes gegen Art. 3 GG, gegen die Doppelbesteuerungsabkommen und gegen das Diskriminierungsverbot nach dem EG-Vertrag erhoben[1].

 

Rz. 13

Das Gebot der Gleichbehandlung, Art. 3 GG, erfordert, daß nicht ohne sachlichen Grund gleichwertige Sachverhalte ungleich behandelt werden. § 8a qualifiziert für Nichtanrechnungsberechtigte Vergütungen für Fremdkapital in verdeckte Gewinnausschüttungen um; dieser Personenkreis wird daher nachteiliger behandelt als ­Anrechnungsberechtigte. Allerdings wird man hieraus keinen Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot herleiten können. Die Regelung dient dazu, Steuersparmöglichkeiten für Nichtanrechnungsberechtigte zu vermeiden, die für Anrechnungsberechtigte nicht bestehen. Die Beschränkung des Geltungsbereichs auf Nichtanrechnungsberechtigte ist also sachgerecht; es ist kein sachlicher Grund erkennbar, daß Vergütungen für Gesellschafter-Fremdkapital anders steuerlich belastet werden als Vergütungen für Gesellschafter-Eigenkapital[2]. Die Vorschrift erfaßt auch den ganzen in Betracht kommenden Personenkreis (Inländer und Ausländer). Einzelne Lücken im Gesetz (wie die Ausklammerung der sonstigen Anrechnungskörperschaften, Rz. 20 und der Miet- und Pachtvergütungen, Rz. 17) dürften nicht zur Verfassungswidrigkeit der ganzen Regelung führen. Auch die Methode, die Umqualifizierung von Betriebsausgaben in verdeckte Gewinnausschüttungen, ist nicht schlechthin sachwidrig. Die steuerliche Nichtanerkennung von Betriebsausgaben, die über ein als angemessen angesehenes Maß hinausgehen, ist auch sonst dem Recht nicht fremd (z. B. § 4 Abs. 5 EStG). Die "safe haven" im Tatbestand des § 8a (vgl. hierzu Rz. 27) wirken als konkrete und subsumierbare Definition der gesetzlich vorausgesetzten Angemessenheit, so daß auch dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit Rechnung getragen ist[3].

Hiervon unberührt bleibt jedoch eine durchaus bestehende Verfassungswidrigkeit von Einzelregelungen (vgl. Rz. 102).

 

Rz. 14

Die Regelung des § 8a stellt eine Abweichung von den bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen dar. Die Bundesrepublik nimmt durch diese Vorschrift einseitig das Besteuerungsrecht für Vergütungen (durch das technische Mittel der Umqualifizierung) für sich in Anspruch, das sie nach den DBAs in der Regel nicht hat (nach den DBAs steht das Besteuerungsrecht für Fremdkapitalvergütungen i. d. R. dem Gläubigerstaat zu). § 8a verstößt dadurch gegen Art. 9 OECD-Musterabkommen[4]; nach dieser Vorschrift dürfen nur dem Drittvergleich nicht entsprechende Bedingungen umqualifiziert werden; § 8a qualifiziert aber gerade Vergütungen um, die dem Drittvergleich standhalten (sonst läge eine verdeckte Gewinnausschüttung, kein Fall des § 8a vor, vgl. Rz. 61). Außerdem liegt ein Verstoß gegen Art. 10 (Dividenden) und Art. 11 (Zinsen) des OECD-Musterabkommens vor, da § 8a Vergütungen, die eindeutig die Definition der Zinsen erfüllen, in Dividende (verdeckte Gewinnausschüttung) umqualifiziert. Hieraus folgt aber nicht, auch nicht nach § 2 AO, die Unwirksamkeit der Regelung. Nach § 2 AO gehen völkerrechtliche Vereinbarungen (also auch DBAs) dem innerstaatlichen Recht (§ 8a) vor. Völkerrechtliche Verträge sind aber einfaches innerstaatliches Recht, können also durch anderes (späteres, spezielleres) innerstaatliches Recht verdrängt werden. Auch § 2 AO ist einfaches innerstaatliches Recht, kann die DBAs also schon aus diesem Grund nicht über den Rang von einfachem Recht emporheben. § 2 AO bewirkt nur, daß sich ein DBA, entgegen den sonst üblichen Regeln, sowohl gegen ein späteres als auch gegen ein spezielleres Recht durchsetzt. § 2 AO als einfaches innerstaatliches Recht unterliegt selbst aber wiederum den Kollisionsregeln, wonach ein späteres und ein spezielleres Recht vorgeht. Daher besteht die Möglichkeit, durch ein späteres und/oder spezielleres Gesetz § 2 AO, und damit auch ein DBA, zu verdrängen. Das ist durch § 8a geschehen; diese Vorschrift ist sowohl gegenüber § 2 AO als auch den DBAs das spätere und, vor allem, das speziellere Gesetz, das offensichtlich mit dem Zweck erlassen wurde, sich auch gegenüber den DBAs durchzusetzen. Die Vorschrift hat damit Vorrang vor § 2 AO und den DBAs. A.A. Knobbe-Keuk (DB 1993, 60), die zur Unanwendbarkeit des § 8a kommt.

Eine ganz andere Frage ist es jedoch, ob die Bundesrepublik durch Erlaß des § 8a ihre Vertragsverpflichtungen verletzt hat. Das wird man bejahen können. Allerdings kann eine solche Vertragsverletzung nur von dem anderen Vertragspartner, nicht von dem Steuerpflichtigen gerügt werden. Angesichts der in vielen Staaten (insbesondere den USA, aber auch Frankreich, Großbritannien) zu beobachtenden Versuche, die Gesellschafter-Fremdfinanzierung einzudämmen, ist es wenig wahrscheinlich, daß ein Staat die Vertragsverletzung de...

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