Rz. 172

Einen Abzug von Verbindlichkeiten aus Vermächtnissen lässt § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG ohne weitere Einschränkungen zu; eine Geltendmachung des Vermächtnisanspruchs durch den Vermächtnisnehmer ist nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift nicht erforderlich. Deshalb ist die Vermächtnislast auch bei einem befristeten oder betagten Vermächtnis sofort abzugsfähig. Ebenso wie ein Vermächtnis ist eine Abfindung zu behandeln, die vom Erben gegen Ausschlagung des Vermächtnisses durch den Vermächtnisnehmer gezahlt wird.

 

Rz. 173

Die dem Erben im Zusammenhang mit der Erfüllung eines Vermächtnisses entstehenden Kosten (z. B. für die Auflösung eines zum Nachlass gehörenden Wertpapierdepots, um ein Geldvermächtnis zu erfüllen) sind gem. § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG als Erbschaftsverwaltungsschulden abzugsfähig.

 

Rz. 174

Die Bewertung der Vermächtnisschuld erfolgt grundsätzlich korrespondierend in gleicher Weise wie die des ihr gegenüberstehenden Vermächtnisanspruchs, weil ein auf denselben Gegenstand bezogener Anspruch grundsätzlich nicht anders bewertet werden sollte als die ihm gegenüberstehende Verpflichtung.[1]

 

Rz. 175

Bei einem Geldvermächtnis ist im Regelfall der Nennwert anzusetzen. Wird ein vom Erblasser ausgesetztes Geldvermächtnis durch Übertragung eines Gegenstands (z. B. Grundstück) "an Erfüllungs statt" erfüllt, so ist Besteuerungsgrundlage bei der Erbschaftsteuerfestsetzung gegen den Vermächtnisnehmer der (Nominal-)Wert der Forderung und nicht der Steuerwert (Grundbesitzwert) des übertragenen Grundstücks bzw. Gegenstands[2]; die Problemstellung ist durch das neue Bewertungsrecht "entschärft". Unerheblich ist auch, ob das Vermächtnis aus einer Vermögensmasse heraus erbracht wird, die von einer Verschonungsregelung des ErbStG, namentlich § 13a ErbStG erfasst ist.[3]

 

Rz. 176

Das Verschaffungsvermächtnis (Verschaffung einer Sache, die sich der Belastete mit Geldern aus dem Nachlass besorgen muss) ist mit dem gemeinen Wert zu bewerten.[4] Beim Kaufrechtsvermächtnis ist die aufschiebend bedingte Forderung des Vermächtnisnehmers gem. § 2174 BGB Erwerbsgegenstand und mit dem gemeinen Wert (Verkehrswert) zu bewerten, von dem der festgelegte Kaufpreis abzuziehen ist[5]; bei dem Erben liegt in Höhe dieses Differenzbetrags eine Nachlassverbindlichkeit i. S. d. § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG vor.

 

Rz. 177

Sachvermächtnisse sind mit dem Steuerwert der Sache, auf die sich die vermächtnisweise erworbenen Ansprüche beziehen, zu bewerten.[6] Von einer angedeuteten Änderung dieser Rspr.[7] hat der BFH aus Gründen des Vertrauensschutzes für die Dauer der Fortgeltung des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes vom 17.4.1974[8] in allen seinen Fassungen, die es bis zum Beschluss des BVerfG vom 7.11.2006[9] erfahren hat, abgesehen.[10] Der BFH war der Auffassung, dass der Grund für jene Rspr., wonach Ansprüche und Verpflichtungen aus Sachvermächtnissen ausnahmsweise mit dem Steuerwert der vermachten Sache zu bewerten sind, entfalle, wenn der Gesetzgeber mit einer gesetzlichen Neuregelung den Bewertungsvorgaben dieses BVerfG-Beschlusses Rechnung trägt. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass der BFH mittlerweile auch bei Sachvermächtnissen den Vermächtnisanspruch mit dem gemeinen Wert bewerten wird; dies muss dann auf der Seite der Verpflichtung ebenso geschehen.[11] Da das seit 2009 geltende Bewertungsrecht grundsätzlich bei allen Vermögensarten auf den Ansatz des gemeinen Werts zielt, hat die Unterscheidung zwischen gemeinem Wert und Steuerwert allerdings nicht mehr dieselbe Bedeutung wie nach früherem Recht. Nur bei der Bewertung des Wirtschaftsteils des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens können sich auch in Zukunft erhebliche Abweichungen zwischen dem für erbschaftsteuerliche Zwecke ermittelten Fortführungswert nach § 162 Abs. 1 S. 2 BewG und dem fiktiven Veräußerungswert i. S. d. § 9 BewG ergeben.[12]

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