Rz. 644

Die Verfügung über die Gesellschaftsanteile muss auf Mitgesellschafter, Angehörige und Familienstiftungen beschränkt werden.

 

Rz. 645

Der Begriff der Angehörigen bestimmt sich nach der allgemeinen Regelung der Abgabenordnung (§ 15 AO) und umfasst alle (auch frühere) Angehörigen (z. B. geschiedene Ehegatten, § 15 Abs. 2 AO).[1] Vergleichbare Formen familiären oder partnerschaftlichen Beziehungen nach ausländischem Recht sind gleichfalls anzuerkennen. Nicht umfasst sind dagegen familienfremde Mitarbeiter, was sich in der Praxis insbesondere bei Mitarbeiterbeteiligungsmodellen als nachteilig erweisen kann.[2]

 

Rz. 646

Der Gesetzgeber hat (vermögensverwaltende) Familien-Gesellschaften (trotz entsprechender Anregungen) den Mitgesellschaftern und Angehörigen nicht gleichgestellt. Dies ist zumindest bei (vermögensverwaltenden) Personengesellschaften steuersystematisch nicht überzeugend. Solche Beteiligungen werden für Zwecke des ErbStG als transparent angesehen (§ 10 Abs. 1 S. 4 ErbStG und § 39 AO), sodass es keinen Unterschied machen kann, ob die Verfügung über einen Gesellschaftsanteil zugunsten eines Mitgesellschafters bzw. Angehörigen oder dessen vermögensverwaltender Gesellschaft erfolgt. Der Gesetzeswortlaut sieht hier (anders als z. B. bei § 13b Abs. 1 Nr. 3 S. 1 ErbStG) auch kein Erfordernis einer "unmittelbaren" Beteiligung vor.[3]

 

Rz. 647

Der Kreis der begünstigten Verfügungsbegünstigten umfasst auch "Familienstiftungen (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG)". Dies erscheint sachgerecht, da Anteile an Familienunternehmen oftmals auch von Familienstiftungen gehalten werden. Der Steuergesetzgeber verwendet damit erstmals den Begriff der Familienstiftung im ErbStG, der sonst immer nur abstrakt umschrieben worden ist (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG: Stiftung, die wesentlich im Interesse einer oder bestimmter Familien errichtet worden ist). Mit dem Begriff der Familienstiftung sind nur rechtsfähige Stiftungen (§§ 80 ff. BGB) gemeint, nicht auch unselbstständige Stiftungen oder bloße Treuhandverhältnisse.

 

Rz. 648

Der Gesetzeswortlaut "eine" Familienstiftung ist nicht als eine zahlenmäßige Beschränkung zu verstehen. Vielmehr sind auch mehrere (und unterschiedliche) Familienstiftungen (eines oder mehrerer Gesellschafter) umfasst (ebenso wie mehrere Mitgesellschafter und mehrere Angehörige).

 

Rz. 649

Bei der Familienstiftung muss es sich nicht zwingend um eine Stiftung von Gesellschaftern oder Angehörigen handeln. Erfasst sind alle Familienstiftungen. Die Stiftung kann somit auch den Zweck haben, Familienmitglieder zu unterstützen, bei denen es sich nicht um Mitgesellschafter und/oder Angehörige handelt.

 

Rz. 650

Private Stiftungen, die nicht den Interessen einer Familie, sondern z. B. den Mitarbeitern eines Unternehmens dienen, fallen nicht unter die Regelung. Nach der gesetzgeberischen Zielsetzung müssten aber auch solche Mitarbeiterstiftungen erfasst werden, um z. B. die Nachfolge bei kinderlosen Gesellschaftern zu gewährleisten.

 

Rz. 651

Familienvereine sind nach dem klaren Gesetzeswortlaut nicht erfasst, obwohl das Vermögen von Familienstiftungen und -vereinen in gleicher Weise der Erbersatzsteuer (nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG) unterliegt.[4]

 

Rz. 652

Steuerbegünstigte (gemeinnützige) Stiftungen (§§ 51 ff. AO) werden durch die Regelung nicht begünstigt (s. § 52 Abs. 1 S. 2 AO). Der Umstand, dass gemeinnützige Stiftungen schlechter behandelt werden als private Familienstiftungen, ist weder steuersystematisch noch rechtspolitisch nachvollziehbar (s. § 13 Abs. 1 Nr. 16 Buchst. b ErbStG). Mit dem verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz lässt sich diese Unterscheidung nicht vereinbaren.

 

Rz. 653

Die Familienstiftung muss ihren Satzungssitz oder ihre Geschäftsleitung im Inland haben (s. § 2 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG). Familienstiftungen, die Sitz und Geschäftsleitung im Ausland haben, sind somit nicht umfasst.[5] Dies gilt auch für Familienstiftungen aus dem EU- und EWR-Ausland. Die damit verbundene Benachteiligung von ausländischen Familienstiftungen dürfte mit der europäischen Kapitalverkehrsfreiheit nicht vereinbar sein.[6] Der Umstand, dass ausländische Familienstiftungen in Deutschland keiner Erbersatzsteuer unterliegen (§ 1 Abs. 1 Nr. 4, § 2 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) kann die Ungleichbehandlung nicht rechtfertigen (s. § 15 Abs. 6 AStG). Der Vorab-Abschlag gilt gleichermaßen für in- und ausländische Unternehmen und findet sowohl bei unbeschränkter als auch bei beschränkter Steuerpflicht Anwendung. Die FinVerw sieht neben inländischen Familienstiftungen (i. S. v. § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG) auch "entsprechende ausländische Familienstiftung(en)" als Gesellschafter an.

 

Rz. 654

Die Verfügung über die Gesellschaftsanteile muss auf Mitgesellschafter beschränkt sein. Die Gesellschaft selbst ist nicht erfasst. Der Erwerb eigener Anteile durch Kapitalgesellschaften (s. § 33 GmbHG) ist danach nicht möglich. Dagegen dürfte bei der Anwachsung von Anteilen einer Personengesellschaft (§ 738 BGB) eine zulässige Verfügung auf Mitgesellschafter vorliegen.[7]

[1] Zu...

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