Entscheidungsstichwort (Thema)

Auslegung einer auflösenden Bedingung zum Ende der AdV. Anpassung der Anrechnungsverfügung beim Änderungsbescheid. keine Teilverjährung eines einheitlichen Steueranspruchs

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ist die Aussetzung der Vollziehung (AdV) eines Einkommensteuerbescheides mit der auflösenden Bedingung versehen, die AdV ende „…mit Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung/des geänderten Bescheides…”, ist diese nicht dahingehend beschränkt, dass die Bedingung nur für den Fall des Ergehens eines ändernden Abhilfebescheides eintreten sollte.

2. Ändert sich (innerhalb der Festsetzungsfrist) die Festsetzung der Einkommensteuer, ist im Umfang dieser Änderung auch die mit dem Änderungsbescheid verbundene Anrechnungsverfügung anzupassen, ohne dass der Anpassung bis dahin ggf. bereits abgelaufene Zahlungsverjährungsfristen bezüglich früher entstandener Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis entgegenstehen könnten.

3. Ein einheitlicher Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis kann nicht in unterschiedliche Steuerzahlungs- bzw. Erstattungsansprüche aufgespaltet werden, die bezogen auf die jeweils ergangenen Steuerbescheide unterschiedlichen Verjährungsfristen „Teilverjährung”) unterlägen.

 

Normenkette

AO § 218 Abs. 2, §§ 228, 229 Abs. 1, § 231 Abs. 1-3, § 361 Abs. 2; EStG § 36 Abs. 2 Nr. 2; BGB §§ 133, 157

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 18.09.2018; Aktenzeichen VII R 18/18)

BFH (Urteil vom 18.09.2018; Aktenzeichen VII R 18/18)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Streitig ist, ob hinsichtlich der vom Beklagten (Finanzamt) mit Einkommensteuerbescheiden für 2001 bis 2003 jeweils vom 21. Oktober 2014 geforderten Steuern und steuerlichen Nebenleistungen Zahlungsverjährung eingetreten ist.

Der Kläger erzielte in den Streitjahren u. a. Einkünfte aus Gewerbebetrieb als Unternehmer und Mitunternehmer und Einkünfte aus Kapitalvermögen.

Mit Bescheiden vom 20. Februar 2006 änderte das Finanzamt die bisherigen den Kläger betreffenden Einkommensteuerbescheide für 2001 bis 2003, woraus sich nach Steueranrechnung und Abrechnung bereits erfolgter Zahlungen folgende Leistungsgebote ergaben:

Veranlagungszeitraum

Steuer / Nebenleistung

Betrag

Einkommensteuer

EUR

2001

Zinsen zur ESt

EUR

Solidaritätszuschlag

EUR

Einkommensteuer

EUR

2002

Zinsen zur ESt

EUR

Solidaritätszuschlag

EUR

Einkommensteuer

EUR

2003

Zinsen zur ESt

EUR

Solidaritätszuschlag

EUR

Im Rahmen des hiergegen eingeleiteten Einspruchsverfahrens gewährte das Finanzamt mit Verfügung vom 21. März 2006 gem. § 361 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) antragsgemäß die Aussetzung der Vollziehung (AdV) der sich aus den Änderungsbescheiden ergebenden Steuernachzahlungen in voller Höhe. In den Erläuterungen der AdV-Verfügung führte das Finanzamt aus, die AdV ende bei einem angefochtenen Bescheid „…mit Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung/des geänderten Bescheides…”.

Während des Einspruchsverfahrens ergingen für sämtliche Streitjahre am 21. Dezember 2007 Änderungsbescheide gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO, in denen die Steuern und steuerlichen Nebenleistungen entsprechend geringfügig geänderter Grundlagenbescheide herabgesetzt wurden, woraus sich nach Steueranrechnung und Abrechnung bereits erfolgter Zahlungen folgende Leistungsgebote ergaben:

Veranlagungszeitraum

Steuer / Nebenleistung

Betrag

Einkommensteuer

EUR

2001

Zinsen zur ESt

EUR

Solidaritätszuschlag

EUR

Einkommensteuer

EUR

2002

Zinsen zur ESt

EUR

Solidaritätszuschlag

EUR

Einkommensteuer

EUR

2003

Zinsen zur ESt

EUR

Solidaritätszuschlag

EUR

In den Änderungsbescheiden vom 21. Dezember 2007 führte das Finanzamt jeweils im Abrechnungsteil aus:

„Abrechnung (Stichtag 13.12.2007)

der Finanzkasse des Finanzamts

abzurechnen sind […]

bereits getilgt […]

Vollziehung ausgesetzt […]

es verbleiben […]”

In den Eingabebögen des Festsetzungsprogramms der Änderungsbescheide vom 21. Dezember 2007 (vgl. Aktenausfertigungen der Änderungsbescheide im Ordner „AdV” jeweils am Ende der Register 2001-2003) verfügte der Bearbeiter des Finanzamts entsprechend der Verfügung der damaligen OFD vom 27. April 2005, Az. O 2250 – 172 St 1213 jeweils durch Eingabe des Wertes „1” in der Kz. 30.28 die Aufrechterhaltung der am 21. März 2006 bewilligten AdV, was die o. g. Aufnahme der Zeile „Vollziehung ausgesetzt…” und die Angabe einer verbleibenden Steuer in Höhe von jeweils 0 EUR im Abrechnungsteil zur Folge hatte.

Eine darüber hinaus gehende – gesonderte – Verfügung über an die Änderungsbescheide vom 21. Dezember 2007 angepasste (entsprechend verringerte) AdV-Beträge erließ das Finanzamt nicht.

Andere als die vorstehenden, die Zahlungsverjährung eventuell unterbrechende, Handlungen im Sinne des § 231 AO hat das Finanzamt nach Bekanntgabe der Bescheide vom 21. Dezember 2007 nicht getroffen.

Mit Bescheiden vom 21. Oktober 2014 änderte das Finanzamt die Einkommensteuerbescheide der Streitjahre nochmals und erledigte damit die zugeh...

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