rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Grunderwerbsteuer: Rückgängigmachung i. S. des § 16 Abs. 1 GrEStG bei Vorliegen eines gesetzlichen Rücktrittsrechts des Veräußerers; Erlass der Grunderwerbsteuer wegen persönlicher Härten nur im Ausnahmefall

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Anwendung des § 16 Abs. 1 GrEStG ist ausgeschlossen, wenn dem ursprünglichen Erwerber eine aus dem "rückgängig gemachten" Erwerbsvorgang herzuleitende Rechtsposition verblieben ist und er diese im Zusammenhang mit einer erneuten Veräußerung tatsächlich im eigenen (wirtschaftlichen) Interesse verwertet.

2. Dieser Grundsatz ist auch im Rahmen des § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG anwendbar, und zwar auch dann, wenn dem ursprünglichen Veräußerer aufgrund eines Zahlungsverzuges des Ersterwerbers ein gesetzliches Rücktrittsrecht zusteht, das er gegen den Willen des Ersterwerbers ausüben könnte.

3. Ein eigenes (wirtschaftliches) Interesse liegt vor, wenn der Ersterwerber mit dem Zweitkäufer einen Mietvertrag abschließen und sich von ihm Renovierungsaufwendungen ersetzen lassen will.

4. Ein Erlass der Grunderwerbsteuer wegen persönlicher Härten kommt nur ausnahmsweise in Betracht. Er ist ausgeschlossen, wenn jemand ein Grundstück erwirbt, ohne über das für den Erwerb und die Zahlung der Grunderwerbsteuer notwendige Kapital zu verfügen.

 

Normenkette

GrEStG § 16 Abs. 1 Nrn. 1-2; AO § 227

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte verpflichtet ist, einen Grunderwerbsteuerbescheid nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) aufzuheben oder jedenfalls die Grunderwerbsteuer zu erlassen.

I.

1. Die Klägerin ist ... und war im öffentlichen Dienst tätig. Aufgrund gesundheitlicher Probleme wurde sie in den vorzeitigen Ruhestand versetzt und erhält seitdem Versorgungsbezüge in Höhe von € ... netto zuzüglich Kindergeld für ein Kind. In Höhe des die Pfändungsfreigrenze übersteigenden Betrages von € ... sind die Bezüge durch einen Gläubiger gepfändet (Versorgungsmitteilung für Mai 2010, Grunderwerbsteuerakten -GrEStA-1 Bl. ...).

2. Zunächst wohnte die Klägerin mit ihrem Ehemann und den ... gemeinsamen Kindern im ... in A. Im Zuge der Scheidung der Eheleute musste das Grundstück ... im März 2010 veräußert werden. Die Klägerin erhielt aus dieser Veräußerung einen Betrag von € ...

3. Mit notariell beurkundetem Vertrag vom ... 2010 (GrEStA -1 Bl. ... ff.) erwarb die Klägerin von Frau B das im Y-Weg ... in A gelegene und mit einem Reihenhaus bebaute Grundstück zum Preis von € ...

Im Kaufvertrag war als Übergabetermin der 10.05.2010 vorgesehen unter der Bedingung, dass der Kaufpreis bis dahin auf dem Notaranderkonto eingegangen ist. Nach § 4 des Vertrages war die Klägerin berechtigt, ab dem 09.04.2010 in dem Haus Handwerksarbeiten im Rahmen des dem Vertrag beigefügten Angebots der Firma C vom ... 2010 durchführen zu lassen. Die Nutzungen und Lasten des Kaufgegenstandes sollten ebenfalls am 09.04.2010 auf die Klägerin übergehen.

4. Tatsächlich zog die Klägerin bereits Anfang Mai 2010 in das Haus im Y-Weg ein und ließ in der Folgezeit umfangreiche Renovierungsarbeiten (u. a. Malerarbeiten) durchführen, die sie mit dem Erlös aus dem Verkauf des Grundstücks ... finanzierte. Den Grundstückskaufpreis wollte die Klägerin entsprechend einem Finanzierungsvorschlag der Bank-1vom ... 2010 (GrEStA -1 Bl. ... ff.), auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, finanzieren. Dies scheiterte jedoch wegen einer negativen Schufa-Auskunft. Der Rechtsanwalt der Veräußerin, Herr Dr. D, mahnte die Klägerin im Namen der Veräußerin mit Schreiben vom ... 2010 (GrEStA -1 Bl. ... f.) und setzte ihr für die Zahlung des Kaufpreises eine Nachfrist bis zum 20.08.2010. Nach fruchtlosem Fristablauf wurde über den Abschluss eines Aufhebungsvertrages und den dabei von der Klägerin zu zahlenden Schadensersatz verhandelt.

Die Klägerin fand daraufhin zwei Interessenten, Herrn E und Herrn Dr. F, die beide bereit waren, das Grundstück an ihrer Stelle zu erwerben, mit ihr einen Mietvertrag zu schließen, die Aufwendungen für die Renovierungsarbeiten zum Teil zu übernehmen und der Veräußerin den durch den gescheiterten Kaufvertrag entstandenen Schaden zu ersetzen. Die Veräußerin entschied sich für Herrn E als Ersatzkäufer.

5. Am ... 2010 schloss die Klägerin mit Herrn E einen notariell beurkundeten Mietvertrag über das Haus im Y-Weg ... (UR-Nr.-1; GrEStA -2 Bl. ... ff.). Der zu zahlende Mietzins von € ... pro Monat wurde an die Entwicklung des Lebenshaltungskostenindexes angepasst. Des Weiteren verpflichtete sich Herr E für den Fall, dass er das Grundstück von Frau B zu einem Kaufpreis von € ... erwirbt, für die weitere Instandsetzung einen Betrag von € ... an die Klägerin zu zahlen. Schließlich räumte er ihr bzgl. des Grundstücks ein in der Zeit vom 15.03.2020 bis zum 30.09.2020 auszuübendes Ankaufsrecht ein.

6. Ebenfalls am ... 2010 schloss die Klägerin im unmittelbaren Anschluss vor demselben Notar mit Frau B eine Vereinbarung (UR-Nr.-2;

GrEStA -1 Bl. ... f.), in der sich die Klägerin verpflichtete,...

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