Entscheidungsstichwort (Thema)

Anerkennung eines häuslichen Arbeitszimmer auch bei Ablehnung einer unangemeldeten Ortsbesichtigung durch das FA

 

Leitsatz (amtlich)

Das FA darf den Werbungskostenabzug für ein zur Überzeugung des Gerichts beruflich veranlasstes häusliches Arbeitszimmer nicht verweigern, wenn zwar der Steuerpflichtige eine unankündigte Besichtigung des Raums durch einen Bediensteten des FA verweigert und diesen nicht ins Haus gelassen hat, wenn die Ortsbesichtigung aber erst um 19.40 Uhr abends und damit außerhalb der „üblichen Geschäfts- und Arbeitszeit” i. S. von § 99 AO 1977 erfolgen sollte.

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1 S. 1, § 19; AO 1977 §§ 98, 99 Abs. 1 Sätze 2, 1; EStG § 12

 

Tatbestand

Der Kläger war im Streitjahr als Diplom-Ingenieur nichtselbständig tätig. In der Einkommensteuererklärung … machte er – wie bereits in den Vorjahren – die Kosten für ein Arbeitszimmer in dem selbstgenutzten Einfamilienhaus i.H.v. … DM als Werbungskosten geltend.

Am … erschien um 19.40 Uhr ein Mitarbeiter des Beklagten bei den Klägern, um das Arbeitszimmer zu besichtigen. Die Kläger lehnten es mangels einer Anmeldung des Termins ab, ihn einzulassen.

Mit geändertem Einkommensteuerbescheid … vom … erkannte der Beklagte die Aufwendungen für das Arbeitszimmer nicht an. Den hiergegen gerichteten Einspruch wies er zurück mit der Begründung, die Kläger hätten den von ihnen zu erbringenden Nachweis, daß ein beruflich genutztes Arbeitszimmer vorliege, vereitelt.

Hiergegen richtet sich die Klage.

Die Kläger tragen vor:

Sie hätten das Betreten der Wohnung nicht grundlos verweigert, so daß der Beklagte nicht berechtigt sei, die Anerkennung des Arbeitszimmers zu versagen. Eine Augenscheinseinnahme sei nur zu den üblichen Geschäfts- und Arbeitszeiten zulässig. § 99 AO ermögliche keine Augenscheinseinnahme ohne vorherige Benachrichtigung des Betroffenen.

Das Arbeitszimmer sei von den übrigen, privatgenutzten, Zimmern der Wohnung räumlich getrennt. Der Kläger sei aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit auf die Nutzung eines häuslichen Arbeitszimmers angewiesen. Um die außerhalb seiner Arbeitszeit erforderlichen Tätigkeiten im häuslichen Arbeitszimmer mit modernen Mitteln erledigen zu können, habe der Kläger für den Hausgebrauch von seinem Arbeitgeber einen … Computer zur leihweisen Verfügung erhalten. Zudem seien dem Kläger zeitweise Datenverarbeitungsgeräte mit nach Hause gegeben worden, damit er sie nach Überprüfung der technischen Anwendung an den Kunden weitergeben könne. Die Möblierung des Arbeitszimmers mit Schreibtisch, Stuhl, Computer und Drucker lasse klar erkennen, daß der Raum der beruflichen Tätigkeit des Klägers gewidmet sei.

Die Kläger beantragen,

den geänderten Einkommensteuerbescheid … vom … und die Einspruchsentscheidung vom … aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen, hilfsweise Revisionszulassung.

Der Beklagte verweist zur Begründung auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung. Darüber hinaus trägt er vor, der Kläger habe durch Nichtgewährung der Augenscheinseinnahme die Aufklärung des tatsächlichen Sachverhalts vereitelt. Für die Beurteilung der beruflichen Nutzung des Arbeitszimmers sei es von ausschlaggebender Bedeutung, mit welchen Einrichtungsgegenständen das Zimmer bestückt sei. Möbel könnten im allgemeinen ohne großen Zeit- und Arbeitsaufwand beschafft, beseitigt oder verstellt werden. Wenn die Augenscheinseinnahme vorher angekündigt worden wäre, hätten die Kläger die Möglichkeit gehabt, durch kurzfristiges Entfernen und Umstellen von Einrichtungsgegenständen den Sachverhalt zu verändern. Die Kläger verfügten mit ihren beiden kleinen Kindern lediglich über eine Wohnfläche von 85,55 qm.

Der Senat hat Beweis erhoben über die Ausstattung des häuslichen Arbeitszimmers im Jahr … durch Vernehmung des Zeugen …. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Niederschrift vom … Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist im wesentlichen begründet.

Zu Unrecht hat der Beklagte die Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmers des Klägers nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit berücksichtigt. Aufwendungen für ein beruflich genutztes Arbeitszimmer stellen regelmäßig Werbungskosten im Sinne von § 9 Abs. 1 Einkommensteuergesetz dar. Der Anerkennung der geltend gemachten Kosten steht im Streitfall nicht bereits die Tatsache entgegen, daß die Kläger eine Besichtigung des Arbeitszimmers durch einen Mitarbeiter des Beklagten verweigert haben. Denn es war für die Kläger nicht zumutbar, eine Augenscheinseinnahme abends um 19.40 Uhr zu dulden.

Zwar ist die Finanzbehörde grundsätzlich nach §§ 98, 99 Abgabenordnung zur Einnahme des Augenscheins berechtigt, wenn dies erforderlich ist, um Feststellungen im Besteuerungsverfahren zu treffen. Auch kann auf eine vorherige Benachrichtigung nach § 99 Abs. 1 Satz 2 Abgabenordnung verzichtet werden, wenn dadurch der Zweck der Maßnahme gefährdet oder vereitelt würde (vgl. § 197 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung). Im Streitfall waren aber ...

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