Entscheidungsstichwort (Thema)

Änderung wegen widerstreitender Steuerfestsetzung nach § 174 Abs. 4 AO

 

Leitsatz (redaktionell)

Eine Änderung nach § 174 Abs. 4 AO ist nicht zulässig, wenn der Steuerschuldner (das Steuersubjekt, der Steuerpflichtige, der Inhaltsadressat) in beiden Steuerbescheiden dieselbe Person ist und sich das FA lediglich darüber irrt, ob das nämliche Steuersubjekt wegen einer originären oder einer im Wege der Gesamtsrechtsnachfolge übergegangenen Steuerschuld seines Rechtsvorgängers in Anspruch zu nehmen ist.

 

Normenkette

AO 1977 § 174 Abs. 4

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 23.04.2008; Aktenzeichen II R 52/06)

BFH (Urteil vom 23.04.2008; Aktenzeichen II R 52/06)

 

Tatbestand

Streitig ist insbesondere, ob der Beklagte im Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Erbschaftsteuerbescheids (noch) berechtigt war, die im Rahmen der Erbschaftsteuerveranlagung nach Herrn S (Erblasser) gemäß § 31 ErbStG 1959 ausgesetzte Versteuerung des Erwerbs nießbrauchsbelasteter Wertpapiere gegenüber der Klägerin nachzuholen.

Der am 30. Januar 1964 verstorbene Erblasser hatte durch privatschriftliches Testament vom 11. Juni 1961 seine beiden Kinder, Herrn H – den am 21. Juli 1978 verstorbenen Ehemann der Klägerin – und Frau G, zu jeweils hälftigen Miterben berufen und seiner Haushälterin, Frau E, das lebenslange Nießbrauchsrecht an insgesamt 1.320 nachlasszugehörigen Aktien der Firma … im Nennwert von 55.600 DM eingeräumt.

Unter Berücksichtigung der am 15. Mai 1964 eingereichten Erbschaftsteuererklärung erteilte das damals zuständige Finanzamt … Herrn H am 30. Juni 1964 einen als vorläufig gekennzeichneten Bescheid, in dem es wegen des Erwerbs von Todes wegen nach Herrn S Erbschaftsteuer i.H. von 81.885 DM gegen den Miterben H festsetzte. In den Ausführungen unter der Rubrik „Vermerk” bat es unter anderem um nähere Erläuterung des zugunsten der Frau E ausgesetzten Nießbrauchsvermächtnisses.

Hiergegen legte der Wirtschaftsprüfer und Steuerberater B am 10. Juli 1964 Einspruch ein. Der Rechtsbehelfsschrift beigefügt waren am 7. bzw. 8. Juli 1964 unterzeichnete Vollmachturkunden der beiden Erben H und G sowie der Vermächtnisnehmerin E. Darin hatten die genannten Personen Herrn Dipl.-Volkswirt B bevollmächtigt, ihre Interessen vor dem Finanzamt … Körperschaften wahrzunehmen, und ihm die Befugnis eingeräumt, rechtsverbindlich für sie zu zeichnen.

In einem Schreiben des Bevollmächtigten B an das Finanzamt … vom 31. August 1964 äußerte sich dieser u.a. wie folgt:

„Für die laut Testament mit einem besonderen Nießbrauch zu Gunsten von Frl. E belasteten …-Aktien in Höhe von 55.600 DM bitte ich um Aussetzung der Besteuerung bis zum Erlöschen des für Frl. E bestellten lebenslänglichen Nießbrauchs (Erbschaftsteuergesetz § 31 (1)). Die besondere Berechnung hierfür wird nachgereicht.

Ich habe meine Mandantin gebeten, diese Aktien in ein besonderes Sperrdepot der …bank zu deponieren. Ich darf annehmen, dass durch diese Maßnahme sich eine Sicherheitsleistung für diese ausgesetzte Steuer erübrigt. Ich bitte ggf. um Auflage, wie das Finanzamt den Sperrvermerk formuliert wünscht.”

Mit Schriftsatz vom 28. Januar 1965 übersandte Frau G dem Finanzamt … eine von ihr und ihrem Bruder – dem Miterben H – unterschriebene „endgültige” Erbschaftsteuererklärung mit der Bitte, eventuelle Rückfragen an Herrn Dipl.-Volkswirt B zu richten, der von ihr und ihrem Bruder eine Vollmacht habe.

Ausgehend von den dortigen Erklärungsangaben erließ das Finanzamt … unter dem 20. Juli 1965 einen „endgültigen und Teilsteuerbescheid” gegen den Miterben H, in dem es dessen Erbschaftsteuer wegen des Erwerbs von Todes wegen nach Herrn S auf 49.452 DM ermäßigte. Hierzu führte es – auszugsweise – aus:

„… Die Wertpapiere wurden nach den Angaben der …bank, …, vom 12.2.1964 und der …bank AG, …, vom 1.4.1964 angesetzt. Dabei wurden … Aktien im Nennwert von 55.600 DM (Kurswert im Todestag 332.210 DM) gem. § 31 ErbStG außer Ansatz gelassen. Die Versteuerung wird bei Erlöschen des Nießbrauchsrechts des Frl. E berichtigt werden. Ich bitte, die Beendigung des Nießbrauchs rechtzeitig anzuzeigen. Ferner bitte ich eine Bestätigung der Commerzbank einzusenden, dass die fraglichen Wertpapiere in einem besonderen Depot verwahrt werden, über das nur mit meiner Zustimmung verfügt werden kann….”

Im Verfügungsteil des Bescheids ist unter Ziffer 5. vermerkt:

„Ü-Liste: Das Ableben des Frl. E ist zu überwachen. Anfrage alle zwei Jahre, erstmals am 1.1.1968.”

In der Folgezeit bat das Finanzamt … (später umbenannt in Finanzamt …-…) das Einwohnermeldeamt W am 10.12.1970, 10.12.1973, 14.10.1975, 1.12.1977, 14.5.1980, 4.11.1983, 6.12.1984, 19.3.1986, 25.4.1988, 8.11.1991, 26.10.1992 und 30.4.1998 um Mitteilung, ob Frau E noch lebt bzw. wann und wo sie verstorben sei. Auf die letztgenannte Anfrage erhielt das Finanzamt …-… die Antwort, dass Frau E am 26. Juni 1993 in W verstorben sei.

In der auf Anforderung des mittlerweile zuständigen Finanzamts … (Beklagter) übersandten Erbschaftsteuererklärung der Miterbin G be...

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