vorläufig nicht rechtskräftig

Revision zugelassen durch das FG

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Abzinsung einer Nachlassverbindlichkeit: Verfassungsmäßigkeit des gesetzlichen Zinssatzes von 5,5 Prozent – Vergleichsmaßstab der marktüblichen Fremdkapitalkosten – Fehlen einer evidenten Abweichung

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Der für die Abzinsung einer unverzinslichen Nachlassverbindlichkeit in § 12 Abs. 3 Satz 2 BewG vorgegebene Zinssatz von 5,5 Prozent war für den Bewertungsstichtag 13.3.2015 noch verfassungsgemäß.
  2. Vergleichsmaßstab für die verfassungsrechtliche Überprüfung der vom Gesetzgeber vorgenommenen Zinssatztypisierung sind die marktüblichen Fremdkapitalkosten, die im März 2015 für unbesicherte Privat- und Geschäftskredite mit einer Laufzeit von über fünf Jahren keine evidente Abweichung zu dem gesetzlichen Zinssatz aufweisen.
 

Normenkette

BewG § 12 Abs. 3; GG Art. 3 Abs. 1

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Abzinsung einer Nachlassverbindlichkeit gemäß § 12 Abs. 3 des Bewertungsgesetzes (BewG).

Der Kläger ist der Enkel des am 13.3.2015 verstorbenen Erblassers E. Der Erblasser wandte dem Kläger im Vermächtniswege verschiedene Betriebsvermögen sowie eine Geldleistung von 200.000 € zu. Der Kläger traf mit seinem Halbbruder B eine notarielle Auslegungsvereinbarung, nach der B gegen den Kläger einen Anspruch habe, unter bestimmten Voraussetzungen einen Teil des Betriebsvermögens zu erhalten. Mit weiterer notarieller Urkunde des Notars G vom 11.2.2020 (URNr....) verzichtete B gegen Zahlung von 400.000 € auf seine Ansprüche gegen den Kläger. Der Betrag war nach § 2 Nr. 3 der notariellen Urkunde i.H.v. 60.000 € zum 2.3.2020 und i.H.v. 250.000 € zum 16.1.2025 zu zahlen; der Restbetrag von 90.000 € sollte ab dem 10.3.2020 in 60 monatlichen Raten von jeweils 1.500 € getilgt werden. Alle Beträge seien zinslos fällig, auch die Stundung des Betrages von 90.000 € erfolgte ausdrücklich zinslos.

Mit geändertem Bescheid vom 17.12.2020 setzte der Beklagte gegen den Kläger Erbschaftsteuer i.H.v. 344.736 € fest. Dabei berücksichtigte er die Verbindlichkeit aus dem Verzicht des B mit einem nach § 12 Abs. 3 BewG abgezinsten Betrag von 253.620 €.

Den hiergegen unter Berufung auf die Entscheidung des Finanzgerichts (FG) Hamburg vom 31.1.2019 (Aktenzeichen 2 V 112/18) und die beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) anhängigen Verfahren 2 BvR 2706/17, 2 BvR 22/17, 1 BvR 2237/14 und 1 BvR 2422/17 eingelegten Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 10.3.2021 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er u.a. an: Der Umstand, dass der Zinssatz des § 238 der Abgabenordnung (AO) teilweise als verfassungswidrig eingestuft werde, lasse sich nicht auf § 12 Abs. 3 BewG übertragen. Die Abzinsung sei nach den geltenden gesetzlichen Bestimmungen erfolgt.

Hiergegen richtet sich die Klage vom 9.4.2021, mit der der Kläger die Verfassungswidrigkeit des in § 12 Abs. 3 BewG vorgesehenen Zinssatzes rügt. Zur Begründung führt er u.a. an: Nach Tz. 2 des Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen vom 26.5.2005 könne eine Abzinsung von Verbindlichkeiten oder Rückstellungen statt nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 und 3a des Einkommensteuergesetzes (EStG) auch nach §§ 12-14 BewG vorgenommen werden. Die Argumente, die für die erstgenannte Vorschrift gölten, seien daher auch auf §§ 12-14 BewG anzuwenden. Daher lasse sich der Beschluss des FG Hamburg vom 31.1.2019 übertragen. Beim BVerfG seien mehrere Verfahren hinsichtlich der Zinssätze von 6 % bzw. 5,5 % anhängig. Auch der Bundesfinanzhof (BFH) habe mit Beschlüssen vom 25.4.2018 (IX B 21/18) und vom 3.9.2018 (VIII B 15/18) schwerwiegende verfassungsrechtliche Zweifel an der Zinshöhe von 6 % für die Veranlagungszeiträume ab 2015 bzw. ab 2012 geäußert.

Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

den Erbschaftsteuerbescheid vom 17.12.2020 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10.3.2021 mit der Maßgabe aufzuheben, dass die Nachlassverbindlichkeit aus dem Verzicht des B mit 400.000 € statt mit 253.620 € anzusetzen ist.

Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,

die Klage abzuweisen.

Er verweist zur Begründung auf die Einspruchsentscheidung.

Die Beteiligten haben mit Schriftsätzen vom 22.6.2021 (Beklagter) bzw. vom 28.6.2021 (Kläger) auf die Durchführung der mündlichen Verhandlung verzichtet. Wegen der weiteren Einzelheiten der Sach- und Rechtslage wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten nach § 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ohne mündliche Verhandlung.

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

Der Beklagte hat die Nachlassverbindlichkeit zurecht nur mit dem abgezinsten Betrag zum Abzug zugelassen. Gegen die Berechnung des Abzinsungsbetrages hat der Kläger nichts eingewandt. Soweit er die Verfassungswidrigkeit der Zinssatzhöhe ...

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